Martin Luther
Lutherstadt Erfurt
Erfurt ist die Stadt des jungen Luthers, des Studenten, Magisters und Mönches, in der der Reformator seine geistige Prägung erfuhr.
Martin Luther (1483-1546) durchlebte in der Mittelaltermetropole Erfurt die entscheidende geistige Prägephase als Student, Magister und junger Mönch von 1501 bis 1511. Nach nach dem Wunsch des Vaters sollte er an der Universität Erfurt das Rüstzeug für eine glanzvolle Karriere erwerben. Der junge Mann war beeindruckt vom regen geistigen Leben der pulsierenden Handelsstadt, mit fast 20.000 Einwohnern eine der größten Städte des Reiches. Neben Erfurt nähmen sich alle übrigen Universitäten wie "kleine (ABC-)Schützenschulen" aus, so Luther.
Beim Eintrag in die Matrikel 1501, das erste urkundlich verbürgte Datum seiner Biographie, wehte "Martinus Ludher ex Mansfeldt" im Collegium maius der Geist von gut hundert Jahren Geschichte an. Die Hierana (Universität an der Gera) galt zu jener Zeit als eine der angesehensten Hochschulen Europas und hatte 1379 als erste im heutigen Deutschland ein Gründungsprivileg erhalten. Luthers "Studentenwohnheim", die Georgenburse, sowie die meisten Bursen, Kollegien, die Universitätskirche (Michaeliskirche) und zahlreiche Druckereien befanden sich im "lateinischen Viertel". Das Studium begann mit der Philosophischen Fakultät, ehe man eine der drei höheren Fakultäten (Recht, Medizin, Theologie) besuchen konnte. Luther schloss jenes Grundstudium der sieben Freien Künste 1505 erfolgreich als Magister ab. Später bekannte er: "Die Erfurter Universität ist meine Mutter, der ich alles verdanke."
Das anschließende Jurastudium brach Luther nach seinem "Stotternheimer Gewittererlebnis" jedoch ab. Auf dem Heimweg von den Eltern in Mansfeld ereilte ihn am 2. Juli 1505 nahe dem heutigen Erfurter Vorort ein Unwetter, wobei er in größter Not geschworen haben soll: "Hilf du, Heilige Anna, ich will ein Mönch werden!" Dies ist als entscheidender biographischer Wendepunkt, als "Werdepunkt der Reformation" eingestuft worden, wie es auf dem Gedenkstein von 1917 heißt. Heute geht man von einem längeren Prozess und verschiedenen Motiven aus, die zu jener Entscheidung gegen den Willen des Vaters geführt haben. Am 17. Juli 1505 trat Luther durch die Lutherpforte in das Erfurter Augustinerkloster ein. Bis 1511 sollte er sich dort der strengsten "Möncherei" unterwerfen und mit der Frage kämpfen, wie er zu einem gnädigen Gott kommen könne. 1507 erfolgte die Priesterweihe im Dom St. Marien durch Weihbischof Johannes Bonemilch von Laasphe, zugleich nahm Luther das Theologiestudium auf, das er 1512 in Wittenberg mit dem Doktor abschloss. 1510/11 führte eine Ordensangelegenheit den Augustinermönch zum einzigen Mal nach Rom.
Aber auch der ab 1517 in den Fokus der Weltgeschichte geratende Wittenberger Reformator und Bibelübersetzer auf der Wartburg ließ die Kontakte nicht abreißen, griff mehrfach - etwa mit seinen spekatkulären Predigten - in das Geschehen in Erfurt ein. Mit Johannes Lang, dem "Reformator Erfurts", besaß er hier einen der ältesten und wichtigsten Mitstreiter, dessen lange verschollener Grabstein 2014 wiederentdeckt wurde. Seinen prominenten Lehrer Jodocus Trutfetter konnte Luther 1518 in einem Gespräch im Collegium marianum allerdings nicht vom reformatorischen Gedankengut überzeugen.
Erfurt darf also neben Wittenberg und der Wartburg als wichtigster Lutherort gelten, in dessen Altstadt sich noch viele Spuren des "werdenden Reformators" finden. Hier stehen mit dem Collegium maius das Hauptgebäude seiner Universität, heute Verwaltungssitz der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, die Georgenburse sowie das Augustinerkloster, eine renommierte Tagungs- und Begegnungsstätte mit Ausstellung samt Lutherzelle und historischer Bibliothek. Zu diesen herausragenden Erinnerungsorten kommen weitere hinzu, wie die Humanistenstätte Engelsburg, der Dom, die Kaufmannskirche, Michaeliskirche, Barfüßerkirche, das Collegium marianum und das Gasthaus Zur Hohen Lilie. Im Stadtmuseum wird Luthers Erfurter Zeit in den Kontext der Handels- und Kulturmetropole gestellt. Hier finden sich biographische Zeugnisse wie das Schreibkästchen, einer der wenigen erhaltenen persönlichen Gegenstände Luthers.
Immer wieder hat Erfurt unter sich wandelnden politisch-gesellschaftlichen Bedingungen seinen "großen Sohn der Stadt" gefeiert. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert gehörte er zu den zentralen Symbolfiguren im bürgerlich-nationalen Geschichtsbild. Hierfür stehen u.a. das Lutherdenkmal auf dem Anger, die Wandbilder im Rathaus und das Denkmal vor der Lutherschule. 1886 gründete sich der Evangelische Bund als größter konfessioneller Interessenverband in der Lutherstadt Erfurt. Selbst in der späten DDR-Zeit kam es zu eindrucksvollen Würdigungen im Rahmen des Luther-Jubiläums 1983. Anlässlich des 500. Reformationsjubiläums 2017 wurde das Augustinerklosters sogar von der Bundesrepublik zur Aufnahme auf die UNESCO-Welterbeliste vorgeschlagen. Der Rotary Club Erfurt hat der Stadt 2017 eine Bronzefigur Luthers von Künstler Christian Paschold an der Rathausfassade geschenkt (Foto: Matthias Eckert).
Lesetipps
Steffen Raßloff, Volker Leppin, Thomas A. Seidel (Hg.): Orte der Reformation. Erfurt. Leipzig 2012.
Andreas Lindner/Steffen Raßloff: Reformation konkret. Luther auf Erfurter Kanzeln. Erfurt 2012 (2. Auflage 2016).
Kai Uwe Schierz (Hg.): Luther – Der Auftrag. Martin Luther und die Reformation in Erfurt. Rezeption und Reflexion. Erfurt 2017.
Steffen Raßloff: Geschichte der Stadt Erfurt. Erfurt 2012 (6. Auflage 2025).
Steffen Raßloff: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021.
Siehe auch: Kurzfilm zu Luther und Erfurt (3:06 min), Luther und Thüringen, Geschichte der Stadt Erfurt