Lutherdenkmal Lutherschule

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Lutherdenkmal an der Lutherschule

Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (22.06.2013)


Luther als Familienvater

DENKMALE IN ERFURT (103): Vor der Lutherschule im Norden der Stadt befindet sich ein interessantes Lutherdenkmal.


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Die nördlichen Erfurter Gründerzeit-Viertel aus der Zeit um 1900 wurden einst überwiegend von Arbeitern und Kleinbürgern bewohnt. Entstanden im Zuge der rasanten Industriealisierung und Ausdehnung der Stadt, wuchs hier auch der Bedarf an Bildungseinrichtungen. Entsprechend dem sozialen Profil jener Viertel handelte es sich überwiegend um Volksschulen, in denen die Schüler unter schwierigen Bedingungen eine eher dürftige Bildung mit auf den weiteren Lebensweg bekamen. Einer der markantesten Schulneubauten wurde im März 1911 in der Karlstraße direkt an der Gera nahe dem späteren Nordpark begonnen. Nach nur 18 Monaten Bauzeit und stolzen 472.000 Mark Kosten konnte am 14. Oktober 1912 die neue Martin-Luther-Schule festlich eingeweiht werden.

Der Schulname nahm natürlich Bezug auf die Bedeutung Erfurts als Lutherstadt. Seinen aufwändigen Ausdruck fand dies in einem Denkmal, das ebenfalls 1912 vor dem Schulgebäude errichtet wurde. Sein Schöpfer war Wilhelm Mues, der u.a. auch für das bekannte Elefantentor am Berliner Zoo verantwortlich zeichnet. Das Bronzerelief an einer säulengezierten Sandsteinmauer zeigt Luther im Familien- und Freundeskreis aus der Bibel lesend. Es symbolisiert damit ein Kernelement der lutherischen Theologie, die im Wortlaut der Heiligen Schrift die wichtigste Glaubensautorität sieht. In Korrespondenz mit dem Schulgebäude steht das Denkmal auch für die wichtige Rolle der Reformation in der Bildungsgeschichte Deutschlands. Im Unterricht der Volksschule nahmen Religion und das Auswendiglernen von Bibelversen breiten Raum ein, was die sozialen Aufstiegsmöglichkeiten der Volksschüler freilich nicht verbesserte. Kaum einer von ihnen gelangte später zu höheren Bildungsabschlüssen.

Nach 1945 waren in der Karlstraße zum Teil gleichzeitig eine Kinder- und Jugendsportschule (KJS), die 2. Polytechnische Oberschule (POS) „Karl Reimann“ und die Hilfsschule Erfurt-Land, die spätere Lilo-Herrmann-Schule, ansässig. Von Luther war nun lange Zeit keine Rede mehr. Initiativen von Eltern, im Rahmen der großen Lutherehrungen der DDR 1983 die Schule wieder nach dem Reformator zu benennen, wurden von der SED brüsk zurück gewiesen. Nach 1989 wandelte sich erneut der Charakter der Schule. Zunächst Landgymnasium und Förderschule, gründete man 1995 das Staatliche Förderzentrum Erfurt-Nord, das zehn Jahre später in Staatliches Förderzentrum Erfurt-Mitte umbenannt wurde. 2006 erhielt dieses auf Beschluss des Stadtrates wieder den Traditionsnamen Lutherschule. Dieser wird seither bewusst gepflegt, zuletzt während der Feierlichkeiten zum 100. Gründungsjubiläum 2012. Schon 2010 hatte das Lutherdenkmal von Wilhelm Mues nach gründlicher Sanierung wieder feierlich eingeweiht werden können. (Foto: Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Steffen Raßloff: Moderne Zeiten. Die Industriegroßstadt Erfurt. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 78 f.

Steffen Raßloff: Erfurt - Thüringens erste Industriegroßstadt. Wirtschaft, Sozialstruktur und Stadtentwicklung um 1900. In: Stefan Gerber/Werner Greiling/Marco Swiniartzki (Hg.): Thüringen im Industriezeitalter. Konzepte, Fallbeispiele und regionale Verläufe vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Wien/Köln/Weimar 2019. S. 237-260.


Siehe auch: Luther und Erfurt, Geschichte der Stadt Erfurt, Nordpark, Industriegroßstadt