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Steffen Raßloff: '''[[30 Jahre Universitaet Erfurt 2024|Die Universität Erfurt 1994-2024. Zum 30. Wiedergründungsjubiläum einer Traditionshochschule]]'''. In: Stadt und Geschichte 84 (2024), S. 34.
Steffen Raßloff: '''[[30 Jahre Universitaet Erfurt 2024|Die Universität Erfurt 1994-2024. Zum 30. Wiedergründungsjubiläum einer Traditionshochschule]]'''. In: Stadt und Geschichte 84 (2024), S. 34.


Steffen Raßloff: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt Rassloff|Geschichte der Stadt Erfurt]]'''. Tübingen 2012 (6. Auflage 2024).
Steffen Raßloff: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt Rassloff|Geschichte der Stadt Erfurt]]'''. Tübingen 2012 (6. Auflage 2025).





Aktuelle Version vom 2. Dezember 2024, 08:44 Uhr

Universität Erfurt

Die Universität Erfurt gilt mit ihrem Gründungsprivileg von 1379 als die älteste in Deutschland. Zugleich kann sie sich die (fast) jüngste nennen, dank ihrer Wiedergründung 1994. Als echte Bürgeruniversität ging ihre Gründung zum einen vom mittelalterlichen Stadtrat und zum anderen von der heutigen Universitätsgesellschaft aus.


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Die Hierana, die Universität an der Gera, bekam 1379 ihr päpstliches Gründungsprivileg vor Heidelberg (1385) und Köln (1388). Während des Großen Schismas wurde das Privileg 1389 erneuert und 1392 nahm man den Lehrbetrieb auf. Erfurt gilt damit als die älteste Universität im heutigen Deutschland, der zudem ein bis ins 13. Jahrhundert zurückreichendes universitätsähnliches Generalstudium voranging. Initiator war nicht wie meist ein Fürst, sondern Stadtrat und Bürger der Mittelaltermetropole. Die Alma mater Erfordensis entwickelte sich zu einem geistigen Zentrum Mitteleuropas im 15. Jahrhundert mit zeitweise den höchsten Studentenzahlen. Neben ihr nahmen sich andere Universitäten wie „kleine Schützenschulen“ aus, so der Erfurter Student und Magister Martin Luther (1501-05). Rund um das Hauptgebäude Collegium maius und die als Universitätskirche fungierende Michaeliskirche entstand ein "lateinisches Viertel", zu dem auch Luthers Georgenburse und die Armenburse gehörten. Versinnbildlicht wird diese Blütezeit auch durch die Insignien mit den eindrucksvollen Zeptern, die heute im Stadtmuseum präsentiert werden (Foto: Stadtmuseum Erfurt).

Ihr guter Ruf machte die Volluniversität mit allen vier Fakultäten (Philosophie, Medizin, Rechte, Theologie) zur meistbesuchten des Reiches. 1412 stiftete Rektor Amplonius Rating de Berka seine bedeutende Bibliotheca Amploniana, größte noch weitgehend geschlossen erhaltene Handschriftensammlung eines spätmittelalterlichen Gelehrten weltweit. Das "Bologna des Nordens" mit dem "König des Rechts" Henning Goede galt als vorbildliche Pflegestätte der Rechtswissenschaften und öffnete sich dem Humanismus. Aus dem Erfurter Humanistenkreis um Helius Eobanus Hessus in der Engelsburg gingen die Dunkelmännerbriefe (1515/17) mit hervor. Weitere bedeutende Gelehrte und Rektoren aus der Lutherzeit waren Johannes Bonemilch von Laasphe und Jodocus Trutfetter. Auch der sprichwörtliche Rechenmeister Adam Ries war an der Universität tätig, später studierte hier mit Hiob Ludolf der Begründer der Äthiopistik.

Allerdings sollte sich das Niveau nicht auf Dauer halten lassen, wozu Konkurrenzgründungen besonders im nahen Jena (1548/58) entscheidend beitrugen. Eine Reform im Geiste des Protestantismus, im Dreißigjährigen Krieg unter Rektor Johann Matthäus Meyfart kurzzeitig umgesetzt, blieb Episode. Einst Gründung einer selbstbewussten Bürgerschaft, fungierte die bikonfessionelle Hierana nach der Unterwerfung der Stadt durch den Landesherren 1664 nur noch als Kurmainzische Landesuniversität, an der gleichwohl bedeutende Wissenschaftler wie den Begründer der modernen Pharmazie Johann Bartholomäus Trommsdorff lehrten. Belebungsversuche im Geiste der Aufklärung unter Statthalter Karl Theodor von Dalberg - 1769-72 lehrte auch Christoph Martin Wieland in Erfurt - brachten keinen Erfolg. Zeitweise fungierte der heutige Kaisersaal als Universitätsballhaus. Trotz intensiver Bemühungen der Erfurter, besonders von Prof. Jakob Dominikus, erfolgte 1816 die Schließung durch den neuen Landesherrn Preußen, der in der Provinz Sachsen nur die Universität Halle-Wittenberg weiterbetrieb.

Dieser „hochschulfreie“ Zustand sollte lange Bestand haben, auch wenn man den Fortbestand der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften (1754) zubilligte und insbesondere der Geschichtsverein (1863) die Universitäts-Traditionen pflegte. Eine Pädagogische Akademie 1929/32 blieb nur kurzlebiges Intermezzo; der 19. Deutsche Historikertag 1937, normalerweise nur in Universitätsstädten durchgeführt, wurde von Stadt und Geschichtsverein unter Verweis auf die Tradition der Alten Universität veranstaltet. Erst die Gründung des Pädagogischen Institutes (1953, 1969 Pädagogische Hochschule) sowie der Medizinischen Akademie (1954) machten die sozialistische Bezirksstadt wieder zum Hochschulstandort. Schon seit 1952 existierte am Dom das Philosophisch-Theologische Studium als einzige Hochschule der Katholischen Kirche in der DDR.

Friedliche Revolution und Wiedervereinigung 1989/90 rückten die Realisierung langjähriger Bemühungen um die Neubelebung der Universität in realistische Nähe. Initiator war die 1987 als Bürgerinitiative gegründete heutige Universitätsgesellschaft. 1994 erfolgte die Wiedergründung durch den Freistaat Thüringen, 1999 startete der Lehrbetrieb. Nach einer Übergangsphase der Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule kam es 2001 zur Verschmelzung beider Einrichtungen. Die Alma Mater Erfordensis sah sich damit auch als älteste und jüngste Universität Deutschlands, wobei mit der TU Nürnberg (2021) unterdessen eine echte Neugründung hinzugekommen ist. 1994 musste zugleich die von heftigen Protesten begleitete „Abwicklung“ der Medizinischen Akademie hingenommen werden, die nicht zur zweiten Medizinischen Fakultät Thüringens neben Jena umgewandelt wurde. Die geisteswissenschaftliche Ausrichtung hatte das Aus für die Naturwissenschaften 1995 zur Folge.

Diesen Einschnitten stand die internationale Beachtung der Reformuniversität unter Gründungsrektor Peter Glotz gegenüber. Der Neuansatz äußerte sich u.a. in den Abschlüssen Bachelor (BA) und Master (MA), einem vorbildlichen Betreuungsangebot und der Profilierung einzelner Gebiete, wie Religion, Kommunikation, Bildung und Weltgeschichte. Heute studieren an der Uni rund 6000 Studenten an Philosophischer, Staatswissenschaftlicher, Erziehungswissenschaftlicher und Katholisch-Theologischer Fakultät. Letztere kam 2003 durch die Integration des Philosophisch-Theologischen Studiums hinzu. Wichtig sind auch das Max-Weber-Kolleg, benannt nach dem in Erfurt gebürtigen Soziologen Max Weber, und die Willy Brandt School of Public Policy. Auch wenn die Aufbruchstimmung abgeebbt ist, stellt die Universität einen großen ideellen und materiellen Gewinn für Erfurt dar. Ihre Integration in das städtische Leben bleibt eine Aufgabe von Universität und Bürgerschaft. So hätten viele eine stärkere Präsenz in der Innenstadt gewünscht, u.a. in Form des Collegium maius. Die Entscheidung fiel aber für den Campus im Norden. In seiner Mischung aus denkmalgeschützter Bausubstanz der DDR-Zeit und modernen Neubauten verkörpert er heute die Universitätsstadt Erfurt.

(Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Erich Kleineidam: Universitas Studii Erffordensis. Überblick über die Geschichte der Universität Erfurt (4 Bd.). Leipzig 1964-1981.

Almut Märker: Geschichte der Universität Erfurt 1392-1816. Weimar 1993.

Robert Gramsch: Erfurt - Die älteste Hochschule Deutschlands. Vom Generalstudium zur Universität. Erfurt 2012.

Barbara Marshall: Die (Wieder-)Gründung der Universität Erfurt. Köln 2023.

Steffen Raßloff: Erfurt. Die älteste und (fast) jüngste Universität Deutschlands. Erfurt 2014 (3. Auflage 2024). (Download)

Steffen Raßloff: Die Universität Erfurt 1994-2024. Zum 30. Wiedergründungsjubiläum einer Traditionshochschule. In: Stadt und Geschichte 84 (2024), S. 34.

Steffen Raßloff: Geschichte der Stadt Erfurt. Tübingen 2012 (6. Auflage 2025).


Siehe auch: Universität Erfurt, Wandbild Rathausfestsaal, 25. Jubiläum 2019, Geschichte der Stadt Erfurt


Unigesellschaft-Erfurt.de 24.04.2024 (zum Lesen anklicken)

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