Alfred Hess: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Beitrag der Serie [[Denkmale in Erfurt|Denkmale in Erfurt]] aus der Thüringer Allgemeine von [[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]] (24.11.2012)'''
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[[Datei:Hessvilla.jpg|400px|right]][[Datei:Hessvillatafel.jpg|400px|right]]Das Erfurter Angermuseum, seinerzeit noch „Städtisches Museum“, erlebte in den 1920er Jahren einen Höhepunkt als Zentrum moderner Kunst. Insbesondere die kongeniale Zusammenarbeit zwischen Direktor Walter Kaesbach und dem jüdischen Schuhfabrikanten Alfred Hess (1879-1931) ließ eine Expressionismus-Sammlung wachsen, die heute unschätzbaren Wert besäße. Hess gehörte zu den wenigen Bürgern, die offen für jene neue künstlerische Strömung waren, welche traditionellen Sehgewohnheiten widersprach. Er finanzierte den Ankauf vieler Bilder und Skulpturen. Den persönlichen Beziehungen Kaesbachs und der Unterstützung durch Hess verdankt sich auch der Heckel-Raum (1924) im Angermuseum. Der Nebenraum im Erdgeschoss enthält mit dem Zyklus „Lebensstufen“ die einzigen erhaltenen Wandmalereien des bekannten Expressionisten Erich Heckel.  
[[Datei:HessVilla.jpg|380px|right]]Das Erfurter Angermuseum, seinerzeit noch „Städtisches Museum“, erlebte in den 1920er Jahren einen Höhepunkt als Zentrum moderner Kunst. Insbesondere die kongeniale Zusammenarbeit zwischen Direktor Walter Kaesbach und dem jüdischen Schuhfabrikanten Alfred Hess (1879-1931) ließ eine Expressionismus-Sammlung wachsen, die heute unschätzbaren Wert besäße. Hess gehörte zu den wenigen Bürgern, die offen für jene neue künstlerische Strömung waren, welche traditionellen Sehgewohnheiten widersprach. Er finanzierte den Ankauf vieler Bilder und Skulpturen. Den persönlichen Beziehungen Kaesbachs und der Unterstützung durch Hess verdankt sich auch der Heckel-Raum (1924) im Angermuseum. Der Nebenraum im Erdgeschoss enthält mit dem Zyklus „Lebensstufen“ die einzigen erhaltenen Wandmalereien des bekannten Expressionisten Erich Heckel.  


Neben den immer noch beachtlichen Relikten der 1937 von den Nationalsozialisten zerschlagenen Sammlung im Angermuseum erinnert heute die Villa von Alfred Hess an dessen Wirken. Sie befindet sich in der nach dem großzügigen Kunstfreund benannten Alfred-Hess-Straße Ecke Richard-Breslau-Straße. Allerdings hatte es 1992 zumal bei den Anliegern einigen Widerstand gegen die Umbenennung der vormaligen Straße der Einheit gegeben. Sie hätten gerne den zu DDR-Zeiten auf die Vereinigung von SPD und KPD zur SED 1946 anspielenden Namen beibehalten und auf die deutsche Wiedervereinigung 1990 uminterpretiert. Ein Votum gegen Alfred Hess muss man darin allerdings nicht sehen. An seiner heute als Bürogebäude genutzten Villa erinnert eine Gedenktafel an den Schuhfabrikanten und Kunstmäzen.   
Neben den immer noch beachtlichen Relikten der 1937 von den Nationalsozialisten zerschlagenen Sammlung im Angermuseum erinnert heute die Villa von Alfred Hess an dessen Wirken. Sie befindet sich in der nach dem großzügigen Kunstfreund benannten Alfred-Hess-Straße Ecke Richard-Breslau-Straße (Foto: Dr. Steffen Raßloff). Allerdings hatte es 1992 zumal bei den Anliegern einigen Widerstand gegen die Umbenennung der vormaligen Straße der Einheit gegeben. Sie hätten gerne den zu DDR-Zeiten auf die Vereinigung von SPD und KPD zur SED 1946 anspielenden Namen beibehalten und auf die deutsche Wiedervereinigung 1990 uminterpretiert. Ein Votum gegen Alfred Hess muss man darin allerdings nicht sehen. An seiner heute als Bürogebäude genutzten Villa erinnert eine Gedenktafel an den Schuhfabrikanten und Kunstmäzen.   


Und dies geschieht mit vollem Recht. Hess hatte sein Heim in der damaligen Hohenzollernstraße zur bedeutenden Galerie gemacht und beherbergte zahlreiche Größen des Expressionismus. Das Gästebuch der Familie Hess liest sich wie ein Who´s who der klassischen Moderne. Dort finden sich neben einem Beckmann, Heckel, Kandinsky, Nolde, Pechstein oder Schmidt-Rottluff auch die Namen von Lyonel Feininger und Christian Rohlfs, die 1923 und 1924 auf Initiative Kaesbachs länger in Erfurt weilten. Geblieben sind die Studien der Barfüßerkirche von Feininger und die Aquarelle „Dom und Severikirche in Erfurt“ von Rohlfs. Die Hess-Villa geriet geradezu zu einem Wallfahrtsort der Moderne, wurde zum Studienziel vieler Weimarer Bauhäusler und Künstler bzw. Kunstfreunde aus ganz Deutschland. Aber auch moderne Musiker wie Paul Hindemith und Dreigroschenoper-Komponist Kurt Weill fanden bei Hess gastliche Aufnahme und Unterstützung.
Und dies geschieht mit vollem Recht. Hess hatte sein Heim in der damaligen Hohenzollernstraße zur bedeutenden Galerie gemacht und beherbergte zahlreiche Größen des Expressionismus. Das Gästebuch der Familie Hess liest sich wie ein Who´s who der klassischen Moderne. Dort finden sich neben einem Beckmann, Heckel, Kandinsky, Nolde, Pechstein oder Schmidt-Rottluff auch die Namen von Lyonel Feininger und Christian Rohlfs, die 1923 und 1924 auf Initiative Kaesbachs länger in Erfurt weilten. Geblieben sind die Studien der Barfüßerkirche von Feininger und die Aquarelle „Dom und Severikirche in Erfurt“ von Rohlfs. Die Hess-Villa geriet geradezu zu einem Wallfahrtsort der Moderne, wurde zum Studienziel vieler Weimarer Bauhäusler und Künstler bzw. Kunstfreunde aus ganz Deutschland. Aber auch moderne Musiker wie Paul Hindemith und Dreigroschenoper-Komponist Kurt Weill fanden bei Hess gastliche Aufnahme und Unterstützung.




Siehe auch: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]''', '''[[Weimarer Republik]]''', '''[[Angermuseum_Erfurt_Expressionismus|Expressionismus]]'''
'''Lesetipps:'''
 
Steffen Raßloff: '''Kultureller Aufbruch. Erfurt und der Expressionismus.''' In: '''[[Erfurt 55 Highlights aus der Geschichte|Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte]].''' Erfurt 2021. S. 92 f.
 
Steffen Raßloff: '''[[Erfurt Weimarer Republik Rassloff|Bürgerkrieg und Goldene Zwanziger. Erfurt in der Weimarer Republik]]'''. Erfurt 2008.
 
Steffen Raßloff: '''[[Geschichte_Erfurter_Museen|Die Erfurter Museen. Kulturgeschichte im Spannungsfeld von Gesellschaft und Politik]]'''. In: Stadt und Geschichte 18 (2003). S. 24 f.
 
 
Siehe auch: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]''', '''[[Weimarer Republik|Erfurt in der Weimarer Republik]]''', '''[[Angermuseum_Erfurt_Expressionismus|Expressionismus]]''', '''[[Angermuseum]]''', '''[[Antisemitismus in Erfurt|Antisemitismus]]'''

Aktuelle Version vom 1. Oktober 2022, 12:59 Uhr

Alfred Hess

Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (24.11.2012)


Pilgerstätte der Moderne

DENKMALE IN ERFURT (73): Die Villa des Schuhfabrikaten Alfred Hess war in den „Goldenen Zwanzigern“ ein Treffpunkt moderner Künstler.


HessVilla.jpg

Das Erfurter Angermuseum, seinerzeit noch „Städtisches Museum“, erlebte in den 1920er Jahren einen Höhepunkt als Zentrum moderner Kunst. Insbesondere die kongeniale Zusammenarbeit zwischen Direktor Walter Kaesbach und dem jüdischen Schuhfabrikanten Alfred Hess (1879-1931) ließ eine Expressionismus-Sammlung wachsen, die heute unschätzbaren Wert besäße. Hess gehörte zu den wenigen Bürgern, die offen für jene neue künstlerische Strömung waren, welche traditionellen Sehgewohnheiten widersprach. Er finanzierte den Ankauf vieler Bilder und Skulpturen. Den persönlichen Beziehungen Kaesbachs und der Unterstützung durch Hess verdankt sich auch der Heckel-Raum (1924) im Angermuseum. Der Nebenraum im Erdgeschoss enthält mit dem Zyklus „Lebensstufen“ die einzigen erhaltenen Wandmalereien des bekannten Expressionisten Erich Heckel.

Neben den immer noch beachtlichen Relikten der 1937 von den Nationalsozialisten zerschlagenen Sammlung im Angermuseum erinnert heute die Villa von Alfred Hess an dessen Wirken. Sie befindet sich in der nach dem großzügigen Kunstfreund benannten Alfred-Hess-Straße Ecke Richard-Breslau-Straße (Foto: Dr. Steffen Raßloff). Allerdings hatte es 1992 zumal bei den Anliegern einigen Widerstand gegen die Umbenennung der vormaligen Straße der Einheit gegeben. Sie hätten gerne den zu DDR-Zeiten auf die Vereinigung von SPD und KPD zur SED 1946 anspielenden Namen beibehalten und auf die deutsche Wiedervereinigung 1990 uminterpretiert. Ein Votum gegen Alfred Hess muss man darin allerdings nicht sehen. An seiner heute als Bürogebäude genutzten Villa erinnert eine Gedenktafel an den Schuhfabrikanten und Kunstmäzen.

Und dies geschieht mit vollem Recht. Hess hatte sein Heim in der damaligen Hohenzollernstraße zur bedeutenden Galerie gemacht und beherbergte zahlreiche Größen des Expressionismus. Das Gästebuch der Familie Hess liest sich wie ein Who´s who der klassischen Moderne. Dort finden sich neben einem Beckmann, Heckel, Kandinsky, Nolde, Pechstein oder Schmidt-Rottluff auch die Namen von Lyonel Feininger und Christian Rohlfs, die 1923 und 1924 auf Initiative Kaesbachs länger in Erfurt weilten. Geblieben sind die Studien der Barfüßerkirche von Feininger und die Aquarelle „Dom und Severikirche in Erfurt“ von Rohlfs. Die Hess-Villa geriet geradezu zu einem Wallfahrtsort der Moderne, wurde zum Studienziel vieler Weimarer Bauhäusler und Künstler bzw. Kunstfreunde aus ganz Deutschland. Aber auch moderne Musiker wie Paul Hindemith und Dreigroschenoper-Komponist Kurt Weill fanden bei Hess gastliche Aufnahme und Unterstützung.


Lesetipps:

Steffen Raßloff: Kultureller Aufbruch. Erfurt und der Expressionismus. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 92 f.

Steffen Raßloff: Bürgerkrieg und Goldene Zwanziger. Erfurt in der Weimarer Republik. Erfurt 2008.

Steffen Raßloff: Die Erfurter Museen. Kulturgeschichte im Spannungsfeld von Gesellschaft und Politik. In: Stadt und Geschichte 18 (2003). S. 24 f.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurt in der Weimarer Republik, Expressionismus, Angermuseum, Antisemitismus