Angermuseum Erfurt Expressionismus
Erfurt als Zentrum des Expressionismus
Beitrag der Serie Bauhausjubiläum 2009 der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (29.11.2008)
Brennpunkt moderner Kultur
Bauhausjubiläum 2009 (2): Das Angermuseum besaß eine bedeutende Expressionismus-Sammlung
In der Weimarer Republik schwang sich das Angermuseum dank der Unterstützung des Schuhfabrikanten Alfred Hess zu einem Mekka moderner Kunst auf. Auch wenn die Kultur-Barbarei der Nationalsozialisten dem abrupt ein Ende setzte, kann das Museum hoffentlich bald an diese große Tradition anknüpfen.
Die moderne Kunst der 1920er Jahre trägt mythische Züge, gilt als klassische Moderne. Allerdings wurde die Entwicklung von den Zeitgenossen durchaus differenziert wahrgenommen, was auch für das Angermuseum gilt. Schon das Wirken des Direktors Edwin Redslob, später Reichskunstwart der Weimarer Republik, hatte seit 1912 zu Spannungen mit der konservativen Bürgerschaft geführt. Das Museum geriet endgültig in die Schlagzeilen, als 1920 mit Walter Kaesbach ein Exponent der “neuen Zeit” auf Redslob folgte. Kaesbach war Assistent an der Berliner Nationalgalerie, wo er am Aufbau der bedeutendsten Sammlung moderner Kunst in Deutschland mitgewirkt hatte. Dazu engagierte er sich im Berliner Arbeitsrat für Kunst, wo er mit Walter Gropius, Erich Heckel, César Klein, Emil Nolde, Christian Rohlfs oder Karl Schmitt-Rottluff zusammen traf.
Diese Kontakte kamen in Erfurt zum Tragen und machten es zu einem Brennpunkt moderner Kunst. Die Unterstützung durch den jüdischen Schuhfabrikanten Alfred Hess ließ eine außergewöhnliche Sammlung zeitgenössischer Kunst wachsen. Der “Heckel-Raum” (1922/24) im Angermuseum mit dem Zyklus „Lebensstufen“ zeigt die einzigen erhaltenen Wandmalereien des Expressionisten Erich Heckel. Lyonel Feininger und Christian Rohlfs schufen während längerer Aufenthalte die Bilder der Barfüßerkirche und von Dom und Severikirche. Parallel hierzu baute Hess in seiner Villa in der heutigen Alfred-Hess-Straße eine noch bedeutendere Privatsammlung auf, die testamentarisch dem Angermuseum zugedacht war.
Diese Entwicklung rief freilich auch die Gegner der Moderne auf den Plan. Ihr Wortführer war der Heimatmaler Walter Corsep. Er verleumdete Kaesbach als „Spartakist schärfster Ordnung“, Alfred Hess wurde zum “jüdisch-bolschewistischen” Feindbild verzerrt. Auch Kaesbachs Nachfolger Herbert Kunze (seit 1925, Foto: Stadtmuseum Erfurt, Dirk Urban) hatte sich derartiger Anfeindungen zu erwehren. Zudem konnten viele Zeitgenossen mit der Moderne wenig anfangen. So erlebte Erfurt in der Weimarer Republik einen kulturellen Aufbruch von nationaler Bedeutung, dem zugleich Verständnislosigkeit und Ablehnung entgegen schlugen.
Der Abwehrkampf gegen die Moderne führte auch der NSDAP Adolf Hitlers viele Sympathien zu. Nach der “Machtergreifung” 1933 sorgte sie dafür, dass Erfurt seine Bedeutung für die moderne Kunst verlor. 1937 wurde Kunze als „einer der bekanntesten Vertreter der jüdisch-bolschewistischen Kunstrichtung“ aus dem Amt gejagt und das Museum mit der Aktion „Entartete Kunst“ um mehr als achthundert Werke beraubt, die heute einen unschätzbaren Wert darstellen würden. Trotz dieser gebrochenen Tradition kann sich das Angermuseum heute auf eine große Vergangenheit berufen. Sie dokumentiert sich in den erhaltenen und nach 1989/90 ergänzten Beständen der klassischen Moderne bis hin zum einzigartigen Heckel-Raum. So bestehen gute Voraussetzungen für die Neupositionierung des aufwändig sanierten Angermuseums mit dessen Wiedereröffnung 2010.
Lesetipps:
Steffen Raßloff: Kultureller Aufbruch. Erfurt und der Expressionismus. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 92 f.
Steffen Raßloff: Bürgerkrieg und Goldene Zwanziger. Erfurt in der Weimarer Republik. Erfurt 2008.
Steffen Raßloff: Die Erfurter Museen. Kulturgeschichte im Spannungsfeld von Gesellschaft und Politik. In: Stadt und Geschichte 18 (2003). S. 24 f.
Siehe auch: Erfurt in der Weimarer Republik, Angermuseum, Erfurter Museumsgeschichte, Alfred Hess, Walter Corsep