Peterskirche Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Beitrag der Serie [[Denkmale in Erfurt|Denkmale in Erfurt]] aus der Thüringer Allgemeine von [[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]] (05.01.2013)'''
'''Initiative zur Wiederbelebung der Stadtkrone Peterskirche'''


Die Peterskirche dominierte über Jahrhunderte neben Dom und Severikirche die Stadtsilhouette von Erfurt. Mit dem Schwung der Bundesgartenschau 2021 soll dieses bedeutende Kulturdenkmal wieder aufgewert werden.


'''Imposanter Torso'''


DENKMALE IN ERFURT (79): Die Peterskirche war über Jahrhunderte Erfurts zweite Stadtkrone neben dem Domhügel.
[[Datei:Peterskirche.Valdeig.2.jpg|380px|right]][[Datei:PeterskircheAl.jpg|380px|right]]Über Jahrhunderte war die romanische Klosterkirche St. Peter und Paul neben Dom und Severikirche die Stadtkrone '''[[Geschichte der Stadt Erfurt|Erfurts]]''' (Abb. 1, Kloster um 1660, Jürgen Valdeig). Der seit 1060 dort ansässige Benediktinerorden hatte sie von 1103 bis 1147 errichtet. Sie wurde zum Ort großer Ereignisse, wie die Unterwerfung Heinrichs des Löwen unter Kaiser '''[[Barbarossa_Kniefall_Heinrich_der_Löwe_Erfurt_1181|Friedrich Barbarossa]]''' 1181 oder der Reichstag König '''[[König_Rudolf_Raubritter_Erfurt_1289/90|Rudolfs von Habsburg]]''' 1289/90. Seit der Schedelschen „Weltchronik“ (1493) mit der ersten Stadtansicht zeigt sich jener imposante Komplex auf dem '''[[Petersberg]]''', dessen Kirche nach jüngsten Forschungen bis ins ausgehende Mittelalter sogar vier Türme besaß.


Nach der Unterwerfung Erfurts durch den Mainzer Erzbischof 1664 änderte sich das Umfeld des '''[[Peterskloster|Petersklosters]]''' durch die Errichtung der '''[[Zitadelle Petersberg]]'''. Es befand sich nun inmitten gewaltiger Befestigungen, die bis heute erhalten sind. Dass Kirche und Kloster weitgehend aus dem Stadtbild verschwanden, haben die Preußen zu verantworten. Nach den '''[[Belagerung_Erfurt_1813/14|Zerstörungen 1813]]''' rissen sie die Reste des Klosters ab und errichteten die riesige Defensionskaserne. Die Kirche wurde ihrer beiden Türme beraubt und auf die Hälfte der Höhe zurück gebaut (Abb. 2, Foto: Alexander Raßloff). Fortan nutzte man sie bis in die DDR-Zeit als Lagerhaus. 


[[Datei:PeterskircheAl.jpg|420px|right]][[Datei:Schmerzensmann2.jpg|420px|right]]An der Südfassade der Peterskirche findet sich eine interessante Ritzzeichnung (siehe Abb.). Sie zeigt Christus als Schmerzensmann, davor kniend der Stifter des Kunstwerkes. Die Darstellung symbolisiert, dass Christus die Sünde der Menschen am Kreuz auf sich genommen hat. Heute könnte man meinen, der schmerzhaft-melancholische Gesichtsausdruck gilt auch dem Zustand des einst so imposanten Bauwerkes. Dass von der großen Ausstrahlung von Kirche und einstigem Kloster nur noch wenig zu spüren ist, haben die wenig zimperlichen Preußen zu verantworten. Nach den kriegsbedingten Zerstörungen des Herbstes 1813 hatten sie kurzerhand die Klostergebäude abgerissen und stattdessen die riesige Defensionskaserne errichtet. Die Kirche wurde ihrer Türme beraubt und auf die Hälfte der einstigen Höhe zurück gebaut. Fortan nutzte man sie bis in die DDR-Zeit als Lagerhaus.  
Im 20. Jahrhundert kam es zu ernsthaften Bemühungen um das Bauwerk. Von 1905 bis 1911 wirkte eine „Vereinigung für Wiederherstellung der Peterskirche“. 1914 bewilligte die Stadt 60.000 Mark für die Rekonstruktion, die vom Ersten Weltkrieg verhindert wurde. Im Folgenden gab es mehrfach Pläne, die Kirche und Umfeld einschneidend verändert hätten. Hierzu zählen die Entwürfe für ein '''[[NS-Architektur_in_Erfurt|NS-Forum]]''' 1942 oder die radikalen Pläne mit einem Hochhaus aus der DDR-Zeit.


Welches Kulturgut der Stadt Erfurt hierbei verloren gegangen ist, lassen alte Stadtansichten oder das Modell des Klosters erahnen, das für die neue Dauerausstellung im Stadtmuseum angefertigt worden ist. Über Jahrhunderte war die im hirsauischen Stil errichtete romanische Klosterkirche St. Peter und Paul neben Dom und Severikirche die weithin ausstrahlende Stadtkrone. Der altehrwürdige Benediktinerorden, dessen seit 1060 bestehendes Kloster auf dem exponierten Hügel über der Stadt stets besonderes Ansehen genoss, hatte sich von 1103 bis 1147 dieses Gotteshaus errichtet. Es wurde auch zum Ort großer politischer Ereignisse, wie der Unterwerfung Heinrichs des Löwen unter Kaiser Barbarossa 1181 oder der wichtige Reichstag König Rudolfs von Habsburg 1289/90. An beide Episoden erinnert eines der Wandbilder im Rathausfestsaal.  
Nach 1989 rückte der Torso wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Im zur Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten gehörenden Bauwerk ist seit 1993 das Forum Konkrete Kunst ansässig. Mit Blick auf die '''[[Bundesgartenschau Erfurt 2021|Bundesgartenschau 2021]]''' soll eines der wichtigsten Kulturdenkmale Thüringens noch stärker erlebbar werden. Eine originalgetreue Rekonstruktion wäre wohl zu ambitioniert und ist auch denkmalpflegerisch umstritten. Die Sanierung des Baukörpers, eine Ertüchtigung als Veranstaltungsort, stilisierte Türme  und die Sichtbarmachung des einstigen Klostergeländes brächten aber eine nachhaltige Aufwertung.  


Mit der Rückeroberung des seit 1665 als Festung militärisch genutzten Petersberges durch die Erfurter nach 1989 rückte auch die Peterskirche wieder in den Blickpunkt. In dem heute zur Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten gehörenden Bauwerk ist seit 1993 das Forum Konkrete Kunst ansässig. Ohne die Qualität dieses modernen Künstlermuseums in Frage zu stellen, wird doch immer wieder nach alternativen Nutzungsmöglichkeiten Ausschau gehalten. Ein Museum für die Thüringer Landesgeschichte war ebenso im Gespräch wie eine klosterähnliche Lebensgemeinschaft. Was auch immer die Zukunft bringen mag, die Peterskirche sollte als eines der wichtigsten Bau- und Kulturdenkmale unserer Stadt erlebbar sein. Anregungen hierfür gibt es, etwa die denkmalgerechte Sanierung des Baukörpers, die Ertüchtigung als lebendiger Ausstellungs- und Veranstaltungsort und die moderne Rekonstruktion der Türme. Eine detailgetreue Wiedererrichtung, wie sie schon einmal vor dem Ersten Weltkrieg ernsthaft angestrebt worden war, dürfte momentan dagegen wohl kaum Realisierungschancen besitzen. (Fotos: Alexander Raßloff)
Die Initiative von Heimatmaler Jürgen Valdeig, Historiker Dr. Steffen Raßloff und weiteren engagierten Bürgern wurde u.a. vom Tourismusverein Erfurt mit der Projektidee '''[http://tourismusverein-erfurt.de/wp-content/uploads/2014/11/Petersberg_Layout.pdf Eine neue Stadtkrone für Erfurt]''' (2014) aufgegriffen. Diese stellt sich als Hauptziele die "denkmalgerechte Sanierung und funktionelle Aufwertung" des Bauwerks sowie die "moderne Simulation der einstigen Kirchtürme, die nachhaltig die historische Silhouette wiederherstellen und als dauerhafte Aussichtspunkte zu den besonderen Attraktionen der Buga zählen würden". Eine solche "kritische Rekonstrution" (Prof. Dr. Adrian von Buttlar) findet auch in der Fachwelt Befürworter. Einige dieser Anregungen haben sich mittlerweile Stadt und BUGA-Gesellschaft zu eigen gemacht. 


('''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')


'''>''' '''[[Visionen_Peterskirche_Stadtkrone_Buga|Geschichte der Peterskirche und Initiative für deren Wiederbelebung zur Buga 2021]]'''


'''Lesetipps'''


Literaturtipp:
350 Jahre Zitadelle Petersberg. Historischer Kontext - Bauphasen - Schicksal und Chancen des Petersberges (Tagungsband eines Wissenschaftlichen Kolloquiums 2015, Hg. vom Freunde der Citadelle Petersberg zu Erfurt e.V.). Erfurt 2016.


'''Steffen Raßloff: [[100 Denkmale in Erfurt|100 Denkmale in Erfurt. Geschichte und Geschichten]].''' Mit Fotografien von Sascha Fromm (Thüringen Bibliothek. Bd. 11). Essen 2013.
Die Klosterkirche St. Peter und Paul in Erfurt. Neue Forschungen zu den Wandmalereien und zur Baugeschichte (Berichte der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Bd. 13). Petersberg 2015.


'''Jürgen Valdeig/Steffen Raßloff: [[Leporello Peterskirche Erfurt|Die Peterskirche. 900 Jahre Stadtkrone im Wandel der Zeit.]]''' Leporello mit sieben Ansichten zur Geschichte der Peterskirche. Erfurt 2014.
Jürgen Valdeig/Steffen Raßloff: '''[[Leporello Peterskirche Erfurt|Die Peterskirche. 900 Jahre Stadtkrone im Wandel der Zeit.]]''' Leporello mit sieben Ansichten zur Geschichte der Peterskirche. Erfurt 2014.
 
 
'''>''' Petersberg, Peterskirche und Buga 2021 waren Thema beim '''[[Erfurter Zukunftsforum|20. Erfurter Zukunftsforum]]'''

Version vom 19. Februar 2017, 09:30 Uhr

Peterskirche Erfurt

Initiative zur Wiederbelebung der Stadtkrone Peterskirche

Die Peterskirche dominierte über Jahrhunderte neben Dom und Severikirche die Stadtsilhouette von Erfurt. Mit dem Schwung der Bundesgartenschau 2021 soll dieses bedeutende Kulturdenkmal wieder aufgewert werden.


Peterskirche.Valdeig.2.jpg
PeterskircheAl.jpg

Über Jahrhunderte war die romanische Klosterkirche St. Peter und Paul neben Dom und Severikirche die Stadtkrone Erfurts (Abb. 1, Kloster um 1660, Jürgen Valdeig). Der seit 1060 dort ansässige Benediktinerorden hatte sie von 1103 bis 1147 errichtet. Sie wurde zum Ort großer Ereignisse, wie die Unterwerfung Heinrichs des Löwen unter Kaiser Friedrich Barbarossa 1181 oder der Reichstag König Rudolfs von Habsburg 1289/90. Seit der Schedelschen „Weltchronik“ (1493) mit der ersten Stadtansicht zeigt sich jener imposante Komplex auf dem Petersberg, dessen Kirche nach jüngsten Forschungen bis ins ausgehende Mittelalter sogar vier Türme besaß.

Nach der Unterwerfung Erfurts durch den Mainzer Erzbischof 1664 änderte sich das Umfeld des Petersklosters durch die Errichtung der Zitadelle Petersberg. Es befand sich nun inmitten gewaltiger Befestigungen, die bis heute erhalten sind. Dass Kirche und Kloster weitgehend aus dem Stadtbild verschwanden, haben die Preußen zu verantworten. Nach den Zerstörungen 1813 rissen sie die Reste des Klosters ab und errichteten die riesige Defensionskaserne. Die Kirche wurde ihrer beiden Türme beraubt und auf die Hälfte der Höhe zurück gebaut (Abb. 2, Foto: Alexander Raßloff). Fortan nutzte man sie bis in die DDR-Zeit als Lagerhaus.

Im 20. Jahrhundert kam es zu ernsthaften Bemühungen um das Bauwerk. Von 1905 bis 1911 wirkte eine „Vereinigung für Wiederherstellung der Peterskirche“. 1914 bewilligte die Stadt 60.000 Mark für die Rekonstruktion, die vom Ersten Weltkrieg verhindert wurde. Im Folgenden gab es mehrfach Pläne, die Kirche und Umfeld einschneidend verändert hätten. Hierzu zählen die Entwürfe für ein NS-Forum 1942 oder die radikalen Pläne mit einem Hochhaus aus der DDR-Zeit.

Nach 1989 rückte der Torso wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Im zur Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten gehörenden Bauwerk ist seit 1993 das Forum Konkrete Kunst ansässig. Mit Blick auf die Bundesgartenschau 2021 soll eines der wichtigsten Kulturdenkmale Thüringens noch stärker erlebbar werden. Eine originalgetreue Rekonstruktion wäre wohl zu ambitioniert und ist auch denkmalpflegerisch umstritten. Die Sanierung des Baukörpers, eine Ertüchtigung als Veranstaltungsort, stilisierte Türme und die Sichtbarmachung des einstigen Klostergeländes brächten aber eine nachhaltige Aufwertung.

Die Initiative von Heimatmaler Jürgen Valdeig, Historiker Dr. Steffen Raßloff und weiteren engagierten Bürgern wurde u.a. vom Tourismusverein Erfurt mit der Projektidee Eine neue Stadtkrone für Erfurt (2014) aufgegriffen. Diese stellt sich als Hauptziele die "denkmalgerechte Sanierung und funktionelle Aufwertung" des Bauwerks sowie die "moderne Simulation der einstigen Kirchtürme, die nachhaltig die historische Silhouette wiederherstellen und als dauerhafte Aussichtspunkte zu den besonderen Attraktionen der Buga zählen würden". Eine solche "kritische Rekonstrution" (Prof. Dr. Adrian von Buttlar) findet auch in der Fachwelt Befürworter. Einige dieser Anregungen haben sich mittlerweile Stadt und BUGA-Gesellschaft zu eigen gemacht.

(Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps

350 Jahre Zitadelle Petersberg. Historischer Kontext - Bauphasen - Schicksal und Chancen des Petersberges (Tagungsband eines Wissenschaftlichen Kolloquiums 2015, Hg. vom Freunde der Citadelle Petersberg zu Erfurt e.V.). Erfurt 2016.

Die Klosterkirche St. Peter und Paul in Erfurt. Neue Forschungen zu den Wandmalereien und zur Baugeschichte (Berichte der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Bd. 13). Petersberg 2015.

Jürgen Valdeig/Steffen Raßloff: Die Peterskirche. 900 Jahre Stadtkrone im Wandel der Zeit. Leporello mit sieben Ansichten zur Geschichte der Peterskirche. Erfurt 2014.


> Petersberg, Peterskirche und Buga 2021 waren Thema beim 20. Erfurter Zukunftsforum