Nordpark Buga
Nordpark und Buga 2021
Vor 100 Jahren begann die Gestaltung des Nordparks Volkspark für alle Erfurter, woran die Buga 2021 mit dem größten Landschaftspark Thüringens ambitioniert anknüpft.
Im Frühjahr 1919 herrschte in Erfurt triste Stimmung. Wenige Monate nach der von vielen Deutschen als traumatisch erfahrenen Niederlage im Ersten Weltkrieg und dem Trubel der Novemberrevolution 1918 bestimmten Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Elend den Alltag vieler Menschen. Mit dem glanzvoll-pompösen Kaiserreich unter Wilhelm II. war besonders für das national eingestellte Bürgertum eine scheinbar festgefügte, rasch als „gute alte Zeit“ verklärte Epoche untergegangen. Zugleich war die unter äußerst schwierigen Bedingungen ins Leben getretene Weimarer Republik aber auch eine Zeit wegweisender Projekte, die die Probleme der modernen kapitalistischen Massengesellschaft energisch in Angriff nahmen. Hierzu zählt nicht zuletzt der Nordpark als eines der bedeutendsten städtebaulich-landschaftsgestalterischen Vorhaben in Erfurt.
Die Pläne für den Nordpark als grüne Lunge der nördlichen Vorstädte gehen freilich in die Vorkriegszeit zurück. Schon im Sommer 1914 sollten die Arbeiten beginnen. Das Vorhaben der prosperierenden Industriegroßstadt blieb aber durch den Kriegsausbruch wie andere ehrgeizige Projekte, etwa ein Museumsneubau auf dem Stadtparkgelände nach Entwürfen von Henry van de Velde, auf der Strecke. Die Parkpläne des verdienstvollen Gartenbaudirektors Max Bromme wurden jedoch im Frühjahr 1919 wieder aufgenommen und dienten auch als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Das große Areal zwischen Auenstraße, Klinikum und Gera-Bogen, bisher landwirtschaftlich genutzt, konnte bis 1925 weitgehend in seiner heutigen Form abgeschlossen werden. Mit der Einweihung des Nordbad-Gebäudes im Bauhaus-Stil 1929 fand die Parkanlage ihre Abrundung.
Das wegweisende am Nordpark war über seine alle bisherigen Grünlagen weit übertreffende Größe hinaus der Charakter als moderner Volkspark mit weiten Wiesenflächen, mit Spiel- und Sporteinrichtungen. Er unterscheidet sich damit deutlich von älteren, eher dekorativen Parks, wie dem im späten 19. Jahrhundert entstandenen Stadtpark mit seiner repräsentativen Treppenanlage von 1908. Nicht zuletzt enthielt das Konzept des Volksparks soziale Aspekte. Bromme hat dies deutlich auf den Punkt gebracht: „Der Zweck des Nordparkes wird sein, für die Bevölkerung der dem Steigerwald abgewendeten Stadtteile freie Erholungs- und Bewegungsmöglichkeiten zu geben.“ Dabei dachte er an die Arbeiter und Kleinbürger des nördlichen „Blechbüchsenviertels“ der Industriestadt. Jene Bevölkerungsmehrheit, die nicht im gutbürgerlichen Südwesten wohnte, sollte auch die Chance auf Freizeitgestaltung im Grünen bekommen.
Bei allem sozialen Wandel und mancher Veränderung seines Gesichts wird der Nordpark diesem Anspruch seit nunmehr 100 Jahren gerecht. Die Bundesgartenschau 2021, deren Vorbereitungen jetzt in die „heiße Phase“ treten, wird darüber hinaus die Grundidee des Nordparks auf die ganze nördliche Geraaue bis Gispersleben ausdehnen. So entsteht der größte Volkspark Thüringens. Dass bei einem solchen Jahrhundertprojekt etwa wegen notwendiger Baumfällungen auch Kritik aufkommt, ist wohl unvermeidlich. In erster Linie aber sollten sich die Erfurter auf eine kilometerlange neue Gartenlandschaft, auf einen breiten Fuß- und Radweg mit neuen schmucken Brücken, auf barrierefreie Zugänge, auf die Renaturierung des Gera-Flusslaufes, auf die Anlage von Sport- und Spielplätzen, eines Sees und vielem mehr freuen. (Foto: Michael Sander)
(Dr. Steffen Raßloff, in Thüringer Allgemeine vom 12.04.2019)
Lesetipps:
Martin Baumann: Der Nordpark. Ein Volkspark in Erfurt. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 69 (2008). S. 140-159.
Steffen Raßloff: Bürgerkrieg und Goldene Zwanziger. Erfurt in der Weimarer Republik. Erfurt 2008.
Siehe auch: Bundesgartenschau 2021, Blumenstadt Erfurt, Denkmal Nordpark, Geschichte der Stadt Erfurt