Martin Luther
Lutherstadt Erfurt
Erfurt ist die Stadt des jungen Luthers, des Studenten, Magisters und Mönches, in der der spätere Reformator seine geistige Prägephase durchlebte. Mit dem Augustinerkloster kann es 2017 auf die UNESCO-Welterbeliste gelangen.
Martin Luther (1483-1546) durchlebte in Erfurt die entscheidende geistige Prägephase als Student, Magister und junger Mönch von 1501 bis 1511. Nach nach dem Wunsch des Vaters sollte er an der Universität Erfurt das Rüstzeug für eine glanzvolle Karriere erwerben. Der junge Mann war beeindruckt vom regen geistigen Leben der pulsierenden Metropole, mit fast 20.000 Einwohnern eine der größten Städte des Reiches. Neben Erfurt nähmen sich alle übrigen Universitäten wie "kleine (ABC-)Schützenschulen" aus, so Luther.
Beim Eintrag in die Matrikel 1501, immerhin das erste urkundlich verbürgte Datum seiner Biographie, wehte "Martinus Ludher ex Mansfeldt" im Collegium maius bereits der Geist von gut hundert Jahren Geschichte an. Die Hierana (= Universität an der Gera) galt zu jener Zeit als eine der angesehensten Hochschulen Mitteleuropas und hatte 1379 als erste im heutigen Deutschland ein Gründungsprivileg erhalten. Luthers "Studentenwohnheim", die Georgenburse, sowie die meisten Bursen, Kollegien, die Universitätskirche (Michaeliskirche) und zahlreiche Druckereien befanden sich im "lateinischen Viertel". Das Studium begann mit der Philosophischen Fakultät, ehe man eine der drei höheren Fakultäten (Recht, Medizin, Theologie) besuchen konnte. Luther schloss jenes Grundstudium der sieben Freien Künste 1505 erfolgreich als Magister ab. Später bekannte er: "Die Erfurter Universität ist meine Mutter, der ich alles verdanke."
Das anschließende Jurastudium brach Luther nach seinem sagenumwobenen "Gewittererlebnis" jedoch ab. Auf dem Heimweg von den Eltern in Mansfeld ereilte ihn am 2. Juli 1505 nahe dem heutigen Erfurter Vorort Stotternheim ein Unwetter, wobei er in größter Not geschworen haben soll: "Hilf du, Heilige Anna, ich will ein Mönch werden!" Dies ist als entscheidender biographischer Wendepunkt, als "Werdepunkt der Reformation" eingestuft worden, wie es auf dem Gedenkstein von 1917 heißt. Heute geht man von einem längeren Prozess und einem Bündel verschiedener Motive aus, die zu jener Entscheidung gegen den Willen von Eltern und Freunden geführt haben. Am 17. Juli 1505 trat Luther durch die legendäre Lutherpforte (Foto: Dr. Steffen Raßloff) in das Erfurter Augustinerkloster ein. Bis 1511 sollte er sich hier der strengsten "Möncherei" unterwerfen und mit der Frage kämpfen, wie er zu einem gnädigen Gott kommen könne. 1507 erfolgte die Priesterweihe im Dom St. Marien durch Weihbischof Johannes Bonemilch von Laasphe, zugleich nahm Luther das Theologiestudium auf, das er 1512 in Wittenberg mit der Doktor-Promotion abschloss. 1510/11 führte eine Ordensangelegenheit den Erfurter Augustinermönch zum einzigen Mal an den Sitz des Papstes nach Rom. Aber auch der Reformator ließ von Wittenberg aus die Kontakte nicht abreißen, griff mehrfach - etwa mit seinen spekatkulären Predigten - in das Geschehen in Erfurt ein. Mit Johannes Lang, dem "Reformator Erfurts", besaß er hier einen der ältesten und wichtigsten Mitstreiter, dessen lange verschollener Grabstein 2014 wiederentdeckt wurde. Seinen prominenten Lehrer Jodocus Trutfetter konnte Luther 1518 in einem Gespräch im Collegium marianum allerdings nicht vom reformatorischen Gedankengut überzeugen.
Erfurt darf also neben Wittenberg und der Wartburg als wichtigster Lutherort gelten, in dessen historischer Altstadt sich noch viele Spuren des "werdenden Reformators" finden. Hier stehen das Hauptgebäude seiner Universität, heute Verwaltungssitz der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, die Georgenburse mit Gedenkstätte und Pilgerherberge sowie das Augustinerkloster, eine renommierte Tagungs- und Begegnungsstätte mit Ausstellung samt Lutherzelle und historischer Bibliothek. Zu diesen herausragenden Erinnerungsorten kommen weitere hinzu, wie Engelsburg, Dom, Kaufmannskirche, Michaeliskirche, Barfüßerkirche oder Gasthaus Zur Hohen Lilie. Im Stadtmuseum wird die authentische Geschichtslandschaft museal gebündelt und Luthers Erfurter Zeit in den Kontext der spätmittelalterlichen Handels- und Kulturmetropole gestellt. Hier finden sich zudem zahlreiche biographische Zeugnisse von Luthers Eintrag in die Universitätsmatrikel 1501, dem ersten schriftlich verbrieften Datum überhaupt, bis hin zu seinem Schreibkasten.
Immer wieder hat Erfurt unter sich wandelnden politisch-gesellschaftlichen Bedingungen seinen "großen Sohn der Stadt" gefeiert. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert gehörte er zu den zentralen Symbolfiguren im bürgerlich-nationalen Geschichtsbild. Hierfür stehen u.a. das Lutherdenkmal auf dem Anger (Foto: Alexander Raßloff), die Wandbilder im Rathaus (siehe Abb., Bild im Festsaal zur Universitätsgeschichte) und das Denkmal vor der Lutherschule. 1886 gründete sich der Evangelische Bund als größter konfessioneller Interessenverband in der Lutherstadt Erfurt. Selbst in der späten DDR-Zeit kam es zu eindrucksvollen Würdigungen im Rahmen des Luther-Jubiläums 1983. In der aktuellen Lutherdekade bis zum 500. Reformationsjubiläum 2017 bemüht sich die Lutherstadt Erfurt weiter um Schärfung ihres Profils. Wesentlich hierzu beitragen kann die für 2017 vorgeschlagene Aufnahme des Augustinerklosters auf die UNESCO-Welterbeliste.
Lesetipps:
Jürgen Valdeig, Steffen Raßloff: Lutherstadt Erfurt (Leporello mit sieben Motiven Erfurter Lutherstätten und einem Überblickstext). Erfurt 2015.
Steffen Raßloff, Volker Leppin, Thomas A. Seidel (Hg.): Orte der Reformation. Erfurt. Leipzig 2012.
Siehe auch: Presseserie zur Lutherstadt Erfurt, Luther in Thüringen, Ausstellung Rebellion - Reformation - Revolution (Stadtmuseum Erfurt)
> Film zur Dauerausstellung Mittelalter/Luther/Reformation im Stadtmuseum (3:06 min)