Walter Corsep
Walter Corsep
Dem Heimatmaler Walter Corsep (1862-1944) verdankt Erfurt malerische Einblicke in seine Vergangenheit. Davon zeugen auch Erwerbungen des Fördervereins Stadtmuseum Erfurt von 2008 und 2019. Der "Maler des alten Erfurt" gebärdete sich aber zugleich in den 1920er-Jahren als Hetzer gegen moderne Kunst und als Antisemit.
Sie hängen in Museen und sind in historischen Büchern zu finden. Sie zeigen meist malerische, teils längst verschwundene Winkel des alten Erfurt. Die Rede ist von den Gemälden des Oberstleunants a.D. und Heimatmalers Walter Corsep (1862-1944). 2008 konnte der Förderverein des Stadtmuseums ein weiteres dieser Werke aus Privatbesitz ankaufen. Abgebildet sind auf dem Ölgemälde von 1930 Hohe Lilie und Grüne Apotheke am Domplatz, dem damaligen Friedrich-Wilhelmsplatz. Typisch für die Bilder Corseps ist die Lebendigkeit der Darstellung, das rege Markttreiben, der Verkehr von Fuhrwerken und Radfahrern, flanierende Bürger (siehe Abb., Stadtmuseum Erfurt). 2019 kam ein Gemälde mit einer Ansicht der Großen Arche hinzu (siehe Presseartikel).
Verdankt Erfurt dem Heimatmaler also lebendige Einblicke in seine Vergangenheit, so hat sich dieser aber auch in der Weimarer Republik als radikaler Feind moderner Kunst, als Republikgegner und Exponent des Antisemitismus hervor getan. Der Sohn eines preußischen Offiziers hatte im Kaiserreich bis hin zum Kriegsministerium in Berlin eine militärische Laufbahn durchschritten. Auf Kosten des Kaisers persönlich konnte Corsep, dessen Talent früh gefördert wurde, die Malakademie besuchen und erteilte später dem Kronprinzen Malunterricht.
Der verlorene Erste Weltkrieg und die Novemberrevolution 1918 erschütterten das Weltbild des kaisertreu-nationalen Offiziers, der sich nach seiner Pensionierung in Erfurt niedergelassen hatte. Corsep glaubte an die Dolchstoßlegende, laut der für die Kriegsniederlage Deutschlands die Revolution und die neue Republik verantwortlich seinen. In besonderem Maße erregte ihn das Aufblühen der modernen Kunst der 1920er-Jahre. Über Jahre hin verfolgte er die Verantwortlichen des heutigen Angermuseums mit übler Polemik, weil sie Erfurt zu einem Brennpunkt des Expressionismus gemacht hatten und Kontakte zum Weimarer Bauhaus pflegten. Erfurt sei durch das Treiben der Direktoren Redslob, Kaesbach und Kunze zu einem Mekka “bolschewistischer Unkultur” geworden. Von hier war es nur noch ein kleiner Schritt zur späteren NS-Propaganda von der “entarteten Kunst”.
Auch den radikalen Judenhass der Nazis oder des Erfurter Rechtsextremisten Adolf Schmalix teilte Walter Corsep. Er fixierte sich dabei in typischer Vermischung von politischer und kultureller Sphäre auf den jüdischen Schuhfabrikanten und Kunstmäzen Alfred Hess. Hess förderte großzügig das Angermuseum und bot avantgardistischen Künstlern wie Beckmann, Heckel, Kandinsky, Nolde, Pechstein, Schmidt-Rottluff, Feininger und Rohlfs in seiner Villa in der heutigen Alfred-Hess-Straße ein gastliches Haus.
Dieser kunstsinnige Fabrikant wurde von Corsep immer wieder als „jüdischer Kulturbolschewist“ angegriffen. Karikaturen Corseps, aufbewahrt im Erfurter Stadtarchiv (siehe Abb., Stadtarchiv Erfurt), stehen beispielhaft für den pathologischen Hass auf die jüdischen Mitbürger, die viele als Sündenbock für Kriegsniederlage und aktuelle Probleme verantwortlich machten. Wohin dies schließlich führte, ist bekannt.
Lesetipps:
Steffen Raßloff: Bürgerkrieg und Goldene Zwanziger. Erfurt in der Weimarer Republik. Erfurt 2008.
Steffen Raßloff: Flucht in die nationale Volksgemeinschaft. Das Erfurter Bürgertum zwischen Kaiserreich und NS-Diktatur. Köln/Weimar/Wien 2003.
Siehe auch: Stadtmuseum Erfurt, Ausstellung zur Moderne 2009, Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurt in der Weimarer Republik
Thüringer Allgemeine vom 04.04.2019 (zum Lesen Anklicken):