Nordpark Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Ein Volkspark für den Norden'''
'''Beitrag der Serie [[Denkmale in Erfurt|Denkmale in Erfurt]] aus der Thüringer Allgemeine von [[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]] (15.02.2014)'''


1913 fiel die Entscheidung für die Anlage des Nordparks, eines modernen Erholungsparks für die Nordvorstädte, der von 1919 bis 1927 angelegt wurde.


'''Lebendiges Gartendenkmal'''


[[Datei:Nordpark.jpg|400px|right]]Der Nordpark mit dem '''[[Nordbad Erfurt|Nordbad]]''' wir meist als eines der großen städtebaulichen Projekte aus der Zeit der '''[[Weimarer Republik]]''' angesehen. Das ist auch nicht falsch, hat man die Anlage doch ab 1919 realisiert und 1925 dort das beliebte Freibad eröffnet. Der Park steht damit für die „Goldenen Zwanziger“ mit ihrer kurzen Aufbruchstimmung und der Durchsetzung von sozialen Anschauungen im Bereich von Städtebau und Architektur. Dabei wird aber meist übersehen, dass die Planungen für den Park in die Zeit des späten Kaiserreiches zurück gehen. Bereits 1913, also vor genau 100 Jahren, war die Entscheidung der städtischen „Promenaden-Kommission“ zur Schaffung eines Nordparkes gefallen. 1914 bewilligte die Stadtverordnetenversammlung die nötigen Gelder und begannen erste Arbeiten. Es war der im August 1914 ausbrechende Erste Weltkrieg, der das ehrgeizige Projekt erst fünf Jahre später zur Realisierung gelangen ließ.
DENKMALE IN ERFURT (137): Seit mehr als 90 Jahren erfüllt der Nordpark seine Funktion als anspruchsvoll gestalteter Volkspark.


Dr. Martin Baumann vom Landesamt für Denkmalpflege hat die historischen Hintergründe für die Entstehung der Nordpark-Pläne im Band 69 der "Mitteilungen" des '''[[ErfurterGeschichtsverein|Erfurter Geschichtsvereins]]''' 2008 nachgezeichnet. Bereits im späten 19. Jahrhundert war das Bewusstsein dafür gewachsen, besonders in den Großstädten mit ihren dicht bebauten Arbeitervierteln durch neue Volksparks mehr Lebensqualität zu schaffen. Dies korrespondierte auch mit den Bemühungen von Stadtrat und bürgerlichen Honoratioren, die Arbeiterschaft durch Wohnungsbauprojekte zu „befrieden“ und von der „roten“ Sozialdemokratie fernzuhalten. Hierfür war 1911 das Quartier des Erfurter Spar- und Bauvereins in der Auenstraße unmittelbar am südlichen Beginn des heutigen Parkgeländes entstanden. Hieran erinnert die '''[[Gedenktafel_Ferdinand_Schmidt|Gedenktafel]]''' für Bauunternehmer und Stadtrat Ferdinand Schmidt am Eckhaus Adalbert- und Karlstraße mit seinem markanten Uhrenturm.


Als „Vater des Nordparks“ kann man den reformfreudigen Gartenbaudirektor Max Bromme ansehen. Die Anlage entstand, abgesehen von einigen späteren Umplanungen und Veränderungen, weitgehend nach seinem Entwurf von 1912. Bromme war ganz vom Geist der sozialen Verantwortung des Gartenarchitekten erfüllt. Hierzu appellierte er an die zunächst wegen der Kosten noch zögerlichen Stadtväter: „Der Zweck des Nordparkes wird sein, für die Bevölkerung der dem Steigerwald abgewendeten Stadtteile freie Erholungs- und Bewegungsmöglichkeiten zu geben.“ Und bei dieser Bevölkerung handelte es sich überwiegend um die unterprivilegierten Arbeiter des sogenannten Blechbüchsenviertels. Nach dem Krieg konnte der Park besonders durch den Einsatz von Arbeiterlosen von 1919 bis 1927 fertig gestellt werden. Mit der Einweihung des modernen Eingangsgebäudes am '''[[Nordbad Erfurt|Nordbad]]''' 1929 war die heutige Gestalt im Wesentlichen erreicht.  
[[Datei:Nordpark-Erfurt.jpg|370px|right]]Der Nordpark ist nicht nur die grüne Lunge der nördlichen Erfurter Vorstädte, er ist zugleich bedeutendes Gartendenkmal und beliebter Freizeittreff. Die Anlage trägt die Handschrift des verdienstvollen Gartenbaudirektors Max Bromme, der bereits kurz vor dem Ersten Weltkrieg den Weg mit viel Engagement hierfür frei machte. Der Park entstand trotz späterer Umplanungen weitgehend nach seinem Entwurf von 1912.  


('''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''' in: Thüringer Allgemeine vom 14.02.2013)
Allerdings konnten die Arbeiten erst nach dem Krieg bis 1927 fertig gestellt werden. Mit der Einweihung des Nordbad-Eingangsgebäudes im Bauhaus-Stil 1929 hatte die Parkanlage ihre Abrundung gefunden. Gartendenkmalpfleger wie Dr. Martin Baumann vom Landesamt für Denkmalpflege messen dem modernen „Volkspark“ mit „seinen großzügigen Wiesenflächen in Verbindung mit diversen Spiel- und Sporteinrichtungen“ eine hohe historische Bedeutung zu, unterscheidet er sich doch deutlich von älteren, eher dekorativen Stadtparks. 
 
Bromme, später erfolgreicher Gartenbaudirektor in Frankfurt am Main, gehörte zu jener neuen Generation von Gartenarchitekten, die in ihre Arbeit soziale Aspekte breit einfließen ließen. Zu seinem Erfurter Hauptwerk erklärte er: „Der Zweck des Nordparkes wird sein, für die Bevölkerung der dem Steigerwald abgewendeten Stadtteile freie Erholungs- und Bewegungsmöglichkeiten zu geben.“ Dabei dachte er an die unterprivilegierten Arbeiter und Kleinbürger des nördlichen „Blechbüchsenviertels“. Jene Bevölkerungsmehrheit, die nicht im gutbürgerlichen Südwesten in mondänen Villen und gehobenen Quartieren wohnte, sollte auch die Chance auf eine unkomplizierte Freizeitgestaltung im Grünen bekommen. Bei allem sozialen Wandel wird der Nordpark dieser Funktion seit nunmehr gut 90 Jahren voll und ganz gerecht.
 
Vor diesem Hintergrund regt sich Widerspruch gegen das Vorhaben, den Nordpark während der Bundesgartenschau 2021 einzuzäunen und Eintritt zu erheben. Die wirtschaftlichen Notwendigkeiten sind hier sachlich gegen die „freien Erholungs- und Bewegungsmöglichkeiten“ abzuwägen, wie sie den Park von Beginn an auszeichnen. Tausende von Parkbesucher, nicht zuletzt Jugendliche, Studenten und junge Familien, verbringen hier im Sommer gerne ihre Freizeit mit Sonnenbad, Sport und Picknick. Zugleich hat die Stadt bisher wegen des Charakters des Volksparks mit seiner großen denkmalpflegerischen Bedeutung jegliche Einzäunung auch nur von Teilen, etwa der Hundefreilauffläche, grundsätzlich abgelehnt. Diese Aspekte gilt es zu berücksichtigen, will man den Nordpark auch 2021 als lebendiges Gartendenkmal von überregionaler Bedeutung präsentieren. (Foto: Michael Sander)
 
 
'''Lesetipps:'''
 
Martin Baumann: '''Der Nordpark. Ein Volkspark in Erfurt.''' In: '''[[Publikationen_des_Erfurter_Geschichtsvereins|Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt]]''' 69 (2008). S. 140-159.
 
Steffen Raßloff: '''[[Erfurt Weimarer Republik Rassloff|Bürgerkrieg und Goldene Zwanziger. Erfurt in der Weimarer Republik]]'''. Erfurt 2008.
 
 
Siehe auch: '''[[Nordpark Buga|Nordpark und Buga]]''', '''[[Nordbad Erfurt|Nordbad]]''', '''[[Weimarer Republik]]''', '''[[Gedenktafel_Ferdinand_Schmidt|Gedenktafel Schmidt]]''', '''[[Lutherdenkmal Lutherschule|Lutherschule]]''', '''[[Stadtpark Stadtparktreppe|Stadtpark]]''', '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]'''

Aktuelle Version vom 1. Oktober 2022, 13:15 Uhr

Nordpark

Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (15.02.2014)


Lebendiges Gartendenkmal

DENKMALE IN ERFURT (137): Seit mehr als 90 Jahren erfüllt der Nordpark seine Funktion als anspruchsvoll gestalteter Volkspark.


Nordpark-Erfurt.jpg

Der Nordpark ist nicht nur die grüne Lunge der nördlichen Erfurter Vorstädte, er ist zugleich bedeutendes Gartendenkmal und beliebter Freizeittreff. Die Anlage trägt die Handschrift des verdienstvollen Gartenbaudirektors Max Bromme, der bereits kurz vor dem Ersten Weltkrieg den Weg mit viel Engagement hierfür frei machte. Der Park entstand trotz späterer Umplanungen weitgehend nach seinem Entwurf von 1912.

Allerdings konnten die Arbeiten erst nach dem Krieg bis 1927 fertig gestellt werden. Mit der Einweihung des Nordbad-Eingangsgebäudes im Bauhaus-Stil 1929 hatte die Parkanlage ihre Abrundung gefunden. Gartendenkmalpfleger wie Dr. Martin Baumann vom Landesamt für Denkmalpflege messen dem modernen „Volkspark“ mit „seinen großzügigen Wiesenflächen in Verbindung mit diversen Spiel- und Sporteinrichtungen“ eine hohe historische Bedeutung zu, unterscheidet er sich doch deutlich von älteren, eher dekorativen Stadtparks.

Bromme, später erfolgreicher Gartenbaudirektor in Frankfurt am Main, gehörte zu jener neuen Generation von Gartenarchitekten, die in ihre Arbeit soziale Aspekte breit einfließen ließen. Zu seinem Erfurter Hauptwerk erklärte er: „Der Zweck des Nordparkes wird sein, für die Bevölkerung der dem Steigerwald abgewendeten Stadtteile freie Erholungs- und Bewegungsmöglichkeiten zu geben.“ Dabei dachte er an die unterprivilegierten Arbeiter und Kleinbürger des nördlichen „Blechbüchsenviertels“. Jene Bevölkerungsmehrheit, die nicht im gutbürgerlichen Südwesten in mondänen Villen und gehobenen Quartieren wohnte, sollte auch die Chance auf eine unkomplizierte Freizeitgestaltung im Grünen bekommen. Bei allem sozialen Wandel wird der Nordpark dieser Funktion seit nunmehr gut 90 Jahren voll und ganz gerecht.

Vor diesem Hintergrund regt sich Widerspruch gegen das Vorhaben, den Nordpark während der Bundesgartenschau 2021 einzuzäunen und Eintritt zu erheben. Die wirtschaftlichen Notwendigkeiten sind hier sachlich gegen die „freien Erholungs- und Bewegungsmöglichkeiten“ abzuwägen, wie sie den Park von Beginn an auszeichnen. Tausende von Parkbesucher, nicht zuletzt Jugendliche, Studenten und junge Familien, verbringen hier im Sommer gerne ihre Freizeit mit Sonnenbad, Sport und Picknick. Zugleich hat die Stadt bisher wegen des Charakters des Volksparks mit seiner großen denkmalpflegerischen Bedeutung jegliche Einzäunung auch nur von Teilen, etwa der Hundefreilauffläche, grundsätzlich abgelehnt. Diese Aspekte gilt es zu berücksichtigen, will man den Nordpark auch 2021 als lebendiges Gartendenkmal von überregionaler Bedeutung präsentieren. (Foto: Michael Sander)


Lesetipps:

Martin Baumann: Der Nordpark. Ein Volkspark in Erfurt. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 69 (2008). S. 140-159.

Steffen Raßloff: Bürgerkrieg und Goldene Zwanziger. Erfurt in der Weimarer Republik. Erfurt 2008.


Siehe auch: Nordpark und Buga, Nordbad, Weimarer Republik, Gedenktafel Schmidt, Lutherschule, Stadtpark, Geschichte der Stadt Erfurt