Mohrengasse: Unterschied zwischen den Versionen

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'''vorherige Bezeichnung/en:''' keine
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'''Bedeutung:''' benannt nach dem "Haus zum Mohrenkopf" in der Johannesstraße (1607-1610 anstelle eines älteren Vorgängerbaus errichtet)
'''Bedeutung:''' Die Gasse ist benannt nach dem "Haus zum Mohrenkopf" in der Johannesstraße 168, einem Renaissancebau von 1610 auf den Fundamenten eines mittelalterlichen Vorgängerbaus.


[[Datei:Mohrengasse-20-7-20.jpg|300px|right]]2020 forderten die Erfurter Grünen im Rahmen der Debatten um das '''[[Nettelbeckufer]]''', die Mohrengasse solle als "rassistisches Überbleibsel" (TA, 17.07.2020) ebenfalls umbenannt werden. Der mit Rassismus begründete Vorschlag ist jedoch ein historischer Anachronismus. Die Mohrengasse ist nach dem mittelalterlichen "Haus zum Mohrenkopf" benannt. Es gibt in Europa unzählige solcher weit zurückreichenden Mohren-Namen für Häuser, Geschäfte, Gasthöfe, Brauereien, Apotheken usw., die nichts mit neuzeitlichem Rassismus oder Kolonialismus zu tun haben.  
In der '''[[Nettelbeckufer]]'''-Debatte forderten die Grünen, die Mohrengasse solle als "rassistisches Überbleibsel" umbenannt werden (TA, 17.07.20). Dies ist "ein historischer Anachronismus", so Historiker '''[[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]]''', da die Gasse nach dem mittelalterlichen "Haus zum Mohrenkopf" benannt wurde (TA, 23.06.20). Prof. Karl Heinemeyer, Professor für Mittelalterliche Geschichte und Vorsitzender des '''[[ErfurterGeschichtsverein|Erfurter Geschichtsvereins]]''', bekräftigt: "Mit Rassismus hat ihr Name nichts zu tun." (TA, 19.08.20) Es gibt in Europa zahllose Mohren-Namen für Häuser, Gasthöfe, Apotheken usw. Der Mohr ist auch in vielen Kunstwerken zu finden. Oft geht er auf den heiligen Mauritius zurück, dem die Moritzkirche in der Moritzstraße geweiht war. Das Angermuseum verfügt, so Historiker Tim Erthel, über eine eindrucksvolle Holzfigur aus dieser Kirche, die die Verehrung ähnlich wie im Magdeburger Dom spiegelt (Foto: Angermuseum Erfurt, Dirk Urban).  


Der Mohr ist auch als Motiv in zahlreichen Kunstwerken zu finden. Oft geht er auf den Heiligen Mauritius zurück, dem in Erfurt die Moritzkirche in der Moritzstraße geweiht war. Eine der berühmtesten Darstellungen im Madeburger Dom gilt als "markantes Zeichen gegen jede Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Hautfarbe und Herkunft" (Glaube und Heimat, 26.07.2020). Dieser im christlich-mittelalterlichen Kontext positiv belegte Begriff ist vom abschätzigen "Neger" des Kolonialzeitalters zu unterscheiden. Das gilt ebenso für jüngere Stereotype wie den Mohren als Werbeträger.
Der im mittelalterlichen Kontext positiv belegte Begriff "Mohr" ist daher vom "Neger" des '''[[Koloniales Erbe in Erfurt|Kolonialzeitalters]]''' zu unterscheiden und sollte nicht aus der öffentlichen Erinnerungskultur beseitigt werden. Das gilt auch für die vielen '''[[Mohren-Apotheke|Mohren-Apotheken]]''', wie die in der Erfurter Schlösserstraße. Sie "erhielten nicht deshalb diesen Namen, weil man Menschen herabwürdigen wollte. Im Gegenteil: Wissen und Waren aus dem Orient und Nordafrika waren in Europa und Deutschland von großem Wert", so Historiker Dr. André Postert vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden (Cicero, 09.08.20). Die Vorstöße spiegeln vielmehr einen "neuen Umbennungsfuror", so Sprachwissenschaftler Prof. Helmut Glück: "Der 'Mohr' ist altertümlich, aber nicht rassistisch, doch das will eine kleine, aber lautstarke Minderheit nicht wahrhaben." (FAZ, 23.07.20)


Der Vorgang spiegelt den "neuen Umbennungsfuror", der sich laut Sprachwissenschaftler Helmut Glück vielerorts an den Mohren-Namen festmacht: "Der 'Mohr' ist altertümlich, aber nicht rassistisch, doch das will eine kleine, aber lautstarke Minderheit nicht wahrhaben." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.07.2020) In Erfurt gingen radikale Umbenennungs-Aktivisten am 22.07.2020 sogar soweit, ohne weitere konstruktive Diskussion das Straßenschild bei Nacht und Nebel zu überkleben (siehe Foto, Dr. Steffen Raßloff).  
MDR-Korrespondent Tim Herden merkt mit Blick auf die umbenannte Berliner Mohrenstraße an: "Straßennamen zu tilgen und durch neue zu ersetzen, hat etwas von Bilderstürmerei und ist meist nur ein Reflex auf den Zeitgeist, statt sich mit dem Geist der Zeit der Namensgeber auseinanderzusetzen." (MDR, 06.09.20) Im Gegensatz hierzu hat man jüngst in Gotha, Ulm und Radebeul nach gründlicher Abwägung Mohren-Straßennamen beibehalten. Auch in Erfurt trafen die Forderung des Vereins Decolonize Erfurt um Dr. Urs Lindner nach einer "Ächtung" der "M-Symbolik" (UNZ, 15.07.21) und radikale Aktionen wie der Diebstahl des Straßennamensschildes im Juli 2021 auf breite Ablehnung. Im Juli 2023 sorgte die stillschweigende Demontage der Straßenschilder durch die Stadtverwaltung als Kapitulation vor ideologischem Vandalismus für viel Unverständnis, worauf die Schilder wenige Wochen später wieder angebracht wurden (TA, 23.08.23).


Das Ganze erinnert an die zeitgleiche Initiative, den Mohren aus dem Coburger Stadtwappen zu entfernen. Dabei handelt es sich auch hier nicht um ein Zeugnis der "Kolonialzeit", sondern um den Heiligen Mauritius, der seit dem Mittelalter das Stadtwappen ziert. Dieser gilt als hoch verehrter Stadtpatron und Namensgeber der großen Morizkirche. Die Initiative führt die Ziele der Antirassismusbewegung geradezu ins Absurde, verschwand der Mohr doch schon einmal aus dem Wappen - aus rassistischen Gründen durch die Nationalsozialisten von 1934 bis 1945. ('''[[Steffen Raßloff]]''': Der "Coburger Mohr". In: Orte der Reformation - Coburg. Leipzig 2014, S. 24 f.)


'''Lesetipps:'''


Siehe: '''[[Straßen-Geschichte|Geschichte der Erfurter Straßennamen]]'''
Karl Heinemeyer: '''Über die Erfurter Mohrengasse'''. In: '''[[Publikationen des Erfurter Geschichtsvereins|Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt]]''' 82 (2021). S. 15-29.


Steffen Raßloff: '''[[Debatte Mohrengasse Erfurt 2021|Rassistische Iditoten?]]''' In: Thüringer Allgemeine vom 03.08.2021.


'''''Thüringer Allgemeine vom 23.06.2020''' (zum Lesen anklicken)''


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Siehe auch: '''[[Strassennamen Geschichte Erfurt|Erfurter Straßennamen]]''', '''[[Koloniales Erbe in Erfurt]]'''

Aktuelle Version vom 4. November 2024, 09:44 Uhr

Mohrengasse

MohrAngermuseum.jpeg

Ortsteil: Altstadt

Bezeichnung seit: Mittelalter

vorherige Bezeichnung/en: keine

Bedeutung: Die Gasse ist benannt nach dem "Haus zum Mohrenkopf" in der Johannesstraße 168, einem Renaissancebau von 1610 auf den Fundamenten eines mittelalterlichen Vorgängerbaus.

In der Nettelbeckufer-Debatte forderten die Grünen, die Mohrengasse solle als "rassistisches Überbleibsel" umbenannt werden (TA, 17.07.20). Dies ist "ein historischer Anachronismus", so Historiker Dr. Steffen Raßloff, da die Gasse nach dem mittelalterlichen "Haus zum Mohrenkopf" benannt wurde (TA, 23.06.20). Prof. Karl Heinemeyer, Professor für Mittelalterliche Geschichte und Vorsitzender des Erfurter Geschichtsvereins, bekräftigt: "Mit Rassismus hat ihr Name nichts zu tun." (TA, 19.08.20) Es gibt in Europa zahllose Mohren-Namen für Häuser, Gasthöfe, Apotheken usw. Der Mohr ist auch in vielen Kunstwerken zu finden. Oft geht er auf den heiligen Mauritius zurück, dem die Moritzkirche in der Moritzstraße geweiht war. Das Angermuseum verfügt, so Historiker Tim Erthel, über eine eindrucksvolle Holzfigur aus dieser Kirche, die die Verehrung ähnlich wie im Magdeburger Dom spiegelt (Foto: Angermuseum Erfurt, Dirk Urban).

Der im mittelalterlichen Kontext positiv belegte Begriff "Mohr" ist daher vom "Neger" des Kolonialzeitalters zu unterscheiden und sollte nicht aus der öffentlichen Erinnerungskultur beseitigt werden. Das gilt auch für die vielen Mohren-Apotheken, wie die in der Erfurter Schlösserstraße. Sie "erhielten nicht deshalb diesen Namen, weil man Menschen herabwürdigen wollte. Im Gegenteil: Wissen und Waren aus dem Orient und Nordafrika waren in Europa und Deutschland von großem Wert", so Historiker Dr. André Postert vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden (Cicero, 09.08.20). Die Vorstöße spiegeln vielmehr einen "neuen Umbennungsfuror", so Sprachwissenschaftler Prof. Helmut Glück: "Der 'Mohr' ist altertümlich, aber nicht rassistisch, doch das will eine kleine, aber lautstarke Minderheit nicht wahrhaben." (FAZ, 23.07.20)

MDR-Korrespondent Tim Herden merkt mit Blick auf die umbenannte Berliner Mohrenstraße an: "Straßennamen zu tilgen und durch neue zu ersetzen, hat etwas von Bilderstürmerei und ist meist nur ein Reflex auf den Zeitgeist, statt sich mit dem Geist der Zeit der Namensgeber auseinanderzusetzen." (MDR, 06.09.20) Im Gegensatz hierzu hat man jüngst in Gotha, Ulm und Radebeul nach gründlicher Abwägung Mohren-Straßennamen beibehalten. Auch in Erfurt trafen die Forderung des Vereins Decolonize Erfurt um Dr. Urs Lindner nach einer "Ächtung" der "M-Symbolik" (UNZ, 15.07.21) und radikale Aktionen wie der Diebstahl des Straßennamensschildes im Juli 2021 auf breite Ablehnung. Im Juli 2023 sorgte die stillschweigende Demontage der Straßenschilder durch die Stadtverwaltung als Kapitulation vor ideologischem Vandalismus für viel Unverständnis, worauf die Schilder wenige Wochen später wieder angebracht wurden (TA, 23.08.23).


Lesetipps:

Karl Heinemeyer: Über die Erfurter Mohrengasse. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 82 (2021). S. 15-29.

Steffen Raßloff: Rassistische Iditoten? In: Thüringer Allgemeine vom 03.08.2021.


Siehe auch: Erfurter Straßennamen, Koloniales Erbe in Erfurt