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Version vom 3. Mai 2012, 15:12 Uhr
Bauhausjubiläum 2009 - Erfurt in der Weimarer Republik
Ausgewählte Beiträge aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (veröffentl. 2008/09)
Dramatisch-schillernde Epoche
Bauhausjubiläum 2009: Das kommende Kulturjahr lenkt den Blick auf die Zeit der Weimarer Republik
Erfurt verkörpert beispielhaft jene dramatisch-schillernde Epoche. Zerrissen von Krisen und gesellschaftlichen Spannungen bis hin zum Bürgerkrieg, war es zugleich in den Goldenen Zwanzigern ein Brennpunkt moderner Kultur und städtebaulichen Aufschwungs. Hierauf macht eine neue TA-Serie aufmerksam.
Denkt man die Weimarer Republik, dann kommen einem Straßenkämpfe, Demonstrationen und uniformierte Parteiarmeen ebenso in den Sinn wie moderne Kunst und Architektur, Kinoklassiker oder große Städtebauprojekte. In der 130.000 Einwohner zählenden Industriegroßstadt Erfurt gipfelten Spannungen zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft seit der Novemberrevolution 1918 im blutigen Kapp-Putsch vom März 1920. In den letzten Jahren der Republik gehörten Schlägereien und Straßenschlachten zwischen Nazis und Kommunisten zum Alltag. Nach nicht einmal anderthalb Jahrzehnten ging die erste deutsche Republik 1933 in der NS-Diktatur unter.
Bei so manchem Erfurter verklärte sich in jenen unruhigen Zeiten das 1918 untergegangene Kaiserreich zur “guten, alten Zeit”. Dies war der Nährboden für den Auftritt des „falschen Prinzen“ Harry Domela, der 1926 als Prinz Wilhelm von Preußen im Erfurter Hof logierte. Freilich orientierten sich immer mehr Bürger politisch um. Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise seit 1929 kam es zu einer förmlichen Flucht in die nationale Volksgemeinschaft der Nationalsozialisten. Dieser Rechtsruck war im November 1929 erstmals drastisch offenbar geworden. Der vorbestrafte Antisemit und Wochenblatt-Herausgeber Adolf Schmalix hatte die Kommunalwahl gewonnen. „Erfurt begeht moralischen Selbstmord“, vermeldeten die Zeitungen in ganz Deutschland.
Das kommende Kulturjahr wird aber zeigen, dass Erfurt in der Weimarer Republik keineswegs nur für Bürgerkrieg und politischen Radikalismus steht. Vielmehr spielte die vom liberalen Oberbürgermeister Bruno Mann geführte Stadt im Kulturleben jener Zeit eine weithin beachtete Rolle. Erfurt stand nicht nur in engem Austausch mit dem 1919 gegründeten Weimarer Bauhaus, sondern entwickelte sich selbst zu einem nationalen Brennpunkt moderner Kultur. Das heutige Angermuseum konnte unter den Direktoren Edwin Redslob, Walter Kaesbach und Herbert Kunze dank der Unterstützung des jüdischen Schuhfabrikanten Alfred Hess eine der größten und bedeutendsten Sammlungen des Expressionismus aufbauen.
Auch der Städtebau der Weimarer Republik hat Erfurt bis heute sichtbare Impulse verliehen. Die Vollendung des Nordparks mit dem Nordbad und der Stadion-Komplex waren wegweisende Großvorhaben. Die öffentlichen Bauten und Wohnviertel im Bauhausstil prägen das Stadtbild, das deutlich mehr Bauhaus zu bieten hat als etwa Weimar. Mit dem Flughafen am Roten Berg begann ein neues Kapitel der Verkehrsgeschichte, das Auto wurde zum Massenverkehrsmittel, Busverbindungen rückten das Umland näher an die Stadt heran. Das ausgebaute Kaufhaus Römischer Kaiser am Anger (Anger 1, Abb. Stadtmuseum, Dirk Urban) erzielte in den 1920er Jahren Rekordumsätze, in den Hotels, Restaurants und Varietés herrschte Hochbetrieb, das Leben pulsierte in jenen “Goldenen Zwanzigern”.
(TA vom 15.11.2008)
Die Beiträge:
> Bauhaus-Architektur in Erfurt
> Städtebau in der Weimarer Republik
> Nordbad
> Stadtmarketing in der Weimarer Republik
> Die verhinderte "Erfurter Republik"
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurt in der Weimarer Republik, Ausstellung zum Bauhausjubiläum im Stadtmuseum Erfurt 2009/10