Domstufen Dalberg

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Karl Theodor von Dalberg – Erfurts „Lichtbringer“

Der letzte kurmainzische Statthalter und Freimaurer Karl Theodor von Dalberg beschwerte Erfurt eine kulturelle Blütezeit.


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Mozart greift in seiner letzten Oper „Die Zauberflöte“ 1791 nicht zufällig die Bewegung der Freimaurerei auf. Im 18. Jahrhundert, dem Zeitalter der Aufklärung, entstanden in der Tradition der alten Bauhütten Zusammenschlüsse freier Männer, die sich humanistischen Werten wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität verpflichtet fühlten. Organisiert in Logen und Großlogen, gestalteten sich die nach außen durch das Verschwiegenheitsprinzip abgeschirmten Aktivitäten nach bürgerlich-demokratischen Grundsätzen im Geiste der Aufklärung.

In ihrer Tendenz waren sie damit gegen den feudalen Ständestaat des Ancien Régime und die eng mit ihm verbundenen Kirchen gerichtet, was in manchen Ländern zeitweise zu Verboten führte, so auch im Österreich der Zeit Mozarts. Dennoch fand die Freimauerei im Adel und selbst bei Monarchen wie Friedrich dem Großen in Preußen Anhänger. Auch im Erfurter Umfeld engagierten sich beispielsweise die Herzöge in Gotha und Weimar als Freimaurer. Das Spannungsverhältnis zwischen aufklärerisch-humanistischen Anliegen und geheimnisumwitterten Ritualen, zwischen Verfolgung durch die alten Eliten und großer Anziehungskraft auf einige ihrer Vertreter schwingt auch beim Wiener Logen-Gesellen Mozart in seiner „Großen deutschen Oper“ mit.

Einer der prominenten Vertreter des aufgeklärten Adels, der dem Freimaurerwesen zumindest aufgeschlossen gegenüber stand, war Karl Theodor Anton Maria Reichsfreiherr von Dalberg (1744-1817). Der spätere Erzbischof, Kurfürst, Reichserzkanzler und Fürstprimas des Rheinbundes residierte drei Jahrzehnte als Statthalter des Erzbischofs und Kurfürsten von Mainz in Erfurt (1772-1802). Dalberg war zweifellos der bedeutendste unter den Vertretern des Erzbischofs in der prächtigen barocken Statthalterei am Hirschgarten, der heutigen Thüringer Staatskanzlei (Foto: Alexander Raßloff). Er machte das nach seiner mittelalterlichen Blütezeit im 17. Jahrhundert zur abhängigen kurmainzischen Provinzstadt degradierte Erfurt zu einem Zentrum der Kultur in Nachbarschaft zum „klassischen“ Weimar und versuchte den Idealen der Aufklärung Geltung zu verschaffen.

Viele Erfurter haben es ihm mit aufrichtiger Verehrung gedankt. Zeitgenosse Constantin Beyer, bekannt durch seine „Neue Chronik von Erfurt 1736-1815“, schwärmte gar von einem „Genius, den der Himmel uns zum Segen sandte“. Manchem erschien er, zumal gemessen am Maßstab durchschnittlicher adeliger Würdenträger, besonders mit Blick auf seine kulturellen, sozialen und wirtschaftspolitischen Bemühungen als „Lichtbringer“, als Aufklärer im besten Wortsinne. Schätzt man heute die Erfurter Dalberg-Zeit auch deutlich nüchterner ein, wirkt sie aber doch wie der vergoldete Abgesang eines untergehenden Zeitalters im Schatten der Französischen Revolution seit 1789.

Karl Theodor von Dalberg war ein musisch veranlagter Mensch, der der Kultur einen großen Stellenwert in seinem Wirken einräumte. Er zog die Weimarer Geistesgrößen Goethe, Schiller, Herder, Wieland und Humboldt in seinen Kreis am Hirschgarten. Wilhelm von Humboldt heiratete 1791 in Erfurt die Tochter des Akademie-Präsidenten Karl Friedrich von Dacheröden, Karoline von Dacheröden. Im Geiste der Aufklärung versuchte Dalberg darüber hinaus, das geistige Leben der Stadt selbst anzuheben. Ganz dieser Grundhaltung verpflichtet waren Aktivitäten wie die wöchentlichen „Assembleen“. Die geselligen Empfänge in der Statthalterei standen ausdrücklich auch für Bürger der Stadt offen. Theater und Musik erhielten vom Statthalter neue Impulse. Weiterhin betätigte sich Dalberg als Förderer der 1754 gegründeten „Akademie nützlicher Wissenschaften zu Erfurt“, drittälteste Einrichtung ihrer Art im Reich. Ihr gehörten neben Goethe, Schiller und den Humboldt-Brüdern auch verdienstvolle Erfurter Bürger an, wie der Apotheker und Begründer der modernen Pharmazie Johann Bartholomäus Trommsdorff sowie Christian Reichart, Vater des modernen Erwerbsgartenbaus.

Dalberg, Angehöriger des ebenfalls im Geiste der Aufklärung tätigen Illuminaten-Geheimbundes (die „Erleuchteten“), stand auch der Freimaurerei offen gegenüber. Es ist allerdings umstritten, ob er selbst als Freimaurer aktiv war. Während sich immer wieder in der Literatur entsprechende Hinweise finden, hat der Dalberg-Kenner Klaus-Bernward Springer von der Universität Erfurt dies in Frage gestellt. Unstrittig aber wurde unter Dalbergs Statthalterschaft und wohl auch unter seiner Mitwirkung 1787 von einem Kreis aufklärerischer Bildungsbürger die Erfurter Loge „Carl zu den 3 Rädern“ gegründet. Der Name soll sich auf Dalberg beziehen sowie die drei Räder aus dem Erfurter und Mainzer Stadtwappen aufgreifen. Erster „Meister vom Stuhl“, d.h. Vorsteher der Loge, war der Professor für griechische Sprache an der Universität Erfurt Johann Jakob Friedrich Sinnhold. Später nannte sich die Loge „Carl zu den drei Adlern“, was Traditionsbewusstsein und Loyalität zum neuen Landesherren Preußen nach 1802 ausdrücken sollte. Über Generationen betätigten sich Bürger der Stadt aktiv als Freimaurer, ehe im Dritten Reich alle Logen verboten wurden. Heute ist die Freimauerei wieder mit der Loge „Alpha Ori“ in Erfurt vertreten.

An die Dalberg-Zeit erinnert auch der Obelisk auf dem Domplatz, der in seiner ägyptischen Formensprache Assoziationen an die Freimaurerei hervorruft. Errichtet wurde er 1777 durch die Bürgerschaft zu Ehren von Kurfürst Friedrich Carl Joseph von Erthal, dem letzten kurmainzischen Landesvater Erfurts (1774-1802). In den Wirren der von Frankreich ausstrahlenden Revolutionsepoche residierte Erthal, aus Mainz vertrieben, mehrfach längere Zeit in Erfurt. Auch er galt vielen Bürgern als milder, aufgeklärter Herrscher, betätigte sich zeitweise als Freimaurer, war aber wohl doch stärker noch als Dalberg dem Ancien Régime verbunden. Kurz nach Erthals Tode am 25. Juli 1802 gelangte Erfurt für die kommenden anderthalb Jahrhunderte an Preußen – eine der tiefen Zäsuren der Stadtgeschichte.


Steffen Raßloff: Karl Theodor von Dalberg - Erfurts "Lichtbringer. In: Domstufenfestspiele 2011 in Erfurt. Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte. Erfurt 2011. S. 36 f.


Lesetipp:

Steffen Raßloff: Die Dalbergzeit. Erfurt und die Weimarer Klassiker. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 60 f.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Dalberg-Gedenktafel Statthalterei, Erthal Obelisk, Historische Beziehungen Erfurt Mainz, Goethe, Wieland, Humboldt