Beschreibung der "Archäologischen Grabung"

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Beschreibung der "Archäolgischen Grabung"

Mitte März bis Mitte Juli 2014 erfolgten archäologische Grabungen auf einer Fläche von ca. 700 m². Hier entstehen mehrerer Einfamilienhäuser und eine Tiefgarage. Das Grabungsareal befindet sich auf bislang nur locker bebautem Gebiet in den Hinterhöfen zwischen Webergasse, Kleiner Ackerhofsgasse, Glockengasse und Glockenquergasse. Bei den Häusern wurden lediglich die geplanten Kellerflächen ausgegraben, bei den nicht unterkellerten Häusern bleiben die archäologischen Befunde unter den Bodenplatten erhalten, sie sind durch bis zu 2 Meter starke Auffüllungen ausreichend geschützt. In der Webergasse 5 ist eine Lückenbebauung und gleichzeitig die Zufahrt zur zukünftigen Tiefgarage vorgesehen. Hier erfolgte die archäologische Untersuchung lediglich bis zur vorgesehenen Bautiefe, auf dem restlichen Areal bis zum anstehenden Kies. Das Baufeld war zuletzt weitgehend unbebaut, eine große barocke Scheune wurde erst in den letzten Jahren obertägig abgebrochen. Ihre im Boden verbliebenen Fundamente reichten nur knapp bis zu den archäologischen Befunden hinunter. Sie waren nicht als durchgehende Mauer errichtet, sondern teilweise in Form von Bögen aus Kalksteinen. Ein Teil der Fundamente bestand aus Ziegeln.

Insgesamt wurden annähernd 470 Befunde untersucht. Da aus der näheren Umgebung in der Vergangenheit auch urgeschichtliche Befunde dokumentiert werden konnten, war auch hier nicht nur mit mittelalterlichen Siedlungsresten zu rechnen. Urgeschichtliche Funde konnten tatsächlich geborgen werden. Sie ließen sich allerdings nur in seltenen Fällen genauer datieren. Eine verzierte Randscherbe lässt sich in das Neolithikum einordnen, einige Wandscherben datieren bronzezeitlich. Die Funde stammen durchweg aus Gruben oder Pfostenlöchern. Mit 150 sicheren Befunden sind die Pfostenlöcher die häufigste Befundart. Nur aus einem kleineren Teil der Pfostengruben konnte datierendes Fundmaterial geborgen werden. Darüber lässt sich aber zumindest belegen, dass ein Teil der Befunde in der Urgeschichte, ein anderer erst im Mittelalter entstanden sein muss. Eine Vermengung von datiertem Fundmaterial wurde nicht beobachtet. Leider ist jedoch auch nach der Datierung der Befunde eine Zuordnung zu Hausgrundrissen nur schwer möglich. Lediglich in der Mitte der Grabungsfläche zeichnete sich eine Pfostenreihe ab. Massive Siedlungstätigkeit setzt erst mit dem 12. Jahrhundert ein, wenige Funde könnten auch schon in das 11. Jahrhundert gehören.

Das älteste, aber nicht ganz sichere Grubenhaus mit der Befundnummer 37 wurde im 12./13. Jahrhundert verfüllt. Während sich an der Nordseite eine rechteckige Grube deutlich abzeichnete, ist der Grubenverlauf an der südlichen Schmalseite eher unklar. Pfosten konnten nicht sicher zugewiesen werden und ein Fußboden wurde nicht beobachtet. Möglicherweise handelte es ich daher bei diesem Befund lediglich um eine Grube. Sicher als Grubenhaus anzusprechen ist der Befund mit der Nummer 253. Dieses Haus kann trotz mehrerer jüngerer Störungen als Grubenhaus mit Eckpfosten und zwei Firstpfosten rekonstruiert werden. Es besaß bei rund einem halben Meter Tiefe eine ebene Sohle und Maße von ca. 3,95, NW-SO ca. 3,30 Metern. Keramikfunde datieren die Verfüllung des Hauses in das 12./13. Jahrhundert, einige Scherben sind noch etwas älter. Parallel zur nördlichen Längsseite des Hauses verlief eine doppelte Reihe von Staken, möglicherweise eine erste Parzellengrenze in Form eines Zaunes. Zwei weitere Grubenhäuser sind vermutlich als spätmittelalterlich anzusprechen, relativ wenige Keramikfunde ermöglichen keine genauere Datierung. Haus 381 verlief über die Grenzen der künftigen Baugrube hinaus, daher kann nur eine Mindestgröße von zwei mal zwei Metern angegeben werden. Es besaß mit 0,85 m eine erhebliche Tiefe. Eckpfosten ließen sich mit Sicherheit nachweisen, möglicherweise besaß es auch Firstpfosten, deren Zugehörigkeit jedoch etwas unsicher ist. Haus 390 erstreckte sich ebenfalls über die Grabungsgrenzen hinaus. Ergraben wurden Mindestmaße von 2,70 m in NO-SW-Richtung, und 2,65 m in NW-SO-Richtung. Aufgrund eines Firstpfostens kann die Gesamtlänge mit rund 3,40 m rekonstruiert werden. Die erhaltene Tiefe betrug lediglich rund 30 Zentimeter. Eine Treppe in der Nordwestecke besaß der 1,40 m tiefe Keller mit der Befundnummer 98. Seine Maße betrugen 4,25 m mal 2,90 m. Er wies neben Eckpfosten weitere Pfosten in der Mitte der Längsseiten auf und einen weiteren Pfosten in der Mitte des Hauses. Ein Fußbodenparkett von 10 bis 12 cm trennte sich in einen unteren humosen Bereich mit Holzkohleeinschlüssen und eine massivere Lehmschicht, die als Fußboden anzusprechen ist. Vom Treppenzugang konnten drei Stufen im Kies dokumentiert werden, es fehlten die ehemals vorhandenen hölzernen oder steinernen Stufen. Die Stufen waren 15-20 cm hoch und hatten einen Auftritt von ca. 30-35 cm Länge. Die Verfüllung des Hauses enthielt zahlreiche Funde, darunter Scherben von sogenannten Pseudopingsdorfer Gefäßen, Doppelrandschalen, einen Schleifstein, wenige Glasscherben und einen Anhänger aus Stein. Neben vielen Tierknochen konnte auch Schlacke geborgen werden. Die Verfüllung des Hauses datiert in das 12./13. Jahrhundert.

Mit der Befundnummer 347 wurde ein weiterer, mit bis zu zwei Metern sehr tiefer Keller erfasst, der über eine lang ausgezogene Rampe erschlossen wurde. Seine Länge in NW-SO-Richtung betrug über 3,10 m, das Ende lag außerhalb der Baugrube, in NO-SW-Richtung war er ca. 4,10 m breit. Funde aus der Verfüllung des Kellers datieren zwischen das 11. und 13. Jahrhundert. Im Fundmaterial gab es außer sehr vielen Tierknochen und Keramik auch einige Glasbruchstücke und eine Glasperle sowie das Halbfabrikat eines Knochenwürfels. Ein ebenerdiges Haus (Haus 1), dessen Fußböden und Steinreihen von Schwellbalkenfundamenten erfasst wurden, brannte ab und wurde an genau gleicher Stelle neu errichtet. Es besaß mindestens zwei Räume. Untersucht wurde auch hier nur ein Ausschnitt, es erstreckte sich über drei Grabungsgrenzen hinaus, so dass nur die Mindestgröße von 5,40 mal 6,30 m angegeben werden kann. Zugehöriges Fundmaterial datiert nach dem jetzigen vorläufigen Bearbeitungsstand in zwei Phasen: In das 13./14. und 16./17. Jahrhundert.

Ab dem 15. Jahrhundert lassen sich erste Einrichtungen zur geregelten Abfallentsorgung in Form von hölzernen Kastenlatrinen belegen. Mit der Latrine 130 konnte eine äußerst fundreiche Grube untersucht werden. Ihre Maße betrugen lediglich 1,30 mal 1,30 Metern, bei einer ergrabenen Tiefe von etwa drei Metern. Sie enthielt neben einer ganzen Reihe von kompletten Keramikgefäßen und Kacheln fast 2500 Glasscherben, sowohl von Fenstern als auch von Gefäßen. Typisch für Latrinenverfüllungen ist ein massives Paket aus Kirschkernen. Einen ungewöhnlichen und für Erfurt bislang einmaligen Fund aus der Latrine stellt jedoch der Panzer eines Flusskrebses dar, der sicherlich als Nahrungsrest in die Latrine gelangte.

Mit der Nr. 131 wurde ein sehr ähnlicher Abfallschacht von 1,45 mal 1,45 Metern Größe bezeichnet. Seine Tiefe betrug nur 1,30 m. Schlecht erhaltene senkrecht stehende Holzbretter bildeten die Aussteifung des quadratischen Schachtes, innen gehalten durch einzelne Horizontalbretter oder –balken. Das Fundmaterial war zum Teil sehr ähnlich den Funden aus der Latrine 130, das zeitliche Spektrum reichte hier aber bis in das 18. Jahrhundert. Ein gläserner Kuttrolf war noch völlig intakt in der Latrine entsorgt worden. Neben den gezimmerten Latrinen dienten auch in den Boden eingetiefte Fässer der Entsorgung von Abfall und Fäkalien. Ein Brunnen konnten auf dem Grabungsareal zumindest teilweise untersucht werden. Da er sich an der Baugrubengrenze befand und unter das geplante Bausohlenniveau reichte, verblieb ein Teil im Boden. Bei einem Innendurchmesser von etwa 1,60 m besaß der Brunnen eine Baugrube mit einem Durchmesser von 3,60 m. Erst in größerer Tiefe hatte sich der Brunnenkranz aus Kalkbruchsteinen erhalten. Aus Baugrube und Brunnenverfüllung konnten zahlreiche Funde geborgen werden, darunter eine große Zahl von spätmittelalterlichen Dachziegeln. Keramik und Glasfunde ermöglichen eine Datierung des Brunnens nicht vor dem 16. Jahrhundert. In der zukünftigen Durchfahrt waren die ältesten freigelegten Befunde in das 15./16. Jahrhundert zu datieren. Es handelte sich um ein Haus mit Hofflächen und einer Durchfahrt. Auffällig ist, dass trotz bescheidener Fachwerkbauweise ein Kachelofen zur Ausstattung des Hauses gehörte.

Mit dem Befund 263 konnte der Standort eines Ofens freigelegt werden, aus dem rund 1000 Kachelbruchstücke und rund ein Dutzend vollständige oder zu großen Teilen erhaltene Kacheln geborgen wurden. Auffällig ist die große Bandbreite an Kacheltypen und ihre unterschiedliche Datierungen. Offenbar war der Ofen bereits aus unterschiedlichen Kachelformen zusammengesetzt worden und im Laufe der Zeit wurden dann immer wieder auch gesprungene Kacheln durch gerade verfügbare ersetzt, bevor man den Ofen ganz aufgab und an Ort und Stelle entsorgte.



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