Topf und Söhne Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 22. Januar 2012, 13:58 Uhr

J. A.Topf & Söhne Erfurt

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Im März 2006 entschied sich die Stadt Erfurt dafür, auf dem ehemaligen Firmengelände von „Topf & Söhne“ einen Lern- und Gedenkort einzurichten. Damit fand das jahrelange Ringen um die Erinnerung an dieses dunkle Kapitel Stadtgeschichte, um die Krematorienbauer von Auschwitz, sowie um jenes authentische Areal an der Weimarischen Straße ein vorläufiges Ende.

Die im Sommer 2005 erstmals im Berliner Jüdischen Museum gezeigte Ausstellung „Techniker der ´Endlösung´. Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz“, von Oktober 2005 bis Februar 2006 auch im Erfurter Stadtmuseum „Haus zum Stockfisch“ zu sehen, hatte diese Entscheidung wesentlich befördert. Internationale Medien und die großen deutschen Blätter schenkten ihr viel Aufmerksamkeit. Zuletzt widmete die renommierte Neue Züricher Zeitung (NZZ) in ihrer internationalen Ausgabe vom 6. Februar 2006 dem Thema einen umfangreichen Beitrag. Allseits wurde der mutige und offensive Umgang mit diesem schwierigen Kapitel Stadtgeschichte gelobt, das weit über Erfurt hinaus den Blick auf die Mitverantwortung von Wirtschaft und Gesellschaft an den Verbrechen der Nationalsozialisten schärfte und nach Erklärungen hierfür suchte. Logische Konsequenz konnte es nur sein, die Ausstellung nach ihrer weltweiten Präsentation dauerhaft in Erfurt anzusiedeln.

Aber nicht nur in jenem angesprochenen Artikel der NZZ klangen auch die Hemmnisse an, die dem Projekt lange Zeit entgegen standen und auch noch heute bisweilen für Gegenwind sorgen. Prof. Volkhard Knigge, Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, die die Konzeption erarbeitet hatte, sprach bei der feierlichen Eröffnung der Ausstellung in Erfurt am 24. Oktober 2005 davon, dass erst zähes bürgerschaftliches Engagement „von unten“ für den Durchbruch gesorgt habe.

Gemeint war insbesondere der 1999 gegründete „Förderkreis Geschichtsort Topf & Söhne“. Seine Bemühungen, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen und für das seit der EMS-Pleite 1996 als Industriebrache zusehends verfallende Gelände eine sinnvolle Lösung zu finden, trafen nicht zuletzt bei der Stadtverwaltung auf zunächst wenig Gegenliebe. Auch wenn dies mittlerweile die Verantwortlichen im Rathaus gerne anders sehen, kamen die ersten Impulse von Bürgern und Privatinitiativen. Eine wichtige Rolle spielte hierbei auch Hartmut Topf, Cousin der ehemaligen Firmenbesitzer Ernst-Wolfgang und Ludwig Topf.

Aber nicht nur im Rathaus gab es Vorbehalte, die freilich mittlerweile ausgeräumt sind und wohl auch mit berechtigten sachlichen Bedenken verbunden waren. Ehemalige Mitarbeiter des Betriebes sahen sich in historische „Sippenhaft“ genommen, Diskussionen über das Thema waren meist mit vielen Emotionen verbunden. Immer wieder wurde der geringe Anteil des Krematoriengeschäftes (ca. 2 %) betont, für das der Nachfolgebetrieb EMS (Erfurter Mälzerei und Speicherbau) überhaupt nicht verantwortlich zu machen sei. Das durfte auch der Autor hautnah als Mitorganisator eines Erzählcafes im Augustinerkloster am 19. November 2005 erfahren, das zum breiten Begleitprogramm der Ausstellung im Stadtmuseum gehörte.

Mittlerweile hat sich aber ein weitgehender Konsens herausgebildet. Auch die meisten Skeptiker konnten erkennen, dass der offene Umgang mit dem Thema dem Image vom „schönen, alten Erfurt“ nicht schadet, sondern vielmehr weit über die Region hinaus für Anerkennung sorgt. Ebenfalls hat die Mehrheit der ehemaligen Mitarbeiter von Topf bzw. EMS erkannt, dass es bei dem Projekt nicht darum geht, sie persönlich für die NS-Verbrechen verantwortlich zu machen oder ihre berufliche Lebensleistung herabzuwürdigen. Auf solche Emotionen setzende extreme Gegenreaktionen, wie die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Stadtmuseum wegen des „Verdachts der Volksverhetzung“ durch einen „Hobby-Historiker von notorisch rechtslastiger Überzeugung“ (NZZ), trafen auf entschiedene Ablehnung.

Die Stadt und viele ihrer Bürger stehen also mittlerweile voll hinter dem Projekt eines Lern- und Gedenkortes. Dass dem Standort Weimarische Straße ein hohes Maß an Authentizität innewohnt mit Sichtkontakt zum Buchenwald-Mahnmal auf dem nahen Ettersberg, dort, wo ebenfalls mit Topfscher Technologie einst Menschen im Dauerbetrieb verbrannt wurden, ist heute unstrittig.

Dennoch hätte sich mancher aus Vernunftgründen auch andere Lösungen vorstellen können, etwa eine Unterbringung im einst von den Nationalsozialisten „arisierten“ Haus „Zum Mohren“ unmittelbar neben dem Stadtmuseum in der Johannesstraße. Denn mit teurem Erwerb und Sanierung des ehemaligen Verwaltungsgebäudes von „Topf“ sowie einer Konzeption, die von der Historikerin Dr. Annegret Schüle erarbeitet wird, ist es nicht getan.

Um den ungünstig am Stadtrand gelegenen Lern- und Gedenkort dauerhaft mit Leben zu erfüllen, bedarf es v.a. fachkundigen Personals für die künftigen Besucher. Überlegungen, mangels Museumsmitarbeitern hierfür die anderen Abteilungen der Stadtverwaltung heranzuziehen, scheinen für ein Erinnerungskultur-Projekt von so hohem Anspruch und internationaler Aufmerksamkeit völlig unangemessen. Im bzw. direkt neben dem Stadtmuseum wäre dagegen ein gut erreichbarer Ausstellungsort mit fachlicher Betreuung realisierbar. Die angestrebte Einbindung in den Kontext der Stadtgeschichte ließe sich ohnehin an keiner anderen Stelle besser vermitteln.


Text: Steffen Raßloff: "Topf & Söhne, Erfurt". Vom Umgang mit schwierigen Kapiteln der Stadtgeschichte. In: Stadt und Geschichte. Zeitschrift für Erfurt 30 (2006). S. 27.


Siehe auch Erinnerungsort Topf & Söhne