Topf und Söhne Erfurt

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Erinnerungsort Topf & Söhne

Die 1878 in Erfurt gegründete Firma J. A. Topf & Söhne ging als Erbauer der Krematorien in Auschwitz, Buchenwald und anderen KZ in die Geschichte ein. Hieran erinnert seit 2011 ein Erinnerungsort.


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1878 gründete Johannes Andreas Topf ein feuerungstechnisches Baugeschäft in Erfurt. Die Firma J. A. Topf & Söhne, Spezialgeschäft für Heizungs-, Brauerei- und Mälzereianlagen, zog 1889 auf das Gelände an der Weimarischen Straße. 1914 zählte sie bereits über 500 Mitarbeiter. Sie begann in einer kleinen Abteilung mit dem Bau von Einäscherungsöfen für Krematorien und wurde in den 1920er Jahren zum Marktführer in dieser Branche.

Im Nationalsozialismus begannen 1939 Ludwig und Ernst-Wolfgang Topf, Firmeninhaber in dritter Generation, damit, die SS mit für die Konzentrationslager entwickelten Leichenverbrennungsöfen zu beliefern. Konstruiert wurden sie vom Ingenieur Kurt Prüfer. Im Wissen um den Massenmord mit Gas in Auschwitz reichte die Firma 1942 auf Initiative des Ingenieurs Fritz Sander einen Patentantrag für einen „kontinuierlich arbeitenden Leichenverbrennungsofen für Massenbetrieb“ ein. 1943 wurden die Großkrematorien im KZ Auschwitz-Birkenau mit Öfen und Gaskammer-Lüftungstechnik aus Erfurt zu "Todesfabriken" ausgerüstet. Die Lüftungsanlagen entwickelte der Ingenieur Karl Schultze. Auch in anderen Lagern wie dem nahen KZ Buchenwald wurden Verbrennungsöfen von Topf genutzt.

Nach Kriegsende beging Ludwig Topf am 31. Mai 1945 Selbstmord. Ernst-Wolfgang Topf reiste in die westlichen Besatzungszonen und wurde nach dem Besatzungswechsel durch die sowjetische Armee an seiner Rückkehr gehindert. 1946 erfolgte die Verhaftung von Kurt Prüfer, Fritz Sander, Karl Schultze und Betriebsdirektor Gustav Braun durch die Sowjetarmee. 1948 verurteilte man sie in Moskau zu jeweils 25 Jahren Lagerhaft wegen Unterstützung der SS beim Völkermord. 1947 wurde Topf & Söhne ein landeseigener Betrieb und firmierte unter verschiedenen Namen bis zur Umbenennung in VEB Erfurter Mälzerei- und Speicherbau (EMS) 1957. 1993 wurde EMS privatisiert und ging 1996 in Konkurs.

Nach langen Bemühungen eines Förderkreises konnte 2011 im erhaltenen Verwaltungsgebäude (Foto: Dr. Steffen Raßloff) der "Erinnerungsort Topf & Söhne - Die Ofenbauer von Auschwitz" eröffnet werden. Vor dem Hauptzugang ehrt ein Stein der Erinnerung die Opfer in den Konzentrationslagern und macht ein Modell die Ausdehnung des einstigen Firmengeländes sichtbar. Der Erinnerungsort ist der einzige authentische ehemalige Firmensitz, an dem die Mittäterschaft der privaten Wirtschaft am Massenmord in den Konzentrationslagern gezeigt werden kann. Er wirft Fragen nach der Mitwisser- und Mittäterschaft im Alltag des Nationalsozialismus auf: Von wem und wie wurden die NS-Verbrechen ermöglicht und umgesetzt? Als historischer Lernort ist Topf & Söhne einzigartig, weil er die unbequeme und so wichtige Frage nach der Verantwortung jedes Einzelnen in seinem gewöhnlichen beruflichen Alltag stellt.

(Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Annegret Schüle: Industrie und Holocaust. Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz. Göttingen 2010.

Steffen Raßloff: Der "Mustergau". Thüringen zur Zeit des Nationalsozialismus. München 2015.

Steffen Raßloff: Verführung und Gewalt. Erfurt im Nationalsozialismus. In: Stadt und Geschichte 24 (2004). S. 3-5.


Siehe auch: Topf & Söhne als Denkmalort, Museen in Erfurt, Geschichte der Stadt Erfurt


Thüringische Landeszeitung vom 23.07.2018

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