Bonifatius
Missionar Bonifatius
Beitrag der Serie Wandbilder im Rathausfestsaal von Dr. Steffen Raßloff (2007)
Erphesfurts Schritt in die Geschichte
Die Wandbilder im Rathausfestsaal (2): Missionar Bonifatius
Der angelsächsische Missionar Bonifatius hat als “Apostel der Deutschen” im 9. Jahrhundert wesentlich an der Christianisierung Thüringens mitgewirkt. Als Ergebnis langjähriger Tätigkeit gründete er 742 das Bistum Erfurt, das jedoch bald darauf an Mainz angegliedert wurde. Dennoch begründete Bonifatius hiermit die Stellung Erfurts als kirchliches Zentrum in Thüringen, das heute wieder Sitz eines katholischen Bistums und vielleicht zukünftig auch der evangelischen Kirchenverwaltung für Mitteldeutschland ist.
Die Bistumsgründung 742, genauer gesagt ein entsprechender Brief an Papst Zacharias mit der Bitte um Bestätigung, stellt zugleich die urkundliche Ersterwähnung von “Erphesfurt” dar, das schon lange eine “Stadt heidnischer Bauern” gewesen sei. Auch in diesem Sinne steht Bonifatius am Beginn, legte Erfurt mit ihm seinen ersten Schritt in die schriftlich belegte Geschichte zurück. Daher stellte Historienmaler Prof. Peter Janssen, beraten von einer Kommission geschichtskundiger Erfurter, den Missionar im Rathausfestsaal an den Anfang des 1882 vollendeten Wandbildzyklus`.
Dargestellt wird die legendäre Fällung einer Eiche im Steiger, die dem germanischen Gott Donar geweiht war. Im Vordergrund gelingt es Bonifatius offenbar, Bewohner der “Stadt heidnischer Bauern” angesichts der ausbleibenden Strafe durch den Donnergott vom Wort Gottes zu überzeugen. Im Hintergrund wenden sich erzürnte Anhänger des alten Glaubens ab, was für den keineswegs reibungslosen Prozess der Christianisierung steht - Bonifatius selbst wurde 754 von heidnischen Friesen erschlagen. Die Geschichtsschreibung verlegt die Fällung der Donareiche freilich eher ins hessische Geismar nahe der Büraburg, wie es schon in der zeitgenössischen Biographie Willibalds von Mainz zu lesen steht. Spärliche Quellenlage und Reiz der weit verbreiteten Sage mögen es aber verzeihlich machen, wenn die Erfurter dieses Ereignis für sich in Anspruch nahmen und nehmen.
Der mutige Missionar und Baumfäller steht im Rathausfestsaal unverkennbar als Symbolfigur für das siegreiche Christentum. Seine unerschütterliche Gestalt täuscht allerdings im späten 19. Jahrhundert über dessen Erosionsprozess hinweg. Zwar bekannten sich noch fast alle Erfurter offiziell zum christlichen Glauben, gut 80 Prozent waren evangelisch. In der Lutherstadt kämpfte aber keineswegs mehr jeder für “Kaiser, Gott und Vaterland”. Die aufstrebende Arbeiterbewegung setzte dem Christentum eine nichtreligiöse Weltsicht entgegen. Auch für manchen Bürger hatte seine Verbindlichkeit nachgelassen. Vielmehr bildete die Nation, das Deutsche Kaiserreich von 1871, jetzt den obersten ideellen Bezugspunkt, wenngleich “Thron und Altar” für viele preußisch-kaisertreue Erfurter noch zusammen gehörten. Insbesondere der Protestantismus ist seither stark ausgehöhlt worden. Das Ende des Kaiserreiches mit seinen privilegierten Landeskirchen 1918, zwei antikirchliche Diktaturen und die Zeit nach der Wende von 1989/90 haben den Anteil der evangelischen Bevölkerung dramatisch zurück gehen lassen. Heute bekennt sich eine deutliche Mehrheit der Erfurter zu keiner Konfession mehr. Gleichwohl sollte man sich der christlichen Wurzeln auch unserer Stadtgeschichte bewusst bleiben.
Lesetipp:
Steffen Raßloff: Ohnmächtiger Donnergott. Bonifatius und die Christianisierung. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 12 f.
Siehe auch: Bonifatius und Thüringen, Geschichte der Stadt Erfurt, Rathaus