Heinrich Knaust Die Kunst Bier zu brauen
Heinrich Knaust - Die Kunst Bier zu brauen
1575 veröffentlichte der vielgereiste Kanoniker Heinrich Knaust in Erfurt sein berühmtes Buch „Die Kunst bier zu brawen“.
Heinrich Knaust war eine schillernde Gestalt. Der Jurist und Autor zahlreicher Schriften verschaffte sich auf nicht ganz konventionellen Wegen so wohlklingende Titel wie „Doktor beider Rechte“ und „Gekrönter Dichter“. Trotz schon für viele Zeitgenossen fragwürdiger akademischer Herkunft wirkte der gebürtige Hamburger in vielen norddeutschen Städten unter anderem als Direktor eines Gymnasiums und Syndikus kirchlicher Einrichtungen. 1557 verschlug es Knaust nach Erfurt, wo er sich als Kanoniker am Marienstift niederließ. 1560 übernahm er in dieser Gemeinschaft angesehener Weltgeistlicher am Dom die Aufgabe eines Scholasticus, also Lehrers. Vor seinem Wechsel ins Marienstift war der noch mit Luther und Melanchthon persönlich bekannte Protestant zum katholischen Glauben übergetreten.
Das Amt scheint ihm viel Zeit für Nebentätigkeiten als Privatlehrer und Advokat gelassen zu haben. Knaust machte von Erfurt aus weiterhin längere Reisen nach Hamburg, Lübeck, Magdeburg, Danzig und Kopenhagen. Früchte dieses umtriebigen Lebens waren mehr als 70 überlieferte Schriften aus den verschiedensten Wissensgebieten. Dazu gehörten auch beratende Sachbücher, etwa mit Warnungen vor dem Geldborgen und vor zwielichtigen Mitmenschen. Möglicherweise flossen hier eigene Lebenserfahrungen des Autors ein. Sicher auf persönlichen Interessen beruht das Buch „Die Kunst bier zu brawen“, das 1575 erstmals in Erfurt gedruckt und mehrfach wieder aufgelegt wurde. Dort macht Knaust seiner neuen Heimatstadt und deren Umland ein großes Kompliment. Es gefalle ihm hier so wohl, „weil man nicht nur in Erfurt, sondern auch in etlichen Dörffern vnd Flecken gute Biere brawet“.
Der moderne „Bier-Papst“ Michael Rudolf hat in seinen „Expeditionen ins Bierreich“ (2004) dem Knaust-Klassiker eine augenzwinkernde, aber respektvolle Würdigung zuteilwerden lassen. Laut Knaust haben die ägyptischen Götter Isis und Osiris höchstpersönlich die wahrhaft göttliche Gabe des Bierbrauens nach Deutschland gebracht. Abzüglich solcher historischen Exkurse und nicht immer ganz nachvollziehbarer Behauptungen etwa hinsichtlich bestimmter Wirkungen des Bieres je nach Kräuterzugabe bildet dieses Buch eine einzigartige Quelle zur Praxis des mittelalterlichen Bierbrauens. Seine große Bedeutung besaß dieses nicht zuletzt aus der Tatsache heraus, dass Wasser in den Städten wegen der zahlreichen Verunreinigungen praktisch nicht trinkbar war. Bier war damit für Jung und Alt in sehr unterschiedlicher Stärke und Qualität ein echtes Grundnahrungsmittel. 440 Jahre nach Erscheinen sollte man an das bahnbrechende Buch erinnern, auch wenn das Erfurter Brauwesen großen Stils den „Pionier der ‚Kritischen Biertheorie‘“ heute wohl kaum noch zu solch einem Werk anregen würde. (Foto: Alexander Raßloff, Portal Haus zum Stockfisch mit "Bierlöchern")
(Dr. Steffen Raßloff in Thüringer Allgemeine vom 19.09.2015)
Lesetipp:
Steffen Raßloff: Es braut sich was zusammen. Die Bierstadt Erfurt. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 22 f.
Hardy Eidam/Gudrun Noll-Reinhardt (Hg.): Es braut sich was zusammen. Erfurt und das Bier. Erfurt 2018 (2. Auflage 2019).
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Biereigen/Bierlöcher, Ausstellung 'Erfurt und das Bier'