Preußen und die Eisenbahn
Preußen und und die Eisenbahn
Beitrag der TA-Serie Erfurt und die Preußen von Dr. Steffen Raßloff (11.07.2015)
Symbol der Moderne
ERFURT UND DIE PREUßEN (5): Mit der Eisenbahn begann für Erfurt der Aufstieg zur Industriegroßstadt
Begibt man sich im Stadtmuseum in der Johannesstraße treppauf Richtung 2. Obergeschoss, empfängt einen zunächst im Treppenhaus ein großes Wappen mit dem preußischen Adler. Es ist hier ganz bewusst angebracht worden, führt doch die Ausstellung nach Mittelalter und Reformationszeit nunmehr in die neuere Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Und diese war lange Zeit maßgeblich von der Zugehörigkeit zum Königreich Preußen geprägt. Erfurt beschritt, bildlich gesprochen, seinen Weg in die industrielle Moderne unter dem preußischen Adler. Das Symbol für das Zeitalter der Industrialisierung schlechthin ist wiederum die Eisenbahn. Auch das wird dem Besucher sofort schlaglichtartig deutlich, wenn er den Ausstellungsraum betritt. Hier kommt ihm eine Dampflok in Originalgröße entgegen, die wie bei Harry Potter aus der Wand heraus zu fahren scheint.
Mit dieser Gestaltung werden zwei wesentliche Umstände bei der Entwicklung zum modernen Erfurt augenfällig demonstriert. Die Erfurter selbst sahen in der Angliederung an die aufstrebende Großmacht Preußen 1802/15 eine entscheidende Voraussetzung für das pulsierende Industrie- und Verkehrszentrum, das Erfurt um 1900 geworden war. Dass hierbei dem Anschluss an die Eisenbahn 1847 entscheidende Bedeutung zukam, war ebenso allgemeine Überzeugung. 1850 konnte man von Berlin über Erfurt bis Frankfurt fahren, 1869 folgte die Strecke nach Nordhausen, 1883 die nach Sangerhausen. Erfurt war zudem Verwaltungssitz der thüringischen Eisenbahnen, die größtenteils in den Besitz des preußischen Staates gelangten. Die Eisenbahn bildete aber nicht nur das wichtigste Verkehrsmittel des Industriezeitalters, sondern war zugleich dessen wirtschaftlicher Katalysator. Erfurt profitierte hiervon etwa durch die 1857 gegründete Lokomotivenfabrik Hagans.
Bei alledem war es von historischer Bedeutung, dass der preußische Staat die Verbindung von Halle Richtung Rheinprovinz entlang der Städteachse Naumburg-Weimar-Erfurt-Gotha-Eisenach verlegte. Engagierte Erfurter um Stadtrat Karl Herrmann hatten sich dafür eingesetzt, eine Strecke über Nordhausen oder Mühlhausen zu verhindern. Herrmann stand klar vor Augen, dass die Eisenbahn „von unberechenbarer Wichtigkeit für Erfurts Zukunft ist“. Am 22. März 1847 fuhr der erste Zug von Weimar in Erfurt ein, „begrüßt vom Jubel der Volksmenge“. Er musste noch die Festungsanlagen passieren, die Gleise befanden sich im Schatten des hohen Walles. Als Bahnhof fungierte die spätere Reichsbahndirektion. Nach der Entfestigung Erfurts wurde der Bau eines modernen Hauptbahnhofes 1889/93 möglich. Letzte Zäsur in der Erfurter Eisenbahngeschichte bildet die Weichenstellung Richtung ICE-Knotenpunkt nach 1990, die in ihrer Tragweite durchaus Parallelen zu den 1840-er Jahren aufweist. Hiervon erhofft man sich große Impulse. (Foto: Eisenbahn im Stadtmuseum, Alexander Raßloff)
Siehe auch: Stadtmuseum, Hauptbahnhof, Erfurt und Preußen, Geschichte der Stadt Erfurt