Erfurter Südseesammlung
Erfurter Südseesammlung
Die Erfurter Südseesammlung ist der bedeutendste Bestand des kolonialen Erbes in den Museen der Landeshauptstadt. Sie wurde 1889 von Konsul Wilhelm Knappe, einem gebürtigen Erfurter, angekauft.
Die rund 600 Objekte der Erfurter Südseesammlung gehören zu den außergewöhnlichen Beständen der Erfurter Museen. Vieles ist von großem Wert, da die teils vom Sammler in einem Katalog in ihrem Kontext beschriebenen Gegenstände wichtige Rückschlüsse auf die Menschen der Südsee unmittelbar vor der kulturellen Überformung durch die Kolonialmächte ermöglichen. So gibt es kein weiteres „Walap“- Auslegersegelboot von den Marshallinseln – eine ethnologische Rarität von Weltrang (Foto: Stadt Erfurt, Dirk Urban).
1889 hatte der Erfurter Wilhelm Knappe seine Sammlung an die Stadt verkauft. Er war als Kaiserlicher Kommissar auf den Marshallinseln und Konsul auf Samoa aktiv. Der Diplomat sammelte keine Trophäen, vielmehr zeugen gerade die vielen Alltagsgegenstände vom Interesse für die Einheimischen, deren Sprache er erlernte. Hinweise auf unrechtmäßigen Erwerb gibt es nicht, zumal Knappe zu Beginn der Kolonialzeit aktiv war. So verfügte er für die 1000 Marshallinseln nur über einen Polizisten, was gewaltsame Raubzüge sehr unwahrscheinlich macht. Zwar war er auf Samoa 1889 in einen Kolonialkonflikt verwickelt, galt aber nie als kolonialer Scharfmacher und Rassist.
Knappes in der DDR-Zeit in Vergessenheit geratene Sammlung erlebte 2005 mit der Sonderausstellung Reisen ins Paradies eine Renaissance. Zuvor war sie mit Experten des Grassi-Museums für Völkerunde Leipzig fachlich aufgearbeitet und restauriert worden. Es erschienen ein Katalog und eine Knappe-Biographie, das Echo war beachtlich. Danach wurde es allerdings wieder ruhig um die Sammlung. Sie kann nur auf Anfrage im Schaudepot Benaryspeicher besichtigt werden. Im Rahmen der vom Stadtrat 2021 beschlossenen Beschäftigung mit dem kolonialen Erbe Erfurts könnte sie nun wissenschaftlich aufgearbeitet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies sollte ohne ideologische Vorverurteilungen mit seriöser Provenienzforschung beginnen.
Dabei geht es auch um Differenzierung, so Kunsthistoriker Stefan Trinks: "Es waren aber die Sammler mit ihrer Empathie, die sich als Alternative und als Korrektoren gegenüber Räubern und Versklavern empfanden und damit viele Zeugnisse indigener Kulturen vor einer Zerstörung bewahrten." (FAZ, 23.08.20) Zu diesen Sammlern im Geiste von Herder und Humboldt darf man nach jetzigem Kenntnisstand auch Wilhelm Knappe zählen. Keineswegs alle Südsee-Exponate sind blutiges Raubgut, wie Götz Alys Buch "Das Prachtboot" (2021) mit Blick auf das Luf-Boot im Berliner Humboldt Forum unter dem Applaus weiter Teile der Medien suggeriert. Der Bayreuther Professor Hermann Hiery, einer der besten Kenner der deutschen Südsee-Geschichte, macht auf die fehlende wissenschaftliche Tiefe und Ausgewogenheit von Alys Buch aufmerksam. Der Erwerb war meist komplexer als das Täter-Opfer-Schema der postkolonialen Geschichtsschreibung, so die Göttinger Ethnologie-Professorin Brigitta Hauser-Schäublin. Papua-Neuguinea beabsichtigt im übrigen ausdrücklich keine Rückführung und sieht das Boot als wichtigen Werbeträger in Europa (RBB, 10.05.21).
Lesetipps:
Marina Moritz/Kai Uwe Schierz (Hg.): Reisen ins Paradies. Die Erfurter Südsee-Sammlung im Spiegel der Kunst. Erfurt 2005.
Steffen Raßloff: Wilhelm Knappe (1855-1910). Staatsmann und Völkerkundler im Blickpunkt deutscher Weltpolitik. Jena 2005.
Horst Gründer/Hermann Hiery (Hg.): Die Deutschen und ihre Kolonien. Ein Überblick. Berlin 2022 (3. Auflage).
Siehe auch: Wilhelm Knappe, Koloniales Erbe in Erfurt, Geschichte der Stadt Erfurt, Geschichte der Erfurter Museen