Universitätsgesellschaft Erfurt
Universitätsgesellschaft Erfurt
Universitätsgesellschaft Erfurt e.V.
Allerheiligenstraße 20/21, 99084 Erfurt, Telefon: 0361/244 77 110
E-Mail: geschaeftsstelle@unigesellschaft-erfurt.de
Internet: http://www.unigesellschaft-erfurt.de
Die Universitätsgesellschaft Erfurt
Die 1987 als Interessengemeinschaft “Alte Universität Erfurt” gegründete Universitätsgesellschaft Erfurt gehört zu den Bürgerbewegungen der späten DDR-Zeit. Als eine der wenigen konnte sie nach der friedlichen Revolution 1989 ihre Hauptziele erreichen, die Wiedergründung der Universität Erfurt 1994 und die Rekonstruktion des einstigen Hauptgebäudes Collegium maius 2011. Heute unterstützt sie als Fördergesellschaft die Universität und pflegt deren reiche Tradition.
Am 15. Oktober 1987 gründeten einige Erfurter Bürger um den Arzt Dr. Aribert W. J. Spiegler die Interessengemeinschaft “Alte Universität Erfurt“ im Kulturbund der DDR. Ihr Ziel war es, für das Stadtjubiläum 1992 (1250 Jahre Ersterwähnung, 600 Jahre Universitätseröffnung) das Andenken an die 1816 geschlossene Alma mater Erfordensis und ihre Baudenkmale im “lateinischen Viertel” zu beleben. Mutig strebte man sogar eine Wiedergründung der Universität und den Aufbau des im Krieg zerstörten Collegium maius an, des ehemaligen Hauptgebäudes. Dessen spätgotischen Kielbogenportal (Foto: Dr. Steffen Raßloff) ist auch das Logo der Gesellschaft entlehnt. Im Mai 1988 begannen die ersten „Tage der Alten Universität“, die mit dem Hochschulstraßenfest eine feste Tradition wurden.
Während der friedlichen Revolution 1989 engagieren sich viele Mitglieder im wiedererwachten Bürgergeist. Am 10. Dezember 1989 organisieren sie die spektakuläre Aktion „Ein Bürgerwall für unsere Altstadt“, der den DDR-Stadtumbau stoppen sollte. Aber auch die von den SED-Oberen skeptisch beäugte Idee einer Wiedergründung der Universität sollte in greifbare Nähe rücken. Am 9. März 1990 veröffentlichte die IG ihren Aufruf für eine „Europäische Universität Erfurt“. Im Juni ermächtigte die Stadt Erfurt Oberbürgermeister Manfred O. Ruge, hierzu ein internationales Gremium zu berufen und schon am 31. August 1990 wurde ein Gründungsausschuss gebildet.
Interessengemeinschaft und Stadt gelang es, für ihr Vorhaben erfolgreich zu werben. Mobilisierung bedeutender Persönlichkeiten, Universitätslesungen und -musiken, Gedenktafeln, Medaillen, Veranstaltungen zu Persönlichkeiten der Universität wie J. B. Trommsdorff, das Engagement für den Wiederaufbau des Collegium maius, die Hochschultage rund um die Engelsburg u.v.a.m. begeisterten immer mehr Bürger, aber machten auch über Erfurt hinaus das Projekt populär. Bundespräsident Richard von Weizsäcker bezeichnete es im Mai 1990 als einen “wahrhaft glücklichen Gedanken”. 1991 erkannte die UNESCO das Vorhaben Wiedereröffnung der „Alten Universität Erfurt“ als „Europäische Universität“ als deutschen Beitrag zur „Weltdekade für kulturelle Entwicklung 1988 bis 1997“ an, zugleich erhielt die IG den Kulturpreis der Stadt Essen. 1992 benannte sie sich in „Gesellschaft zur Förderung der Europäischen Universität Erfurt e.V.“ um.
Die Bemühungen trugen bald realpolitische Früchte. Am 1. Januar 1994 trat das vom Thüringer Landtag beschlossene Gesetz zur „Wiedergründung der Universität Erfurt und zur Aufhebung der Medizinischen Hochschule Erfurt“ in Kraft. Am 29. April 1994 fand die feierliche Gründungsveranstaltung im Augustinerkloster statt. In den folgenden Jahren wurde das ehrgeizige Projekt einer international ausgerichteten Reformuniversität auf dem Campus an der Nordhäuser Straße mit Leben erfüllt. Das Jahr 2001 brachte mit der Fusion mit der Pädagogischen Hochschule Erfurt den Abschluss dieser Gründungsphase.
Mit der Renaissance der traditionsreichen Alma mater Erfordensis hatte sich eine zentrale Zielstellung verwirklicht. Nur wenigen DDR-Bürgerinitiativen war ein derartiger Erfolg nach 1989/90 vergönnt. Dabei ist aber nicht zu übersehen, dass der Funktionswechsel auch schmerzhafte Reibungen erzeugte. Nach Ansicht vieler Aktivisten wurde die Gesellschaft von der Landesregierung nicht genügend einbezogen. Der Verkauf des Collegium maius durch die Stadt Erfurt an die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland 2008, die dort 2011 ihr Landeskirchenamt einweihte, hat das Ziel eines repräsentativen Universitätsgebäudes in der Innenstadt verhindert.
Trotz solcher Enttäuschungen - auch über die Schließung der Medizinischen Akademie - blieben die meisten Mitglieder ihrer Sache treu. Dem Wandel zum Förderer trug man 1995 mit einer neue Satzung und der Umbenennung in Universitätsgesellschaft Erfurt (Präsidenten: 1995-2012 Dr. Anselm Räder, seit 2012 Thomas Hutt) Rechnung. Besondere Anstrengungen werden unternommen, um die Universität weiter im Bewusstsein der Bürger zu verankern. Dies geschieht u.a. durch Pflege des großen Erbes (Schautafeln im Collegium maius 2011, Denkmal Medizinische Akademie 2012, Schautafeln und Film Engelsburg 2012, Gedenktafel Collegium maius 1992/2012, Gedenktafel Engelsburg 1992/2012). Mit der Publikation Erfurt. Die älteste und jüngste Universität Deutschlands konnte die historische Ausnahmestellung weit verbreitet werden. Auch dem denkmalgeschützten Campus aus der DDR-Zeit gilt die Aufmerksamkeit. Gemeinsam mit dem Landeskirchenamt und der Stadtakademie veranstaltet die Gesellschaft seit 2011 die Vortragsreihe der Collegium Maius Abende und ist Ausrichter des beliebten Seniorenstudiums Erfurter Kolleg .
Literaturtipps:
Steffen Raßloff: Erfurt. Die älteste und jüngste Universität Deutschlands. Erfurt 2014 (2. Auflage 2017). (> PDF)
Steffen Raßloff: Geschichte der Stadt Erfurt. Erfurt 2012 (4. Auflage 2016).
Im Foyer des Verwaltungsgebäudes ist seit Juni 2019 eine neue Plakatausstellung zur Geschichte der Universität zu sehen, die seitens der Universitätsgesellschaft Erfurt von Historiker Dr. Steffen Raßloff unterstützt wurde.
Thüringer Allgemeine vom 23.07.2019 (zum Lesen anklicken)