Abriss Pfarrhaus Kaufmannskirche 1965

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Abriss Pfarrhaus der Kaufmannskirche 1965

Schwerer Eingriff in die Altstadt

1965 wurde das intakte Pfarrhaus der Kaufmannskirche gegen den Willen von Bevölkerung und Denkmalpflege abgerissen


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Im Aufbruchsgeist der Nachwendezeit seit 1989 ist in Erfurt so manches Gebäude der Abrissbirne zum Opfer gefallen und musste nicht immer unumstrittenen Neubauten Platz machen. Darunter befanden sich durchaus auch Objekte, denen Fachleute wie Bevölkerung eine Zukunft gewünscht hätten. Allerdings lässt sich dies nicht mit den massiven Eingriffen vergleichen, die man in der DDR-Zeit selbst in der Altstadt vorgenommen hat. Beispielhaft sei an das Wohnquartier auf dem heutigen neuen Hirschgarten-Park erinnert, das in den frühen 1980er-Jahren dem Haus der Kultur weichen musste. Ganze Viertel fielen den Plattenbauten am Juri-Gagarin-Ring zum Opfer. Massive öffentliche Diskussionen, wie sie heute zu erwarten wären, gab es damals natürlich nicht.

Dennoch haben verantwortliche Behörden und engagierte Erfurter den Verlust wertvoller Bauwerke keineswegs immer teilnahmslos hingenommen. Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür ist der sehr umstrittene Abriss des intakten Pfarrhauses der Kaufmannskirche im Frühjahr 1965. Das barocke, dreigeschossige Wohnhaus mit Walmdach stammte aus dem 18. Jahrhundert. Es bildete den südlichen Abschluss der Johannesstraße, die zu jener Zeit als Leninstraße firmierte. Von Norden kommend fuhr oder lief man direkt auf das Gebäude zu, das sich gewissermaßen dem Verkehrsstrom Richtung Anger in den Weg stellte. Das sollte ihm schließlich zum Verhängnis werden, als das Stadtbauamt die „überalterte Innenstadt mit ihrem engen Straßennetz“ zu modernisieren gedachte.

Hiergegen regte sich heftiger Widerstand von Seiten des Instituts für Denkmalpflege. Nach dem Abriss war Ende April in der liberalen Thüringischen Landeszeitung zu lesen, das Institut lege „Wert auf die Feststellung, dass es in Gutachten und Besprechungen gegen den Abriss Einspruch eingelegt hat und für die Erhaltung aus denkmalpflegerischen und städtebaulichen Gründen eingetreten ist“. Aus den diplomatischen Worten des Redakteurs war zudem der breite Unwille in der Bevölkerung unschwer herauszulesen. Sehr viel deutlicher äußerten sich in den Westen geflüchtete Erfurter in ihrer „Exil-Zeitschrift“ „Erfurter Heimatbrief“. Beim beginnenden Umbau der sozialistischen Bezirksstadt wurden in ihren Augen Bedenken der Denkmalpfleger und der Volkswille einfach beiseitegeschoben: „Der vollzogene Abriss zeigt, wer in diesem System was zu sagen hat.“


Siehe auch: Kaufmannskirche, Geschichte der Stadt Erfurt