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Version vom 30. Mai 2024, 14:26 Uhr

Universitätsgesellschaft Erfurt

Die 1987 gegründete Universitätsgesellschaft Erfurt gehört zu den Bürgerbewegungen der späten DDR-Zeit. Als eine der wenigen konnte sie nach 1989 ihre Hauptziele erreichen, die Wiedergründung der Universität Erfurt 1994 und die Rekonstruktion des Collegium maius 2011. Heute unterstützt sie als Fördergesellschaft die Universität und pflegt deren reiche Tradition.


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Am 15. Oktober 1987 gründeten einige Erfurter Bürger die Interessengemeinschaft “Alte Universität Erfurt“ im Kulturbund der DDR. Ihr Ziel war es, für das Stadtjubiläum 1992 (1250 Jahre Ersterwähnung, 600 Jahre Universitätseröffnung) das Andenken an die 1816 geschlossene Alma mater Erfordensis und ihre Baudenkmale im “lateinischen Viertel” zu beleben. Mutig strebte man sogar eine Wiedergründung der Universität und den Aufbau des im Krieg zerstörten Collegium maius an, des ehemaligen Hauptgebäudes in der Michaelisstraße. Dessen spätgotischem Kielbogenportal ist auch das Logo der Gesellschaft entlehnt. Im Mai 1988 begannen die ersten „Tage der Alten Universität“, die mit dem Hochschulstraßenfest eine feste Tradition wurden.

Während der friedlichen Revolution 1989 engagieren sich viele Mitglieder im wiedererwachten Bürgergeist. Am 10. Dezember 1989 organisieren sie die spektakuläre Aktion „Ein Bürgerwall für unsere Altstadt“, der den DDR-Stadtumbau stoppen sollte. Aber auch die von den SED-Oberen skeptisch beäugte Idee einer Wiedergründung der Universität sollte in greifbare Nähe rücken. Am 9. März 1990 veröffentlichte die IG ihren Aufruf für eine „Europäische Universität Erfurt“. Im Juni ermächtigte die Stadt Erfurt Oberbürgermeister Manfred O. Ruge, hierzu ein internationales Gremium zu berufen und schon am 31. August 1990 wurde ein Gründungsausschuss gebildet.

IG und Stadt gelang es, für ihr Vorhaben erfolgreich zu werben. Mobilisierung von Multiplikatoren, Universitätslesungen und -musiken, Gedenktafeln, Medaillen, Veranstaltungen zu Persönlichkeiten wie J. B. Trommsdorff, das Engagement für den Wiederaufbau des Collegium maius, die Hochschultage rund um die Engelsburg u.v.a.m. machten das Projekt populär. Bundespräsident Richard von Weizsäcker bezeichnete es im Mai 1990 als einen “wahrhaft glücklichen Gedanken”. 1991 erkannte die UNESCO das Vorhaben Wiedereröffnung als „Europäische Universität“ als deutschen Beitrag zur „Weltdekade für kulturelle Entwicklung 1988 bis 1997“ an, zugleich erhielt die IG den Kulturpreis der Stadt Essen. 1992 benannte sie sich in „Gesellschaft zur Förderung der Europäischen Universität Erfurt e.V.“ um.

Am 1. Januar 1994 trat das Gesetz zur „Wiedergründung der Universität Erfurt und zur Aufhebung der Medizinischen Hochschule Erfurt“ in Kraft. Am 29. April 1994 fand die Gründungsveranstaltung im Augustinerkloster statt. In den Folgejahren wurde das Projekt einer international ausgerichteten Reformuniversität auf dem Campus an der Nordhäuser Straße mit Leben erfüllt. 2001 brachte die Fusion mit der Pädagogischen Hochschule den Abschluss der Gründungsphase. Hiermit hatte sich eine zentrale Zielstellung verwirklicht, was nur wenigen DDR-Bürgerinitiativen nach 1989/90 vergönnt war. Allerdings gab es auch schmerzhafte Reibungen. Nach Ansicht vieler Aktivisten wurde die Gesellschaft von der Landesregierung und dem Gründungsbeauftragten Klaus-Dieter Wolff nicht genügend einbezogen. Der Verkauf des Collegium maius durch die Stadt Erfurt an die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland 2008, die dort 2011 ihr Landeskirchenamt einweihte, hat das Ziel eines repräsentativen Universitätsgebäudes verhindert.

Trotz solcher Enttäuschungen, nicht zuletzt auch über die Schließung der Medizinischen Akademie, blieben die meisten Mitglieder ihrer Sache treu. Dem Wandel zum Förderer trug man 1995 mit einer neuen Satzung und der Umbenennung in Universitätsgesellschaft Erfurt Rechnung. Besondere Anstrengungen werden unternommen, um die Universität weiter im Bewusstsein der Bürger zu verankern. Dies geschieht u.a. durch Pflege des großen Erbes (Publikation Erfurt. Die älteste und (fast) jüngste Universität Deutschlands, Schautafeln Collegium maius, Denkmal Medizinische Akademie, Schautafeln und Film Engelsburg, Gedenktafel Collegium maius, Gedenktafel Engelsburg, Plakatausstellung Universitätsgeschichte). Auch dem denkmalgeschützten Campus gilt die Aufmerksamkeit. Gemeinsam mit der Evang. Kirche veranstaltete die Gesellschaft von 2011 bis 2019 die Collegium Maius Abende und ist Ausrichter des Seniorenstudiums Erfurter Kolleg.

(Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Barbara Marshall: Die (Wieder-)Gründung der Universität Erfurt. Köln 2023.

Aribert W. J. Spiegler/Elmar Schmid (Hg.): Europäische Universität Erfurt. Dokumente und Reflexionen zur Geschichte einer Bürgerinitiative 1987-1994. Weimar 2002.

Steffen Raßloff: Erfurt. Die älteste und (fast) jüngste Universität Deutschlands. Erfurt 2014 (3. Auflage 2024). (Download)

Steffen Raßloff: Die Universität Erfurt 1994-2024. Zum 30. Wiedergründungsjubiläum einer Traditionshochschule. In: Stadt und Geschichte 84 (2024), S. 34.

Steffen Raßloff: Geschichte der Stadt Erfurt. Erfurt 2012 (6. Auflage 2024).


Siehe auch: Universitätsgesellschaft Erfurt


Unigesellschaft-Erfurt.de 24.04.2024 (zum Lesen anklicken)

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