Kapp-Putsch Erfurt 1920: Unterschied zwischen den Versionen
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Das Unternehmen scheiterte bereits nach wenigen Tagen am Widerstand der Beamtenschaft und dem Generalstreik der Gewerkschaften. Dennoch rief der Putschversuch einen blutigen Bürgerkrieg in weiten Teilen Deutschlands hervor. | Das Unternehmen scheiterte bereits nach wenigen Tagen am Widerstand der Beamtenschaft und dem Generalstreik der Gewerkschaften. Dennoch rief der Putschversuch einen blutigen Bürgerkrieg in weiten Teilen Deutschlands hervor. | ||
Auch in Erfurt entluden sich die seit 1918 aufgestauten Spannungen. Die Industriegroßstadt mit ihren 130.000 Einwohnern war tief gespalten in die Milieus der vornehmlich im Norden und Osten wohnenden Arbeiterschaft und des im Südwesten beheimateten Bürgertums. | Auch in Erfurt entluden sich die seit 1918 aufgestauten Spannungen. Die Industriegroßstadt mit ihren 130.000 Einwohnern war tief gespalten in die Milieus der vornehmlich im Norden und Osten wohnenden Arbeiterschaft und des im Südwesten beheimateten Bürgertums. |
Version vom 13. März 2020, 07:57 Uhr
Kapp-Putsch 1920
Am 13. März 1920 begann der Kapp-Putsch, der zu blutigem Bürgerkrieg führte und die Demokratie unterhöhlte.
Am Vormittag des 13. März 1920 trafen in Erfurt die ersten Meldungen jener Vorgänge in Berlin ein, die als Kapp-Putsch in die Geschichte eingingen. Unter Reichskanzler Wolfgang Kapp und General Walther von Lüttwitz wollten militärische Freikorps die Regierung der Weimarer Republik absetzen und das 1918 untergegangene Kaiserreich wiedererrichten.
Das Unternehmen scheiterte bereits nach wenigen Tagen am Widerstand der Beamtenschaft und dem Generalstreik der Gewerkschaften. Dennoch rief der Putschversuch einen blutigen Bürgerkrieg in weiten Teilen Deutschlands hervor. Auch in Erfurt entluden sich die seit 1918 aufgestauten Spannungen. Die Industriegroßstadt mit ihren 130.000 Einwohnern war tief gespalten in die Milieus der vornehmlich im Norden und Osten wohnenden Arbeiterschaft und des im Südwesten beheimateten Bürgertums.
Reichswehr, Polizei und Bürgerwehr glaubten Recht und Ordnung gegen die radikale Arbeiterschaft verteidigen zu müssen. Zwar war deren Generalstreik die Antwort auf den Putschversuch, doch befürchtete man nun einen blutigen Gegenschlag. Bereits am 13. März begann der Generalstreik. Am 14. März veröffentlichte die Mitteldeutsche Zeitung die „Kundgebung des Reichskanzlers Kapp“, am Tage darauf verbreitete sie die Thüringer Allgemeine Zeitung (TAZ) mit einem Befehl zur Einberufung der Bürgerwehr.
Die Haltung der beiden Bürgerblätter war zwar keine ausdrückliche Parteinahme für Kapp, aber doch zumindest tendenziös. Die Arbeiterzeitung Tribüne sprach zudem von „offenen Kundgebungen für die Monarchie und die Lüttwitze“ in den bürgerlichen Vierteln. Befehlshaber Oberst Fritz von Selle stellte sich ebenfalls nicht auf die Seite der Putschisten, sah seine Hauptaufgabe aber in der Verhinderung einer linken Gegenaktion. Der bekannte Stadthistoriker Johannes Biereye, Angehöriger der Bürgerwehr, brachte diese Haltung auf den Punkt: „Und warum das alles? Etwa weil das ‚Volk‘ nicht dulden wollte, was mit dem Kapp-Putsch zusammenhing? Nein, das nicht. Aus dem entstehenden Chaos wollten die Aufrührer die Basis schaffen, um nach russischem Muster eine Räterepublik zu errichten.“
Die Truppen besetzten Regierungsgebäude, Anger und Hauptpost, bauten den Petersberg zur Verteidigungszentrale aus (Foto: Stadtarchiv Erfurt) und beriefen die Bürgerwehr ein. Die streikenden Arbeiter sahen hierin eine Provokation. Rasch kam es zu ersten Zusammenstößen. Am Mittag des 15. März eröffnete die Polizei auf dem Anger das Feuer auf die Menge, zwei Tote und 12 Verwundete waren zu beklagen.
Bald kam es zu weiteren Konflikten. Am Ende der Putsch-Zeit belief sich die Opferbilanz auf 8 Tote und 79 Verletzte. Hinzu kam, dass „eine Menge unsinniger, übertriebener Gerüchte in der Stadt von Mund zu Mund gingen“, so die TAZ. Angesichts dieser Eskalation zog von Selle alle Kräfte auf dem Petersberg zusammen. Er ließ wichtige Teile der Innenstadt absperren, mit Maschinengewehren besetzte Lastwagen durch die Stadt patrouillieren und richtete ein Standgericht ein. Die Gegensätze wuchsen sich regelrecht zu feindlichen Lagern aus. Arbeiter und Bürger waren jetzt Feinde, vor denen man sich wie im Krieg verschanzte. Die gespannte Lage dauerte zudem einige Tage über das Ende des Putsches in Berlin am 17. März hinaus.
Der Streik hatte nun in den Augen der Bürger keinerlei Berechtigung mehr. So schrieb es nicht nur die TAZ den „militärischen Erfolgen“ der Ordnungskräfte zu, dass es zu einer „Entspannung der Lage“ kam. Am 26. März brach die Gewerkschaft den Generalstreik ab. Während der Putsch-Tage hatten die demokratischen Parteien zusammen mit Oberbürgermeister Bruno Mann, Magistrat und Ordnungskräften einen Ausweg gesucht. SPD, liberale Demokraten und katholische Zentrumspartei riefen zu „Ruhe und Ordnung“ auf.
Doch die „wohlgemeinten Ermahnungen verhallten wirkungslos“, so das Fazit der TAZ. Der Kapp-Putsch und seine linken Gegenaktionen bedeuteten, obwohl beide letztlich abgewehrt werden konnten, einen schweren Rückschlag für die gemäßigten Kräfte in Arbeiterschaft und Bürgertum und damit für das Funktionieren der noch jungen Demokratie. Die Arbeiterschaft schenkte der SPD immer weniger Gehör und wandte sich in erheblichen Teilen den linksradikalen Kommunisten zu. Das Bürgertum wurde ebenso in den Sog der gewaltsamen Polarisierung hineingezogen. Es wurde zum Nährboden für den Aufstieg der Nationalsozialisten, die die Republik 1933 zu Fall brachten.
(Dr. Steffen Raßloff in Thüringer Allgemeine vom 13.03.2020)
Lesetipps:
Steffen Raßloff: Bürgerkrieg und Goldene Zwanziger. Erfurt in der Weimarer Republik. Erfurt 2008.
Steffen Raßloff: Flucht in die nationale Volksgemeinschaft. Das Erfurter Bürgertum zwischen Kaiserreich und NS-Diktatur. Köln/Weimar/Wien 2003.
Siehe auch: Weimarer Republik, Geschichte der Stadt Erfurt