Biereigen Bierlöcher: Unterschied zwischen den Versionen
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[[Datei:StockfischPortal.jpg| | [[Datei:StockfischPortal.jpg|330px|right]]Bier ist noch immer eines der beliebtesten Getränke der Deutschen. Anfechtungen von Abstinenzlern begegnet der Biertrinker gerne mit dem Hinweis, dass sein Getränk hierzulande traditionell zu den Grundnahrungsmitteln zählt. Wie stichhaltig dieses Argument aus historischer Sicht ist, mag dabei manchem gar nicht so bewusst sein. Über Jahrhunderte war Bier auch in Erfurt gerade beim kleinen Mann das wichtigste Alltagsgetränk, weil man das Grundwasser in größeren Städten durch die zahlreichen Verunreinigungen oft kaum genießen konnte. In freilich ziemlicher dünner Form wurde es sogar schon Kindern gereicht. | ||
Im Übrigen war Bierbrauen auch ein sehr einträgliches Geschäft. Es gehörte neben dem Handel mit dem begehrten Blaufärbemittel Waid zu den wichtigsten Grundlagen für den Reichtum einiger weniger Patriziergeschlechter. Oft waren die Waidjunker identisch mit den sogenannten Biereigen, die allein das monopolartige Recht besaßen, im Stadt- und Landgebiet von Erfurt Bier zu brauen und auszuschenken. Hieran erinnern die runden Löcher neben den Portalen von Bürgerhäusern, in die bei frisch gebrautem Bier Strohbündel gesteckt wurden. So ist es auch kein Zufall, dass sich jene Löcher überwiegend an großen und prächtigen Bürgerhäusern finden. Hierzu zählt etwa das „Haus zum Stockfisch“ in der Johannesstraße, in dem heute das Stadtmuseum untergebracht ist (Abb.). Errichtet wurde es ab 1607 von dem Waidjunker und Biereigen Paul Ziegler, der mit zu den reichsten und mächtigsten Bürgern der Stadt zählte. | Im Übrigen war Bierbrauen auch ein sehr einträgliches Geschäft. Es gehörte neben dem Handel mit dem begehrten Blaufärbemittel Waid zu den wichtigsten Grundlagen für den Reichtum einiger weniger Patriziergeschlechter. Oft waren die Waidjunker identisch mit den sogenannten Biereigen, die allein das monopolartige Recht besaßen, im Stadt- und Landgebiet von Erfurt Bier zu brauen und auszuschenken. Hieran erinnern die runden Löcher neben den Portalen von Bürgerhäusern, in die bei frisch gebrautem Bier Strohbündel gesteckt wurden. So ist es auch kein Zufall, dass sich jene Löcher überwiegend an großen und prächtigen Bürgerhäusern finden. Hierzu zählt etwa das „Haus zum Stockfisch“ in der Johannesstraße, in dem heute das Stadtmuseum untergebracht ist (Abb.). Errichtet wurde es ab 1607 von dem Waidjunker und Biereigen Paul Ziegler, der mit zu den reichsten und mächtigsten Bürgern der Stadt zählte. |
Version vom 9. September 2022, 11:20 Uhr
Bierlöcher an Biereigenhöfen
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (15.09.2012)
Ozapft is!
DENKMALE IN ERFURT (63): Die privilegierten Biereigen zeigten einst frisch gebrautes Bier durch Strohbüsche in Löchern an ihren Hausportalen an.
Bier ist noch immer eines der beliebtesten Getränke der Deutschen. Anfechtungen von Abstinenzlern begegnet der Biertrinker gerne mit dem Hinweis, dass sein Getränk hierzulande traditionell zu den Grundnahrungsmitteln zählt. Wie stichhaltig dieses Argument aus historischer Sicht ist, mag dabei manchem gar nicht so bewusst sein. Über Jahrhunderte war Bier auch in Erfurt gerade beim kleinen Mann das wichtigste Alltagsgetränk, weil man das Grundwasser in größeren Städten durch die zahlreichen Verunreinigungen oft kaum genießen konnte. In freilich ziemlicher dünner Form wurde es sogar schon Kindern gereicht.
Im Übrigen war Bierbrauen auch ein sehr einträgliches Geschäft. Es gehörte neben dem Handel mit dem begehrten Blaufärbemittel Waid zu den wichtigsten Grundlagen für den Reichtum einiger weniger Patriziergeschlechter. Oft waren die Waidjunker identisch mit den sogenannten Biereigen, die allein das monopolartige Recht besaßen, im Stadt- und Landgebiet von Erfurt Bier zu brauen und auszuschenken. Hieran erinnern die runden Löcher neben den Portalen von Bürgerhäusern, in die bei frisch gebrautem Bier Strohbündel gesteckt wurden. So ist es auch kein Zufall, dass sich jene Löcher überwiegend an großen und prächtigen Bürgerhäusern finden. Hierzu zählt etwa das „Haus zum Stockfisch“ in der Johannesstraße, in dem heute das Stadtmuseum untergebracht ist (Abb.). Errichtet wurde es ab 1607 von dem Waidjunker und Biereigen Paul Ziegler, der mit zu den reichsten und mächtigsten Bürgern der Stadt zählte.
Das frisch gezapfte Bier wurde jedoch nicht nur optisch, sondern auch deutlich vernehmbar akustisch bekannt gegeben. Dies war Aufgabe von Knechten der vier Stadtviertel, den sogenannten Bierrufern. Um jene Bierrufer rankt sich auch so manche Anekdote. 1289/90 führte König Rudolf von Habsburg fast ein Jahr lang die Reichsgeschäfte von Erfurt aus und stellte dabei mit Unterstützung der Bürgerschaft den Landfrieden gegen die Raubritter wieder her. Der beliebte greise Monarch soll in dieser Zeit aus einer spontanen Laune heraus frisch gezapftes Bier bei einem Erfurter Ratsherrn ausgerufen haben. Auch andere hohe Herrschaften wie König Gustav II. Adolf von Schweden waren dem Erfurter Bier zugetan. Mit dem modernen Gastronomie- und Brauereibetrieb haben die Bierlöcher heute zwar ihre Funktion verloren, erinnern aber als architektonische Denkmale an jenes süffige Kapitel Erfurter Geschichte. (Foto: Alexander Raßloff)
Lesetipps:
Steffen Raßloff: Es braut sich was zusammen. Die Bierstadt Erfurt. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 22 f.
Hardy Eidam/Gudrun Noll-Reinhardt (Hg.): Es braut sich was zusammen. Erfurt und das Bier. Erfurt 2018 (2. Auflage 2019).
Siehe auch: Geschichte Erfurts, Stadtmuseum Erfurt, 'Die Kunst bier zu brawen', Ausstellung 'Erfurt und das Bier'