Erfurter Südseesammlung: Unterschied zwischen den Versionen
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[[Datei:SuedseesammlungBoot.jpg|370px|right]]Die Erfurter Südseesammlung gehört zu den außergewöhnlichen Beständen der Erfurter Museen. Rund 600 Objekte vom Alltagsgenstand über Kunst bis hin zum imposanten Auslegersegelboot mit Bastsegeln umfasst die ethnologische Sammlung. Vieles hiervon ist von großem wissenschaftlichem Wert, da die teils vom Sammler in einem Katalog in ihrem Kontext beschriebenen Gegenstände wichtige Rückschlüsse auf die Menschen der Südsee unmittelbar vor der kulturellen Überformung durch die westliche Welt ermöglichen. So gibt es | [[Datei:SuedseesammlungBoot.jpg|370px|right]]Die Erfurter Südseesammlung gehört zu den außergewöhnlichen Beständen der Erfurter Museen. Rund 600 Objekte vom Alltagsgenstand über Kunst bis hin zum imposanten Auslegersegelboot mit Bastsegeln umfasst die ethnologische Sammlung. Vieles hiervon ist von großem wissenschaftlichem Wert, da die teils vom Sammler in einem Katalog in ihrem Kontext beschriebenen Gegenstände wichtige Rückschlüsse auf die Menschen der Südsee unmittelbar vor der kulturellen Überformung durch die westliche Welt ermöglichen. So gibt es kein einziges weiteres erhaltenes „Walap“- Auslegersegelboot von den Marshallinseln – eine ethnologische Rarität von Weltrang (Foto: Stadt Erfurt, Dirk Urban). | ||
1889 hatte der gebürtige Erfurter '''[[Wilhelm Knappe]]''' seine Sammlung an das Städtische Museum verkauft. Er war als Kaiserlicher Kommissar und Konsul auf den Marshallinseln und auf Samoa aktiv. Der völkerkundlich interessierte Diplomat sammelte nicht nur Schmuck und Trophäen für die Heimat. Vielmehr zeugen gerade die vielen Alltagsgegenstände vom Interesse für die Kultur der Einheimischen, deren Sprache Knappe rasch erlernte. Hinweise auf unrechtmäßigen Erwerb gibt es nicht, zumal Knappe zu Beginn deutscher Kolonialherrschaft aktiv war. So verfügte er zur "Beherrschung" der gut 1000 Marshallinseln über einen einzigen Polizisten. Zwar war er 1889 auf Samoa in einen Kolonialkonflikt verwickelt und in mancherlei Hinsicht "Kind seiner Zeit". Knappe galt aber auch später als Generalkonsul in China, wo er die Gründung der renommierten '''[[Knappe Tongji Universität Shanghai|Tongji Universität]]''' Shanghai mit initiierte, nicht als Säbelrassler und Rassist. Zeitgenossen und heutige Forscher zollen ihm Respekt. | 1889 hatte der gebürtige Erfurter '''[[Wilhelm Knappe]]''' seine Sammlung an das Städtische Museum verkauft. Er war als Kaiserlicher Kommissar und Konsul auf den Marshallinseln und auf Samoa aktiv. Der völkerkundlich interessierte Diplomat sammelte nicht nur Schmuck und Trophäen für die Heimat. Vielmehr zeugen gerade die vielen Alltagsgegenstände vom Interesse für die Kultur der Einheimischen, deren Sprache Knappe rasch erlernte. Hinweise auf unrechtmäßigen Erwerb gibt es nicht, zumal Knappe zu Beginn deutscher Kolonialherrschaft aktiv war. So verfügte er zur "Beherrschung" der gut 1000 Marshallinseln über einen einzigen Polizisten. Zwar war er 1889 auf Samoa in einen Kolonialkonflikt verwickelt und in mancherlei Hinsicht "Kind seiner Zeit". Knappe galt aber auch später als Generalkonsul in China, wo er die Gründung der renommierten '''[[Knappe Tongji Universität Shanghai|Tongji Universität]]''' Shanghai mit initiierte, nicht als Säbelrassler und Rassist. Zeitgenossen und heutige Forscher zollen ihm Respekt. |
Version vom 24. März 2021, 11:48 Uhr
Erfurter Südseesammlung
Die Erfurter Südseesammlung, 1889 vom aus Erfurt stammenden Konsul Wilhelm Knappe angekauft, ist der bedeutendste Bestand des kolonialen Erbes in den Museen der Landeshauptstadt.
Die Erfurter Südseesammlung gehört zu den außergewöhnlichen Beständen der Erfurter Museen. Rund 600 Objekte vom Alltagsgenstand über Kunst bis hin zum imposanten Auslegersegelboot mit Bastsegeln umfasst die ethnologische Sammlung. Vieles hiervon ist von großem wissenschaftlichem Wert, da die teils vom Sammler in einem Katalog in ihrem Kontext beschriebenen Gegenstände wichtige Rückschlüsse auf die Menschen der Südsee unmittelbar vor der kulturellen Überformung durch die westliche Welt ermöglichen. So gibt es kein einziges weiteres erhaltenes „Walap“- Auslegersegelboot von den Marshallinseln – eine ethnologische Rarität von Weltrang (Foto: Stadt Erfurt, Dirk Urban).
1889 hatte der gebürtige Erfurter Wilhelm Knappe seine Sammlung an das Städtische Museum verkauft. Er war als Kaiserlicher Kommissar und Konsul auf den Marshallinseln und auf Samoa aktiv. Der völkerkundlich interessierte Diplomat sammelte nicht nur Schmuck und Trophäen für die Heimat. Vielmehr zeugen gerade die vielen Alltagsgegenstände vom Interesse für die Kultur der Einheimischen, deren Sprache Knappe rasch erlernte. Hinweise auf unrechtmäßigen Erwerb gibt es nicht, zumal Knappe zu Beginn deutscher Kolonialherrschaft aktiv war. So verfügte er zur "Beherrschung" der gut 1000 Marshallinseln über einen einzigen Polizisten. Zwar war er 1889 auf Samoa in einen Kolonialkonflikt verwickelt und in mancherlei Hinsicht "Kind seiner Zeit". Knappe galt aber auch später als Generalkonsul in China, wo er die Gründung der renommierten Tongji Universität Shanghai mit initiierte, nicht als Säbelrassler und Rassist. Zeitgenossen und heutige Forscher zollen ihm Respekt.
Seine in der DDR-Zeit in Vergessenheit geratene Sammlung erlebte 2005 mit der Sonderausstellung in der Kunsthalle Erfurt Reisen ins Paradies. Die Erfurter Südsee-Sammlung im Spiegel der Kunst eine Renaissance. Zuvor war sie mit Experten des Grassi-Museums für Völkerunde Leipzig fachlich aufgearbeitet und restauriert worden. Es erschienen ein Ausstellungskatalog und eine Knappe-Biographie. Das Echo weit über Thüringen und Deutschland hinaus war beachtlich. Danach wurde es allerdings wieder ruhig um die Erfurter Südseesammlung und ihren Schöpfer. Sie kann nur auf Anfrage im Schaudepot Benaryspeicher besichtigt werden. Im Rahmen der vom Stadtrat 2020 beschlossenen Beschäftigung mit dem kolonialen Erbe Erfurts könnte sie nun wissenschaftlich aufgearbeitet und öffentlich zugänglich gemacht werden.
Dies muss fundierter als in der umstrittenen Plakatausstellung Kolonialismus in Erfurt 2019 geschehen. Dort erklärte man, die Sammlung sei im gewaltsamen "kolonialen Unrechtskontext" entstanden, gar von "Diebstahl" war später die Rede. Solche apodiktischen Urteile sollten nicht am Beginn der Untersuchung stehen. Generell geht es um einen differenzierten Umgang mit dem völkerkundlichen Erbe, so Kunsthistoriker Stefan Trinks: "Es waren aber die Sammler nichteuropäischer Objekte mit ihrer Empathie, die sich als Alternative und als Korrektoren gegenüber Räubern und Versklavern empfanden und damit viele Zeugnisse indigener Kulturen vor einer Zerstörung bewahrten." (FAZ, 23.08.2020) Zu diesen Sammlern wird man nach jetzigem Kenntnisstand auch Wilhelm Knappe zählen dürfen. Die Tradition des Sammelns und Bewahrens von bedrohtem Kulturgut im Geiste von Herder und Humboldt gilt es parallel zur Aufarbeitung kolonialen Unrechts angemessen zu würdigen.
Lesetipps:
Marina Moritz/Kai Uwe Schierz (Hg.): Reisen ins Paradies. Die Erfurter Südsee-Sammlung im Spiegel der Kunst. Erfurt 2005.
Steffen Raßloff: Wilhelm Knappe (1855-1910). Staatsmann und Völkerkundler im Blickpunkt deutscher Weltpolitik. Jena 2005.
Steffen Raßloff: Deutsche Weltpolitik. In: Deutsche Geschichte. Die große Bild-Enzyklopädie. München 2018. S. 278 f.
Siehe auch: Wilhelm Knappe, Koloniales Erbe in Erfurt, Geschichte der Stadt Erfurt, Geschichte der Erfurter Museen