Minervabrunnen Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen
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[[Datei:Minerva.jpg| | [[Datei:Minerva.jpg|330px|rechts]]Seit 1784 schmückt ein öffentlicher Brunnen mit der griechischen Göttin Athene den Domplatz. Das barocke Stadtbild auf wuchtigem Brunnen-Sockel bildet einen reizvollen Kontrast zum gotischen Ensemble von Mariendom und Severikirche. Athene, von den Römern später lateinisch Minerva genannt, galt als Lieblingstochter von Göttervater Zeus. In voller Rüstung soll sie diesem aus dem Haupte entstiegen sein – gewissermaßen das Urbild jeder Kopfgeburt. Die Athener verehrten sie als Beschützerin ihrer Stadt, als Göttin von Weisheit, Wissenschaft und Kriegskunst, Schirmherrin der Künstler, Handwerker, Lehrer und Ärzte. Jene schillernd-vielschichtige Göttin, wie auf dem Domplatz meist in Rüstung mit Helm, Schild und Lanze dargestellt, gehört zu den beliebtesten Motiven in Dichtung und Kunst seit der Wiederentdeckung der Antike in der Renaissance. | ||
Im Barockzeitalter griff man gerne auf die antike Mythologie zurück, die zum Bildungskanon der gehobenen Stände gehörte. Insofern passt es gut ins Bild, dass man die Erfurter Minerva 1784 zu Zeiten des Mainzer Statthalters Karl Theodor Freiherr von Dalberg (1772-1802) aufgestellt hat. Dalberg wurde von den Erfurtern besonders für seine Bemühungen um Kunst und Wissenschaft verehrt. Minerva mag damit auch für jene Spätblüthe aufklärerischer Kultur in der Ära Dalberg stehen. Die eng mit Dalberg befreundeten Dichter und Denker um Goethe in Weimar, die häufig in Erfurt zu Gast waren, hatten einen wesentlichen Anteil daran, dass die griechisch-römische Antike bis weit ins 20. Jahrhundert hinein eine große Rolle spielte. Wilhelm von Humboldt, ebenfalls gern gesehener Gast in Dalbergs Residenz am Hirschgarten und Schwiegersohn des Erfurter Akademie-Präsidenten von Dacheröden, sollte zum Gründervater der humanistischen Bildungstradition in Deutschland werden. | Im Barockzeitalter griff man gerne auf die antike Mythologie zurück, die zum Bildungskanon der gehobenen Stände gehörte. Insofern passt es gut ins Bild, dass man die Erfurter Minerva 1784 zu Zeiten des Mainzer Statthalters Karl Theodor Freiherr von Dalberg (1772-1802) aufgestellt hat. Dalberg wurde von den Erfurtern besonders für seine Bemühungen um Kunst und Wissenschaft verehrt. Minerva mag damit auch für jene Spätblüthe aufklärerischer Kultur in der Ära Dalberg stehen. Die eng mit Dalberg befreundeten Dichter und Denker um Goethe in Weimar, die häufig in Erfurt zu Gast waren, hatten einen wesentlichen Anteil daran, dass die griechisch-römische Antike bis weit ins 20. Jahrhundert hinein eine große Rolle spielte. Wilhelm von Humboldt, ebenfalls gern gesehener Gast in Dalbergs Residenz am Hirschgarten und Schwiegersohn des Erfurter Akademie-Präsidenten von Dacheröden, sollte zum Gründervater der humanistischen Bildungstradition in Deutschland werden. |
Version vom 13. Mai 2013, 16:34 Uhr
Minervabrunnen
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (11.05.2013)
Göttin der Weisheit
DENKMALE IN ERFURT (97): Der Minerva-Brunnen auf dem Domplatz entstand unter der Statthalterschaft Karl Theodor von Dalbergs.
Seit 1784 schmückt ein öffentlicher Brunnen mit der griechischen Göttin Athene den Domplatz. Das barocke Stadtbild auf wuchtigem Brunnen-Sockel bildet einen reizvollen Kontrast zum gotischen Ensemble von Mariendom und Severikirche. Athene, von den Römern später lateinisch Minerva genannt, galt als Lieblingstochter von Göttervater Zeus. In voller Rüstung soll sie diesem aus dem Haupte entstiegen sein – gewissermaßen das Urbild jeder Kopfgeburt. Die Athener verehrten sie als Beschützerin ihrer Stadt, als Göttin von Weisheit, Wissenschaft und Kriegskunst, Schirmherrin der Künstler, Handwerker, Lehrer und Ärzte. Jene schillernd-vielschichtige Göttin, wie auf dem Domplatz meist in Rüstung mit Helm, Schild und Lanze dargestellt, gehört zu den beliebtesten Motiven in Dichtung und Kunst seit der Wiederentdeckung der Antike in der Renaissance.
Im Barockzeitalter griff man gerne auf die antike Mythologie zurück, die zum Bildungskanon der gehobenen Stände gehörte. Insofern passt es gut ins Bild, dass man die Erfurter Minerva 1784 zu Zeiten des Mainzer Statthalters Karl Theodor Freiherr von Dalberg (1772-1802) aufgestellt hat. Dalberg wurde von den Erfurtern besonders für seine Bemühungen um Kunst und Wissenschaft verehrt. Minerva mag damit auch für jene Spätblüthe aufklärerischer Kultur in der Ära Dalberg stehen. Die eng mit Dalberg befreundeten Dichter und Denker um Goethe in Weimar, die häufig in Erfurt zu Gast waren, hatten einen wesentlichen Anteil daran, dass die griechisch-römische Antike bis weit ins 20. Jahrhundert hinein eine große Rolle spielte. Wilhelm von Humboldt, ebenfalls gern gesehener Gast in Dalbergs Residenz am Hirschgarten und Schwiegersohn des Erfurter Akademie-Präsidenten von Dacheröden, sollte zum Gründervater der humanistischen Bildungstradition in Deutschland werden.
Nach mehrfachen Umzügen auf dem Domplatz, die sich aus alten Stadtansichten rekonstruieren lassen, befindet sich der Brunnen seit 1976 an der heutigen Stelle. Das Nutz- und Kunstobjekt aus Seeberger Sandstein gehört zu Erfurts seltenen Schätzen, wie Kunsthistorikerin Ruth Menzel hervorhebt. Als der älteste noch im öffentlichen Raum erhaltene Brunnen erinnert er an die einst mehr als 50 Laufbrunnen der städtischen Wasserversorgung. In gewissem Sinne steht er damit auch als Gegenstück zum alten Angerbrunnen, der 1890 aus Anlass der Fertigstellung der ersten Wasserleitung errichtet worden war. Von da an hatten immer mehr Erfurter in den eigenen vier Wänden Zugang zu fließendem Wasser und konnten sich den Gang zum Brunnen auf der Straße sparen. Zugleich ist der Minerva-Brunnen eine der wenigen in Erfurt bewahrten barocken Freiplastiken mit Motiven der antiken Mythologie.
Geschichte der Stadt Erfurt, Dalberg, Dom, Alter Angerbrunnen