Defensionskaserne Petersberg Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:DefensionskaserneAl.jpg|450px|right]]Ein großes '''[[Stadtmodell_von_1873|Stadtmodell]]''' im Stadtmuseum „Haus zum Stockfisch“ zeigt die Festung Erfurt mit der '''[[Zitadelle Petersberg]]''' vor der Entfestigung 1873. Auf dem Wiener Kongress 1815 war die von 1802 bis 1806 schon einmal preußisch besetzte Stadt endgültig dem '''[[Preussen Erfurt|Königreich Preußen]]''' zugeschlagen worden. An dessen Südflanke besaß Erfurt hohe strategische Bedeutung für die Militärmacht der Hohenzollern. Dies schlug sich im Ausbau zur Festung I. Ranges bis in die 1830er-Jahre nieder. Gewaltige Bollwerke mit Türmen, Toren und Wassergräben umgaben die Stadt, deren Vorfeld (Rayon) von Bebauung freigehalten wurde. Die Zitadelle Petersberg galt dabei als Herzstück der Festung in „neupreußischer Manier“.
[[Datei:DefensionskaserneAl.jpg|410px|right]]Ein großes '''[[Stadtmodell_von_1873|Stadtmodell]]''' im Stadtmuseum „Haus zum Stockfisch“ zeigt die Festung Erfurt mit der '''[[Zitadelle Petersberg]]''' vor der Entfestigung 1873. Auf dem Wiener Kongress 1815 war die von 1802 bis 1806 schon einmal preußisch besetzte Stadt endgültig dem '''[[Preussen Erfurt|Königreich Preußen]]''' zugeschlagen worden. An dessen Südflanke besaß Erfurt hohe strategische Bedeutung für die Militärmacht der Hohenzollern. Dies schlug sich im Ausbau zur Festung I. Ranges bis in die 1830er-Jahre nieder. Gewaltige Bollwerke mit Türmen, Toren und Wassergräben umgaben die Stadt, deren Vorfeld (Rayon) von Bebauung freigehalten wurde. Die Zitadelle Petersberg galt dabei als Herzstück der Festung in „neupreußischer Manier“. 1815 begann ein aufwändiger Ausbau, der das Gesicht des '''[[Petersberg|Petersberges]]''' bis heute prägt. Die 1813 durch Beschuss beschädigten Gebäude des einstigen '''[[Peterskloster|Petersklosters]]''' wurden abgerissen und die '''[[Visionen_Peterskirche_Stadtkrone_Buga|Peterskirche]]''' zu einer Lagerhalle mit massiver Zwischendecke zurückgebaut. Zugleich entstanden zahlreiche Militärbauten, allen voran die große Defensionskaserne (1831) und die Hauptwache (1823) mit Arrestanstalt (1913). Bis zur Offenlegung der Festung Erfurt nach der Reichsgründung 1871 erneuerte man immer wieder die gewaltigen Wehranlagen samt ihrer Vorwerke, wie dem großen Hornwerk im Bereich des heutigen Bundesarbeitsgerichtes.


1815 begann ein aufwändiger Ausbau, der das Gesicht des '''[[Petersberg|Petersberges]]''' bis heute prägt. Die 1813 durch Beschuss beschädigten Gebäude des einstigen '''[[Peterskloster|Petersklosters]]''' wurden abgerissen und die '''[[Visionen_Peterskirche_Stadtkrone_Buga|Peterskirche]]''' zu einer Lagerhalle mit massiver Zwischendecke zurückgebaut. Zugleich entstanden zahlreiche Militärbauten, allen voran die große Defensionskaserne (1831) und die Hauptwache (1823) mit Arrestanstalt (1913). Bis zur Offenlegung der Festung Erfurt nach der Reichsgründung 1871 erneuerte man immer wieder die gewaltigen Wehranlagen samt ihrer Vorwerke, wie dem großen Hornwerk im Bereich des heutigen Bundesarbeitsgerichtes.  
Der aufwändige Ausbau der '''[[Zitadelle Petersberg]]''' nach 1815 gipfelte in der Errichtung der großen Defensionskaserne von 1828 bis 1831. Diese diente zunächst einmal, wie schon der Name verrät, als geräumige Truppenunterkunft. Bis 1918 waren hier v.a. die Soldaten des 3. Thüringischen Infanterieregiments Nr. 71 untergebracht, der größten Einheit der preußischen '''[[Preussische Garnison Erfurt|Garnison]]'''. Der große Platz vor der Kaserne und '''[[Visionen_Peterskirche_Stadtkrone_Buga|Peterskirche]]''' diente als Exerzierplatz und war wie der gesamte Militärbereich für die Öffentlichkeit gesperrt. Wo zur '''[[Bundesgartenschau Erfurt 2021|Bundesgartenschau 2021]]''' viele Besucher durch eine Grünanlage flanierten, übten also einst Rekruten Gleichschritt und das Gewehr präsentieren. Mit ihrer massiven Bauweise bot die Defensionskaserne zugleich als „Festung in der Festung“ eine letzte Verteidigungsstellung. Im Falle einer – freilich nie erfolgten – Belagerung und Eroberung der Zitadelle hätte man sich dort verschanzen können. Der Gegner hätte sich dann Raum für Raum im opferreichen Häuserkampf vorarbeiten müssen. Von Norden her schützte die Kaserne das Petersberg-Plateau vor feindlicher Einsicht. Sie besaß ursprünglich ein bombensicheres, mit Erde bedecktes Flachdach, das 1913 durch das heutige Mansardendach ersetzt wurde.  


Der aufwändige Ausbau der '''[[Zitadelle Petersberg]]''' nach 1815 gipfelte in der Errichtung der großen Defensionskaserne von 1828 bis 1831. Diese diente zunächst einmal, wie schon der Name verrät, als geräumige Truppenunterkunft. Bis 1918 waren hier v.a. die Soldaten des 3. Thüringischen Infanterieregiments Nr. 71 untergebracht, der größten Einheit der preußischen '''[[Preussische Garnison Erfurt|Garnison]]'''. Der große Platz vor der Kaserne und '''[[Visionen_Peterskirche_Stadtkrone_Buga|Peterskirche]]''' diente als Exerzierplatz und war wie der gesamte Militärbereich für die Öffentlichkeit gesperrt. Wo zur '''[[Bundesgartenschau Erfurt 2021|Bundesgartenschau 2021]]''' viele Besucher durch eine aufwändig gestaltete Grünanlage flanierten, übten also einst Rekruten Gleichschritt und das Gewehr präsentieren. 
Die Defensionskaserne gilt heute als bedeutendes Denkmal des Festungsbaus, als einer der wenigen erhaltenen Musterbauten des „neupreußischen Befestigungssystems“. Dies wird seit der Bundesgartenschau 2021 in einer Ausstellung zur '''[[Ausstellung_Kommandantenhaus_Geschichte_Petersberg_Erfurt|Geschichte des Petersbergs]]''' im einstigen Kommandatenhaus und in einem modernen Empfangszentrum gewürdigt. Die seit vielen Jahren leer stehende Kaserne nahm während der Buga im teilsanierten Erdgeschoss ein touristisches Erlebnisportal "Thüringen entdecken" und Gastronomie auf. Der neue private Eigentümer begann 2021 mit der umfassenden Sanierung des Gebäudes, das zum ambitionierten "Campus für etablierte Unternehmen und Startups, für Kreative und Kulturschaffende, für Wissenschaft und Gesellschaft" umgestaltet wird. Dort soll auf Entscheidung der linken Stadtratsmehrheit statt eines angedachten Landesmuseums bzw. Kulturhistorischen Museums nun eine kleine '''[[Erfurt_Museum_Defensionskaserne_Petersberg|Pop-Up-Ausstellungshalle]]''' ohne eigenes museales Profil entstehen.   
 
Mit ihrer massiven Bauweise bot die Defensionskaserne zugleich, auch dies deutet der Name an, als „Festung in der Festung“ eine letzte Verteidigungsstellung. Im Falle einer – freilich nie erfolgten – Belagerung und Eroberung der Zitadelle hätte man sich dort verschanzen können. Der Gegner hätte sich dann Raum für Raum im opferreichen Häuserkampf vorarbeiten müssen. Von Norden her schützte das Petersberg-Plateau die Kaserne vor feindlicher Einsicht. Sie besaß ursprünglich ein bombensicheres, mit Erde bedecktes Flachdach, das 1913 durch das heutige Mansardendach ersetzt wurde.
 
Die Defensionskaserne gilt heute als bedeutendes Denkmal des Festungsbaus, als einer der wenigen erhaltenen Musterbauten des „neupreußischen Befestigungssystems“. Dies wird seit der Bundesgartenschau 2021 in einer Ausstellung zur '''[[Ausstellung_Kommandantenhaus_Geschichte_Petersberg_Erfurt|Geschichte des Petersbergs]]''' im einstigen Kommandatenhaus und in einem modernen Empfangszentrum gewürdigt. Die seit vielen Jahren leer stehende Kaserne nahm während der Buga im teilsanierten Erdgeschoss ein touristisches Erlebnisportal "Thüringen entdecken" und Gastronomie auf. Der neue private Eigentümer begann 2021 mit der umfassenden Sanierung des Gebäudes. Auf Beschluss des Stadtrats soll dabei statt eines zeitweise geplanten Landesmuseums oder Kulturhistorischen Museums ein kleines '''[[Erfurt Museum Defensionskaserne Petersberg|Pop-Up-Museum]]''' etabliert werden, das wegen seiner hohen Kosten und der prekären Lage der '''[[Museen in Erfurt|Erfurter Museen]]''' umstritten ist.   


('''[[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')
('''[[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')
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Siehe auch: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]''', '''[[Geschichte Erfurter Museen|Geschichte der Erfurter Museen]]'''
Siehe auch: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]''', '''[[Geschichte Erfurter Museen|Geschichte der Erfurter Museen]]''', '''[https://www.defensionskaserne.de/ Kreativzentrum Defensionskaserne]'''

Aktuelle Version vom 2. Oktober 2024, 08:45 Uhr

Defensionskaserne Zitadelle Petersberg

Die große Defensionskaserne von 1831 war als "Festung in der Festung" das Kernstück der Erneuerung der Zitadelle Petersberg und wichtiger Teil der preußischen Garnison.


DefensionskaserneAl.jpg

Ein großes Stadtmodell im Stadtmuseum „Haus zum Stockfisch“ zeigt die Festung Erfurt mit der Zitadelle Petersberg vor der Entfestigung 1873. Auf dem Wiener Kongress 1815 war die von 1802 bis 1806 schon einmal preußisch besetzte Stadt endgültig dem Königreich Preußen zugeschlagen worden. An dessen Südflanke besaß Erfurt hohe strategische Bedeutung für die Militärmacht der Hohenzollern. Dies schlug sich im Ausbau zur Festung I. Ranges bis in die 1830er-Jahre nieder. Gewaltige Bollwerke mit Türmen, Toren und Wassergräben umgaben die Stadt, deren Vorfeld (Rayon) von Bebauung freigehalten wurde. Die Zitadelle Petersberg galt dabei als Herzstück der Festung in „neupreußischer Manier“. 1815 begann ein aufwändiger Ausbau, der das Gesicht des Petersberges bis heute prägt. Die 1813 durch Beschuss beschädigten Gebäude des einstigen Petersklosters wurden abgerissen und die Peterskirche zu einer Lagerhalle mit massiver Zwischendecke zurückgebaut. Zugleich entstanden zahlreiche Militärbauten, allen voran die große Defensionskaserne (1831) und die Hauptwache (1823) mit Arrestanstalt (1913). Bis zur Offenlegung der Festung Erfurt nach der Reichsgründung 1871 erneuerte man immer wieder die gewaltigen Wehranlagen samt ihrer Vorwerke, wie dem großen Hornwerk im Bereich des heutigen Bundesarbeitsgerichtes.

Der aufwändige Ausbau der Zitadelle Petersberg nach 1815 gipfelte in der Errichtung der großen Defensionskaserne von 1828 bis 1831. Diese diente zunächst einmal, wie schon der Name verrät, als geräumige Truppenunterkunft. Bis 1918 waren hier v.a. die Soldaten des 3. Thüringischen Infanterieregiments Nr. 71 untergebracht, der größten Einheit der preußischen Garnison. Der große Platz vor der Kaserne und Peterskirche diente als Exerzierplatz und war wie der gesamte Militärbereich für die Öffentlichkeit gesperrt. Wo zur Bundesgartenschau 2021 viele Besucher durch eine Grünanlage flanierten, übten also einst Rekruten Gleichschritt und das Gewehr präsentieren. Mit ihrer massiven Bauweise bot die Defensionskaserne zugleich als „Festung in der Festung“ eine letzte Verteidigungsstellung. Im Falle einer – freilich nie erfolgten – Belagerung und Eroberung der Zitadelle hätte man sich dort verschanzen können. Der Gegner hätte sich dann Raum für Raum im opferreichen Häuserkampf vorarbeiten müssen. Von Norden her schützte die Kaserne das Petersberg-Plateau vor feindlicher Einsicht. Sie besaß ursprünglich ein bombensicheres, mit Erde bedecktes Flachdach, das 1913 durch das heutige Mansardendach ersetzt wurde.

Die Defensionskaserne gilt heute als bedeutendes Denkmal des Festungsbaus, als einer der wenigen erhaltenen Musterbauten des „neupreußischen Befestigungssystems“. Dies wird seit der Bundesgartenschau 2021 in einer Ausstellung zur Geschichte des Petersbergs im einstigen Kommandatenhaus und in einem modernen Empfangszentrum gewürdigt. Die seit vielen Jahren leer stehende Kaserne nahm während der Buga im teilsanierten Erdgeschoss ein touristisches Erlebnisportal "Thüringen entdecken" und Gastronomie auf. Der neue private Eigentümer begann 2021 mit der umfassenden Sanierung des Gebäudes, das zum ambitionierten "Campus für etablierte Unternehmen und Startups, für Kreative und Kulturschaffende, für Wissenschaft und Gesellschaft" umgestaltet wird. Dort soll auf Entscheidung der linken Stadtratsmehrheit statt eines angedachten Landesmuseums bzw. Kulturhistorischen Museums nun eine kleine Pop-Up-Ausstellungshalle ohne eigenes museales Profil entstehen.

(Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Kloster und Festung. Beiträge zur Geschichte des Erfurter Petersbergs (Berichte der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Bd. 15). Petersberg 2022.

350 Jahre Zitadelle Petersberg. Historischer Kontext - Bauphasen - Schicksal und Chancen des Petersberges (Tagungsband eines Wissenschaftlichen Kolloquiums 2015, Hg. vom Freunde der Citadelle Petersberg zu Erfurt e.V.). Erfurt 2016.

Steffen Raßloff: Gewaltige Festung. Die Zitadelle Petersberg. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 56 f.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Geschichte der Erfurter Museen, Kreativzentrum Defensionskaserne