Heizwerk Brühl Gewehrfabrik Optima: Unterschied zwischen den Versionen
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Künstler und Besucher der Konzerte der Thüringer Bachwochen schwärmen von der besonderen Atmosphäre im alten Heizwerk im Brühl. Wo einst ein ganzer Industriekomplex mit Wärme versorgt wurde erklingt jetzt Barockmusik. Besonders die imposante Kesselhalle bietet hierfür die richtige Akustik. Leider ist dies aber momentan die einzige kulturelle Nutzung, mit der das äußerlich sanierte Industriedenkmal direkt gegenüber der Neuen Oper einmal im Jahr aus seinem Dornröschenschlaf geweckt wird. So bleibt nur zu hoffen, dass es der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen gelingt, das potenzielle Kulturzentrum nachhaltig wachzuküssen. | |||
Steht man heute auf dem Theaterplatz, kann man sich kaum noch vorstellen, dass das Heizwerk einst Herzstück eines pulsierenden Industriegebietes war. Über Jahrhunderte diente das Brühl als Gartenland innerhalb der Stadtmauern. Erst im Zuge der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es weitgehend überbaut. Entscheidende Initialzündung hierfür war die Ansiedlung der Königlich-Preußischen Gewehrfabrik 1862. Sie entwickelte sich rasch zu einem verzweigten Industriekomplex. Von Erfurt aus wurden viele deutsche Soldaten seit 1898 insbesondere mit dem Standardgewehr G 98 ausgerüstet. Im Ersten Weltkrieg 1914/18 stieg die Gewehrfabrik zur riesigen Rüstungsschmiede mit bis zu 20.000 Arbeitern auf. In jener Zeit entstand auch das monumentale Heizwerk, das architektonisch eher an einen repräsentativen Verwaltungs- oder Kulturbau erinnert. Im zweiten Kriegsjahr 1915 konnte es seiner Bestimmung übergeben werden. | Steht man heute auf dem Theaterplatz, kann man sich kaum noch vorstellen, dass das Heizwerk einst Herzstück eines pulsierenden Industriegebietes war. Über Jahrhunderte diente das Brühl als Gartenland innerhalb der Stadtmauern. Erst im Zuge der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es weitgehend überbaut. Entscheidende Initialzündung hierfür war die Ansiedlung der Königlich-Preußischen Gewehrfabrik 1862. Sie entwickelte sich rasch zu einem verzweigten Industriekomplex. Von Erfurt aus wurden viele deutsche Soldaten seit 1898 insbesondere mit dem Standardgewehr G 98 ausgerüstet. Im Ersten Weltkrieg 1914/18 stieg die Gewehrfabrik zur riesigen Rüstungsschmiede mit bis zu 20.000 Arbeitern auf. In jener Zeit entstand auch das monumentale Heizwerk, das architektonisch eher an einen repräsentativen Verwaltungs- oder Kulturbau erinnert. Im zweiten Kriegsjahr 1915 konnte es seiner Bestimmung übergeben werden. |
Aktuelle Version vom 13. November 2024, 12:53 Uhr
Heizwerk im Brühl
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (07.06.2014)
Vom Industriebau zum Kulturzentrum
DENKMALE IN ERFURT (152): Das ehemalige Heizwerk im Brühl erinnert an wichtige Kapitel Erfurter Industriegeschichte.
Künstler und Besucher der Konzerte der Thüringer Bachwochen schwärmen von der besonderen Atmosphäre im alten Heizwerk im Brühl. Wo einst ein ganzer Industriekomplex mit Wärme versorgt wurde erklingt jetzt Barockmusik. Besonders die imposante Kesselhalle bietet hierfür die richtige Akustik. Leider ist dies aber momentan die einzige kulturelle Nutzung, mit der das äußerlich sanierte Industriedenkmal direkt gegenüber der Neuen Oper einmal im Jahr aus seinem Dornröschenschlaf geweckt wird. So bleibt nur zu hoffen, dass es der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen gelingt, das potenzielle Kulturzentrum nachhaltig wachzuküssen.
Steht man heute auf dem Theaterplatz, kann man sich kaum noch vorstellen, dass das Heizwerk einst Herzstück eines pulsierenden Industriegebietes war. Über Jahrhunderte diente das Brühl als Gartenland innerhalb der Stadtmauern. Erst im Zuge der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es weitgehend überbaut. Entscheidende Initialzündung hierfür war die Ansiedlung der Königlich-Preußischen Gewehrfabrik 1862. Sie entwickelte sich rasch zu einem verzweigten Industriekomplex. Von Erfurt aus wurden viele deutsche Soldaten seit 1898 insbesondere mit dem Standardgewehr G 98 ausgerüstet. Im Ersten Weltkrieg 1914/18 stieg die Gewehrfabrik zur riesigen Rüstungsschmiede mit bis zu 20.000 Arbeitern auf. In jener Zeit entstand auch das monumentale Heizwerk, das architektonisch eher an einen repräsentativen Verwaltungs- oder Kulturbau erinnert. Im zweiten Kriegsjahr 1915 konnte es seiner Bestimmung übergeben werden.
Nach Ende des verlorenen Krieges musste die Produktion von Waffen eingestellt werden. Hiermit begann ein weiteres wichtiges Kapitel Erfurter Wirtschaftsgeschichte. Als Gründung der Berliner AEG produzierte man seit 1924 in der ehemaligen Gewehrfabrik mit großem Erfolg Schreibmaschinen. 1936 bekam das Unternehmen den Namen Olympia. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges sorgten Rechtsstreitigkeiten 1950 für die Umbenennung in Optima. In einem der größten Industriebetriebe des Bezirkes Erfurt produzierten tausende Optimaner bis zum Ende der DDR Schreibmaschinen für Handelspartner in aller Welt. Das rasche Ende des Unternehmens nach 1989, befördert durch den Siegeszug des Computers, machte das Brühl abrupt zur Industriebrache. Die Umgestaltung zum schmucken Wohn-, Verwaltungs- und Kulturstadtteil seit Mitte der 1990er Jahre stellt eine der einschneidendsten städtebaulichen Veränderungen dar. Das alte Heizwerk wartet nun fast 100 Jahre nach seiner Errichtung als Denkmal der vergangenen Industrieepoche auf eine dauerhafte Nutzung als lebendiges Kulturzentrum. (Fotos: Alexander Raßloff, Stadtarchiv Erfurt; Heizwerk 2014 und um 1989)
> PS: Die Geschichte des Heizwerks hat ein Happy End gefunden: 2021 öffnete dort das Kultur- und Veranstaltungszentrum Zentralheize.
Lesetipp:
Steffen Raßloff: Moderne Zeiten. Die Industriegroßstadt Erfurt. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 78 f.
Steffen Raßloff: Geschichte des Erfurter Brühls bis 1990. In: Das Erfurter Heizwerk im Brühl. Erfurt 2022. S. 8-35.
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Industriegroßstadt Erfurt, Gewehr 98, Schreibmaschine Mignon, Industriedenkmale