Reinhold Lingner iga Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen
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'''Der Gartenarchitekt und "Vater der iga" schuf 1961 mit dem heutigen egapark ein Meisterwerk der | '''Der renommierte Gartenarchitekt und "Vater der iga" schuf 1961 mit dem heutigen egapark ein Meisterwerk der Gartenarchitektur.''' | ||
[[Datei: | [[Datei:Lingner.JPG|300px|right]]Der Erfurter egapark gilt laut Denkmalliste Thüringens als eine der "wenigen künstlerisch unumstrittenen und anspruchsvoll gestalteten Gartenanlagen, die nach 1945 auf dem Gebiet der DDR entstanden sind". Er ist zugleich eines der Hauptwerke des Gartenarchitekten Reinhold Lingner (1902-1968). Die Bundesgartenschau 2021 mit ihrem Herzstück egapark bietet einen guten Anlass, an den renommierten Fachmann zu erinnern. | ||
Der Berliner durchlief in den 1920er-Jahren eine Ausbildung zum Gartenarchitekten. Dabei orientierte er sich an der modernen Gartenarchitektur der Weimarer Republik. Seine Karriere stagnierte nach 1933 im Dritten Reich, da sich seine Frau Alice Lingner als Kommunistin engagiert hatte. Nach 1945 startete Lingner dann als maßgeblicher Fachmann in der DDR endgültig durch. Zunächst war er verantwortlich für die Grünplanung im kriegszerstörten Berlin. Seine akademische Karriere gipfelte 1961 auf dem Lehrstuhl für Gartengestaltung an der Humboldt-Universität Berlin. Unter zahlreichen Großprojekten ragen heraus Gedenkstätten wie Buchenwald und Sachsenhausen, der Volkspark Friedrichshain und das Stadion der Weltjugend. | Der Berliner durchlief in den 1920er-Jahren eine Ausbildung zum Gartenarchitekten. Dabei orientierte er sich an der modernen Gartenarchitektur der Weimarer Republik. Seine Karriere stagnierte nach 1933 im Dritten Reich, da sich seine Frau Alice Lingner als Kommunistin engagiert hatte. Nach 1945 startete Lingner dann als maßgeblicher Fachmann in der DDR endgültig durch. Zunächst war er verantwortlich für die Grünplanung im kriegszerstörten Berlin. Seine akademische Karriere gipfelte 1961 auf dem Lehrstuhl für Gartengestaltung an der Humboldt-Universität Berlin. Unter zahlreichen Großprojekten ragen heraus Gedenkstätten wie Buchenwald und Sachsenhausen, der Volkspark Friedrichshain und das Stadion der Weltjugend. | ||
Sein Meisterwerk lieferte Lingner jedoch in der traditionsreichen Blumenstadt Erfurt. 1956 erhielt er den Auftrag, das Gelände an der Cyriaksburg, das bereits mit Schauen auf sich aufmerksam gemacht hatte, zu einer großen Gartenbauausstellung auszubauen. Am 28. April 1961 eröffnete nach den Plänen Lingners die "Erste Internationale Gartenbauausstellung der sozialistischen Länder". Die iga'61, auf die viele Elemente wie das große ornamentale Blumenbeet | Sein Meisterwerk lieferte Lingner jedoch in der traditionsreichen Blumenstadt Erfurt. 1956 erhielt er den Auftrag, das Gelände an der Cyriaksburg, das bereits mit Schauen auf sich aufmerksam gemacht hatte, zu einer großen Gartenbauausstellung auszubauen. Am 28. April 1961 eröffnete nach den Plänen Lingners die "Erste Internationale Gartenbauausstellung der sozialistischen Länder". Die iga'61, auf die viele Elemente wie das große ornamentale Blumenbeet zurück gehen, wurde ein voller Erfolg und zählte 3,5 Millionen Besucher. Sie war, anders als die wechselnden Bundesgartenschauen, dauerhaft angelegt. Nach 1990 ging aus der iga der egapark (ega = Erfurter Garten- und Ausstellungs GmbH) hervor. | ||
Lingner hatte sich 1945 bewusst für den Osten entschieden. Dort konnte er seine modernen Vorstellungen umsetzen, die auch eine politische Dimension besaßen. Lingner betonte die "Überlegenheit des sozialistischen Gartenbaues" gegenüber der kapitalistischen Konkurrenz. Bei der iga verkörperte für ihn die einheitliche Gestaltung mit modernen Hallen, großzügigen Freiflächen, Kunstwerken und Lehrschau-Charakter die sozialistische Gesellschaft. Hinter der vermeintlichen Überlegenheit steckte auch die Umformung von Landwirtschaft und Gartenbau zu Genossenschaften und Staatsbetrieben in der DDR. So gehörte die Ausstellung großer Landmaschinen für die industrialisierte Produktion zu den Fixpunkten in Lingners Konzept. | Lingner hatte sich 1945 bewusst für den Osten entschieden. Dort konnte er seine modernen Vorstellungen umsetzen, die auch eine politische Dimension besaßen. Lingner betonte die "Überlegenheit des sozialistischen Gartenbaues" gegenüber der kapitalistischen Konkurrenz. Bei der iga verkörperte für ihn die einheitliche Gestaltung mit modernen Hallen, großzügigen Freiflächen, Kunstwerken und Lehrschau-Charakter die sozialistische Gesellschaft. Hinter der vermeintlichen Überlegenheit steckte auch die Umformung von Landwirtschaft und Gartenbau zu Genossenschaften und Staatsbetrieben in der DDR. So gehörte die Ausstellung großer Landmaschinen für die industrialisierte Produktion zu den Fixpunkten in Lingners Konzept. | ||
All das heißt nicht, dass Lingner Besuche von Gartenschauen im Westen verschmäht hätte. In Vorbereitung auf die iga besuchte er Westberlin, Dortmund, Zürich, Gent und Rotterdam. Dabei gab es auch lobende Worte für die Ausstellungsmacher. Den Austausch mit Fachkollegen ließ Lingner ebenfalls nicht abreißen. Bei aller Systemkonkurrenz im Kalten Krieg fand sein Lebenswerk auch im Westen Anerkennung. So äußerte die führende Zeitschrift "Garten und Landschaft" neben Kritik an der Politisierung der iga'61 viel Lobendes über Lingners Gestaltung. | All das heißt nicht, dass Lingner Besuche von Gartenschauen im Westen verschmäht hätte. In Vorbereitung auf die iga besuchte er Westberlin, Dortmund, Zürich, Gent und Rotterdam. Dabei gab es auch lobende Worte für die Ausstellungsmacher. Den Austausch mit Fachkollegen ließ Lingner ebenfalls nicht abreißen. Bei aller Systemkonkurrenz im Kalten Krieg fand sein Lebenswerk auch im Westen Anerkennung. So äußerte die führende Zeitschrift "Garten und Landschaft" neben Kritik an der Politisierung der iga'61 viel Lobendes über Lingners Gestaltung. 60 Jahre später, am 23. April 2021, eröffnete die Bundesgartenschau und präsentierte sich der aufwändig sanierte und um neue Attraktionen bereicherte egapark noch immer im Kern als das herausragende Gartendenkmal seines Schöpfers Reinhold Lingner. Diesem ist seither am historischen Empfangsgebäude eine Denkmalbüste des Erfurter Künstlers Karsten Kunert gewidmet (Foto: Dr. Steffen Raßloff). | ||
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Rüdiger Paul Kirsten: '''Konflikte, Courage und Kollektivplan. Der Landschaftsarchitekt Reinhold Lingner.''' In: Martin Baumann/Steffen Raßloff (Hg.): '''[[Blumenstadt Erfurt|Blumenstadt Erfurt. Waid - Gartenbau - iga/egapark]]'''. Erfurt 2011, S. 350-359. | |||
Steffen Raßloff: '''Reinhold Lingner''', in: NDB-online, veröffentlicht am 01.03.2024, '''[https://www.deutsche-biographie.de/dbo093660-5.html https://www.deutsche-biographie.de/dbo093660-5.html]''' | |||
Steffen Raßloff: '''Die Welt der Blumen. Von der iga '61 zur Buga 2021.''' In: '''[[Erfurt 55 Highlights aus der Geschichte|Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte]].''' Erfurt 2021. S. 106 f. | Steffen Raßloff: '''Die Welt der Blumen. Von der iga '61 zur Buga 2021.''' In: '''[[Erfurt 55 Highlights aus der Geschichte|Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte]].''' Erfurt 2021. S. 106 f. | ||
Siehe auch: '''[[Iga_/_egapark_Erfurt|iga/egapark]]''', '''[[Bundesgartenschau Erfurt 2021|Bundesgartenschau 2021]]''', '''[[Blumenstadt Erfurt Buga|Blumenstadt Erfurt]]''' | Siehe auch: '''[[Iga_/_egapark_Erfurt|iga/egapark]]''', '''[[Bundesgartenschau Erfurt 2021|Bundesgartenschau 2021]]''', '''[[Blumenstadt Erfurt Buga|Blumenstadt Erfurt]]''' |
Aktuelle Version vom 22. März 2024, 13:12 Uhr
Reinhold Lingner
Der renommierte Gartenarchitekt und "Vater der iga" schuf 1961 mit dem heutigen egapark ein Meisterwerk der Gartenarchitektur.
Der Erfurter egapark gilt laut Denkmalliste Thüringens als eine der "wenigen künstlerisch unumstrittenen und anspruchsvoll gestalteten Gartenanlagen, die nach 1945 auf dem Gebiet der DDR entstanden sind". Er ist zugleich eines der Hauptwerke des Gartenarchitekten Reinhold Lingner (1902-1968). Die Bundesgartenschau 2021 mit ihrem Herzstück egapark bietet einen guten Anlass, an den renommierten Fachmann zu erinnern.
Der Berliner durchlief in den 1920er-Jahren eine Ausbildung zum Gartenarchitekten. Dabei orientierte er sich an der modernen Gartenarchitektur der Weimarer Republik. Seine Karriere stagnierte nach 1933 im Dritten Reich, da sich seine Frau Alice Lingner als Kommunistin engagiert hatte. Nach 1945 startete Lingner dann als maßgeblicher Fachmann in der DDR endgültig durch. Zunächst war er verantwortlich für die Grünplanung im kriegszerstörten Berlin. Seine akademische Karriere gipfelte 1961 auf dem Lehrstuhl für Gartengestaltung an der Humboldt-Universität Berlin. Unter zahlreichen Großprojekten ragen heraus Gedenkstätten wie Buchenwald und Sachsenhausen, der Volkspark Friedrichshain und das Stadion der Weltjugend.
Sein Meisterwerk lieferte Lingner jedoch in der traditionsreichen Blumenstadt Erfurt. 1956 erhielt er den Auftrag, das Gelände an der Cyriaksburg, das bereits mit Schauen auf sich aufmerksam gemacht hatte, zu einer großen Gartenbauausstellung auszubauen. Am 28. April 1961 eröffnete nach den Plänen Lingners die "Erste Internationale Gartenbauausstellung der sozialistischen Länder". Die iga'61, auf die viele Elemente wie das große ornamentale Blumenbeet zurück gehen, wurde ein voller Erfolg und zählte 3,5 Millionen Besucher. Sie war, anders als die wechselnden Bundesgartenschauen, dauerhaft angelegt. Nach 1990 ging aus der iga der egapark (ega = Erfurter Garten- und Ausstellungs GmbH) hervor.
Lingner hatte sich 1945 bewusst für den Osten entschieden. Dort konnte er seine modernen Vorstellungen umsetzen, die auch eine politische Dimension besaßen. Lingner betonte die "Überlegenheit des sozialistischen Gartenbaues" gegenüber der kapitalistischen Konkurrenz. Bei der iga verkörperte für ihn die einheitliche Gestaltung mit modernen Hallen, großzügigen Freiflächen, Kunstwerken und Lehrschau-Charakter die sozialistische Gesellschaft. Hinter der vermeintlichen Überlegenheit steckte auch die Umformung von Landwirtschaft und Gartenbau zu Genossenschaften und Staatsbetrieben in der DDR. So gehörte die Ausstellung großer Landmaschinen für die industrialisierte Produktion zu den Fixpunkten in Lingners Konzept.
All das heißt nicht, dass Lingner Besuche von Gartenschauen im Westen verschmäht hätte. In Vorbereitung auf die iga besuchte er Westberlin, Dortmund, Zürich, Gent und Rotterdam. Dabei gab es auch lobende Worte für die Ausstellungsmacher. Den Austausch mit Fachkollegen ließ Lingner ebenfalls nicht abreißen. Bei aller Systemkonkurrenz im Kalten Krieg fand sein Lebenswerk auch im Westen Anerkennung. So äußerte die führende Zeitschrift "Garten und Landschaft" neben Kritik an der Politisierung der iga'61 viel Lobendes über Lingners Gestaltung. 60 Jahre später, am 23. April 2021, eröffnete die Bundesgartenschau und präsentierte sich der aufwändig sanierte und um neue Attraktionen bereicherte egapark noch immer im Kern als das herausragende Gartendenkmal seines Schöpfers Reinhold Lingner. Diesem ist seither am historischen Empfangsgebäude eine Denkmalbüste des Erfurter Künstlers Karsten Kunert gewidmet (Foto: Dr. Steffen Raßloff).
Lesetipps:
Rüdiger Paul Kirsten: Konflikte, Courage und Kollektivplan. Der Landschaftsarchitekt Reinhold Lingner. In: Martin Baumann/Steffen Raßloff (Hg.): Blumenstadt Erfurt. Waid - Gartenbau - iga/egapark. Erfurt 2011, S. 350-359.
Steffen Raßloff: Reinhold Lingner, in: NDB-online, veröffentlicht am 01.03.2024, https://www.deutsche-biographie.de/dbo093660-5.html
Steffen Raßloff: Die Welt der Blumen. Von der iga '61 zur Buga 2021. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 106 f.
Siehe auch: iga/egapark, Bundesgartenschau 2021, Blumenstadt Erfurt