Topf und Söhne Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Die 1878 in Erfurt gegründete Firma J. A. Topf & Söhne ging als Erbauer der Krematorien in Auschwitz, Buchenwald und anderen KZ in die Geschichte ein. Hieran erinnert seit 2011 ein Erinnerungsort.'''
'''1878 in Erfurt gegründete Firma für Feuerungsanlagen, Mälzereien, Brauereimaschinen u.ä.'''


'''Erbauer der Krematorien in Auschwitz, Buchenwald u.a. KZ'''


'''2011 Eröffnung eines Lern- und Gedenkortes'''
[[Datei:Topfgebäude.jpg|380px|right]]1878 gründete Johannes Andreas Topf ein feuerungstechnisches Baugeschäft in '''[[Geschichte der Stadt Erfurt|Erfurt]]'''. Die Firma J. A. Topf & Söhne, Spezialgeschäft für Heizungs-, Brauerei- und Mälzereianlagen, zog 1889 auf das Gelände an der Weimarischen Straße. 1914 zählte sie bereits über 500 Mitarbeiter. Sie begann in einer kleinen Abteilung mit dem Bau von Einäscherungsöfen für Krematorien und wurde in den 1920er Jahren zum Marktführer in dieser Branche.


'''Link: [http://www.topfundsoehne.de/ Erinnerungsort Topf & Söhne]'''
Im '''[[Erfurt im Nationalsozialismus|Nationalsozialismus]]''' begannen 1939 Ludwig und Ernst-Wolfgang Topf, Firmeninhaber in dritter Generation, damit, die SS mit für die Konzentrationslager entwickelten Leichenverbrennungsöfen zu beliefern. Konstruiert wurden sie vom Ingenieur Kurt Prüfer. Im Wissen um den Massenmord mit Gas in Auschwitz reichte die Firma 1942 auf Initiative des Ingenieurs Fritz Sander einen Patentantrag für einen „kontinuierlich arbeitenden Leichenverbrennungsofen für Massenbetrieb“ ein. 1943 wurden die Großkrematorien im KZ Auschwitz-Birkenau mit Öfen und Gaskammer-Lüftungstechnik aus Erfurt zu "Todesfabriken" ausgerüstet. Die Lüftungsanlagen entwickelte der Ingenieur Karl Schultze. Auch in anderen Lagern wie dem nahen '''[[Buchenwaldblick_Erfurt|KZ Buchenwald]]''' wurden Verbrennungsöfen von Topf genutzt.


Nach Kriegsende beging Ludwig Topf am 31. Mai 1945 Selbstmord. Ernst-Wolfgang Topf reiste in die westlichen Besatzungszonen und wurde nach dem Besatzungswechsel durch die sowjetische Armee an seiner Rückkehr gehindert. 1946 erfolgte die Verhaftung von Kurt Prüfer, Fritz Sander, Karl Schultze und Betriebsdirektor Gustav Braun durch die Sowjetarmee. 1948 verurteilte man sie in Moskau zu jeweils 25 Jahren Lagerhaft wegen Unterstützung der SS beim Völkermord. 1947 wurde Topf & Söhne ein landeseigener Betrieb und firmierte unter verschiedenen Namen bis zur Umbenennung in VEB Erfurter Mälzerei- und Speicherbau (EMS) 1957. 1993 wurde EMS privatisiert und ging 1996 in Konkurs.


1878 gründete J. A. Topf (1816-1891) ein feuerungstechnisches Baugeschäft in '''[[Geschichte der Stadt Erfurt|Erfurt]]'''. Die Firma J. A. Topf & Söhne, Spezialgeschäft für Heizungsanlagen, Brauerei- und Mälzereieinrichtungen, zog 1889 auf das heutige Gedenkstättengelände an der Weimarischen Straße. 1914 zählte sie bereits über 500 Mitarbeiter. Sie beginnt in einer kleinen Abteilung mit dem Bau von Einäscherungsöfen für Krematorien und wird in den 1920er Jahren zum Marktführer in dieser Branche.
Nach langen Bemühungen eines Förderkreises konnte 2011 im erhaltenen Verwaltungsgebäude (Foto: Dr. Steffen Raßloff) der "Erinnerungsort Topf & Söhne - Die Ofenbauer von Auschwitz" eröffnet werden. Vor dem Hauptzugang ehrt ein '''[[Topf_und_Söhne_Denkmal|Stein der Erinnerung]]''' die Opfer in den Konzentrationslagern und macht ein Modell die Ausdehnung des einstigen Firmengeländes sichtbar. Der Erinnerungsort ist der einzige authentische ehemalige Firmensitz, an dem die Mittäterschaft der privaten Wirtschaft am Massenmord in den Konzentrationslagern gezeigt werden kann. Er wirft Fragen nach der Mitwisser- und Mittäterschaft im Alltag des Nationalsozialismus auf: Von wem und wie wurden die NS-Verbrechen ermöglicht und umgesetzt? Als historischer Lernort ist Topf & Söhne einzigartig, weil er die unbequeme und so wichtige Frage nach der Verantwortung jedes Einzelnen in seinem gewöhnlichen beruflichen Alltag stellt.  


1939 beginnen Ludwig und Ernst-Wolfgang Topf, Geschäftsführer und Firmeninhaber in dritter Familiengeneration, damit, die SS mit speziell für die Konzentrationslager entwickelten Leichenverbrennungsöfen zu beliefern. Konstruiert werden sie von dem Ingenieur Kurt Prüfer. Im Wissen um den Massenmord mit Gas in Auschwitz reicht die Firma 1942 auf Initiative des Ingenieurs Fritz Sander einen Patentantrag für einen „kontinuierlich arbeitenden Leichenverbrennungsofen für Massenbetrieb“ ein. 1943 werden die Großkrematorien im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau werden mit Öfen und Gaskammer-Lüftungstechnik aus Erfurt zu „Todesfabriken“ ausgerüstet. Die Lüftungsanlagen entwickelt der Ingenieur Karl Schultze. Auch in anderen KZ werden Verbrennungsöfen von Topf genutzt.
('''[[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')


Nach Kriegsende begeht Ludwig Topf am 31. Mai 1945 aus Angst vor seiner Verhaftung durch die US-Armee Selbstmord. Ernst-Wolfgang Topf reist in die westlichen Besatzungszonen und wird nach dem Besatzungswechsel durch die sowjetische Armee an seiner Rückkehr gehindert. 1946 erfolgt die Verhaftung von Kurt Prüfer, Fritz Sander, Karl Schultze und Betriebsdirektor Gustav Braun durch die sowjetische Armee. 1948 verurteilt man sie in Moskau zu jeweils 25 Jahren Lagerhaft wegen Unterstützung der SS beim Völkermord.


1947 wird J. A. Topf & Söhne ein landeseigener Betrieb und firmiert unter verschiedenen Namen bis zur Umbenennung in VEB Erfurter Mälzerei- und Speicherbau (EMS) 1957. 1993 wird EMS in Erfurt wird privatisiert und geht 1996 in Konkurs. Nach langen Bemühungen eines Förderkreises kann 2011 der Erinnerungsort Topf & Söhne - Die Ofenbauer von Auschwitz eröffnet werden.
'''Lesetipps:'''


''(Text nach Angaben des Erinnerungsortes Topf & Söhne zusammengestellt von '''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')''
Annegret Schüle: '''Industrie und Holocaust. Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz'''. Göttingen 2010.


Steffen Raßloff: '''[[Mustergau Thueringen Nationalsozialismus|Der "Mustergau". Thüringen zur Zeit des Nationalsozialismus]]'''. München 2015.


Siehe auch den Beitrag zur '''[[Erinnerungsort_Topf_und_Söhne|Vorgeschichte des Erinnerungsortes]]'''
Steffen Raßloff: '''[[Erfurt im Nationalsozialismus|Verführung und Gewalt. Erfurt im Nationalsozialismus]]'''. In: Stadt und Geschichte 24 (2004). S. 3-5.
 
 
Siehe auch: '''[[Topf_und_Söhne_Denkmal|Topf & Söhne als Denkmalort]]''', '''[[Museen in Erfurt]]''', '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]'''
 
 
'''''Thüringische Landeszeitung vom 23.07.2018'''''
 
[[Datei:TLZ-23-7-18-RassloffWeimarerRepublik.jpg|400px|left]]

Aktuelle Version vom 1. Oktober 2022, 12:57 Uhr

Erinnerungsort Topf & Söhne

Die 1878 in Erfurt gegründete Firma J. A. Topf & Söhne ging als Erbauer der Krematorien in Auschwitz, Buchenwald und anderen KZ in die Geschichte ein. Hieran erinnert seit 2011 ein Erinnerungsort.


Topfgebäude.jpg

1878 gründete Johannes Andreas Topf ein feuerungstechnisches Baugeschäft in Erfurt. Die Firma J. A. Topf & Söhne, Spezialgeschäft für Heizungs-, Brauerei- und Mälzereianlagen, zog 1889 auf das Gelände an der Weimarischen Straße. 1914 zählte sie bereits über 500 Mitarbeiter. Sie begann in einer kleinen Abteilung mit dem Bau von Einäscherungsöfen für Krematorien und wurde in den 1920er Jahren zum Marktführer in dieser Branche.

Im Nationalsozialismus begannen 1939 Ludwig und Ernst-Wolfgang Topf, Firmeninhaber in dritter Generation, damit, die SS mit für die Konzentrationslager entwickelten Leichenverbrennungsöfen zu beliefern. Konstruiert wurden sie vom Ingenieur Kurt Prüfer. Im Wissen um den Massenmord mit Gas in Auschwitz reichte die Firma 1942 auf Initiative des Ingenieurs Fritz Sander einen Patentantrag für einen „kontinuierlich arbeitenden Leichenverbrennungsofen für Massenbetrieb“ ein. 1943 wurden die Großkrematorien im KZ Auschwitz-Birkenau mit Öfen und Gaskammer-Lüftungstechnik aus Erfurt zu "Todesfabriken" ausgerüstet. Die Lüftungsanlagen entwickelte der Ingenieur Karl Schultze. Auch in anderen Lagern wie dem nahen KZ Buchenwald wurden Verbrennungsöfen von Topf genutzt.

Nach Kriegsende beging Ludwig Topf am 31. Mai 1945 Selbstmord. Ernst-Wolfgang Topf reiste in die westlichen Besatzungszonen und wurde nach dem Besatzungswechsel durch die sowjetische Armee an seiner Rückkehr gehindert. 1946 erfolgte die Verhaftung von Kurt Prüfer, Fritz Sander, Karl Schultze und Betriebsdirektor Gustav Braun durch die Sowjetarmee. 1948 verurteilte man sie in Moskau zu jeweils 25 Jahren Lagerhaft wegen Unterstützung der SS beim Völkermord. 1947 wurde Topf & Söhne ein landeseigener Betrieb und firmierte unter verschiedenen Namen bis zur Umbenennung in VEB Erfurter Mälzerei- und Speicherbau (EMS) 1957. 1993 wurde EMS privatisiert und ging 1996 in Konkurs.

Nach langen Bemühungen eines Förderkreises konnte 2011 im erhaltenen Verwaltungsgebäude (Foto: Dr. Steffen Raßloff) der "Erinnerungsort Topf & Söhne - Die Ofenbauer von Auschwitz" eröffnet werden. Vor dem Hauptzugang ehrt ein Stein der Erinnerung die Opfer in den Konzentrationslagern und macht ein Modell die Ausdehnung des einstigen Firmengeländes sichtbar. Der Erinnerungsort ist der einzige authentische ehemalige Firmensitz, an dem die Mittäterschaft der privaten Wirtschaft am Massenmord in den Konzentrationslagern gezeigt werden kann. Er wirft Fragen nach der Mitwisser- und Mittäterschaft im Alltag des Nationalsozialismus auf: Von wem und wie wurden die NS-Verbrechen ermöglicht und umgesetzt? Als historischer Lernort ist Topf & Söhne einzigartig, weil er die unbequeme und so wichtige Frage nach der Verantwortung jedes Einzelnen in seinem gewöhnlichen beruflichen Alltag stellt.

(Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Annegret Schüle: Industrie und Holocaust. Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz. Göttingen 2010.

Steffen Raßloff: Der "Mustergau". Thüringen zur Zeit des Nationalsozialismus. München 2015.

Steffen Raßloff: Verführung und Gewalt. Erfurt im Nationalsozialismus. In: Stadt und Geschichte 24 (2004). S. 3-5.


Siehe auch: Topf & Söhne als Denkmalort, Museen in Erfurt, Geschichte der Stadt Erfurt


Thüringische Landeszeitung vom 23.07.2018

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