Juedisches Erbe Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen
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Die Außenseiterstellung der Juden gipfelte jedoch im blutigen Pogrom von 1349, der vermutlich die gesamte Gemeinde auslöschte. Die Synagoge wurde fortan für verschiedenste Zwecke genutzt und geriet in Vergessenheit. Eine wenig später neu angesiedelte Gemeinde mit einer nicht mehr existierenden Synagoge gegenüber der heutigen '''[[Begegnungsstätte Kleine Synagoge]]''' hinter dem Rathaus verschwand endgültig 1458 aus der Stadt. | Die Außenseiterstellung der Juden gipfelte jedoch im blutigen Pogrom von 1349, der vermutlich die gesamte Gemeinde auslöschte. Die Synagoge wurde fortan für verschiedenste Zwecke genutzt und geriet in Vergessenheit. Eine wenig später neu angesiedelte Gemeinde mit einer nicht mehr existierenden Synagoge gegenüber der heutigen '''[[Begegnungsstätte Kleine Synagoge]]''' hinter dem Rathaus verschwand endgültig 1458 aus der Stadt. |
Version vom 21. Dezember 2020, 07:15 Uhr
Jüdisches Erbe in Erfurt
Erfurt verfügt über ein bedeutendes jüdisches Erbe um die Alte Synagoge, das 2022 auf die UNESCO-Welterbeliste gelangen könnte.
In Erfurt gab es seit dem 11. Jahrhundert eine der größten jüdischen Gemeinden im Reich. Hiervor zeugt die Alte Synagoge, die älteste bis unters Dach erhaltene Synagoge Mitteleuropas. Noch heute sind alle für eine Gemeinde nötigen Einrichtungen nachvollziehbar: Neben der außergewöhnlich großen und schmuckvollen Synagoge besonders eine Mikwe (Ritualbad) nördlich der Krämerbrücke und ein Friedhof neben dem großen Kornspeicher in der Ackerhofgasse. Neuere Forschungen konnten ein klar umgrenztes jüdisches Wohnquartier von der Michaeliskirche bis zum Bereich östlich des Rathauses rekonstruieren. Juden lebten hier über Jahrhunderte Haus an Haus mit Christen.
Die Außenseiterstellung der Juden gipfelte jedoch im blutigen Pogrom von 1349, der vermutlich die gesamte Gemeinde auslöschte. Die Synagoge wurde fortan für verschiedenste Zwecke genutzt und geriet in Vergessenheit. Eine wenig später neu angesiedelte Gemeinde mit einer nicht mehr existierenden Synagoge gegenüber der heutigen Begegnungsstätte Kleine Synagoge hinter dem Rathaus verschwand endgültig 1458 aus der Stadt.
Erst um 1800 kamen wieder Juden nach Erfurt, die sich allmählich auch in die bürgerliche Führungsschicht herauf arbeiteten, wie die Gartenbauunternehmer Benary. Sie schuf sich zunächst die Kleine Synagoge als Gotteshaus, ehe der prächtige Neubau am heutigen Juri-Gagarin-Ring 1884 errichtet wurde. In der Cyriakstraße entstand 1811 der Alte jüdische Friedhof, dem 1878 der bis heute bestehende Neue jüdische Friedhof neben der Thüringenhalle folgte. Erneut wurden das jüdische Leben im Dritten Reich 1933-1945 nahezu völlig vernichtet (Denknadeln) und 1938 während der Reichspogromnacht die Große Synagoge zerstört.
Nach 1945 fasste wieder eine jüdische Gemeinde Fuß und errichtete 1952 die Neue Synagoge. Nach 1989 kamen viele jüdische Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion nach Erfurt. Die Stadt Erfurt bekennt sich zu ihrer jüdischen Geschichte. Diese verfügt mit der seit 2009 museal genutzten Alten Synagoge mit dem „Erfurter Schatz“ (Foto: TLDA, jüdischer Hochzeitsring) sowie der 2011 rekonstruierten Mikwe über international viel beachtete Kulturdenkmale. Darüber hinaus stellt die umfassend erhaltene Struktur der mittelalterlichen Gemeinde eine Besonderheit dar. Mit diesem einzigartigen Erbe gelangte Erfurt 2014 auf die deutsche Vorschlagsliste zum UNESCO-Welterbe und kann diesen Status ab 2022 verliehen bekommen. Der Erfurter Synagogenabend, veranstaltet vom Erfurter Geschichtsverein und der Stadt Erfurt, gehört heute zu den beliebten Veranstaltungreihen in Erfurt.
Siehe auch: Jüdisch-mittelalterliches Erbe Erfurt, UNESCO-Welterbe in Erfurt, Antisemitismus in Erfurt
Aktuelles: Jüdisches Erbe ist präsent
Historiker Dr. Steffen Raßloff widerspricht Kulturdezernent Dr. Tobias J. Knoblich, das jüdische Erbe werde bisher in der Stadtgeschichtsschreibung ungenügend dargestellt.
Sicher teilen die meisten Erfurter Geschichtsfreunde den Stolz der Verantwortlichen, dass die Bewerbung des mittelalterlichen jüdischen Erbes um die Alte Synagoge nunmehr auf dem Wege zur UNESCO ist (siehe TA vom 16.12.2020). Allen voran Dr. Maria Stürzebecher und Dr. Karin Sczech haben hierbei hervorragende Arbeit geleistet. Jetzt gilt es die Daumen zu drücken, dass Erfurt 2022 tatsächlich zur Weltkulturerbestätte erhoben wird. In einem Punkt ist Kulturdezernent Dr. Tobias J. Knoblich jedoch klar zu widersprechen. Die Behauptung, dass es „in der lokalen Geschichtsschreibung noch viel zu lückenhaft dargestellt“ werde, ist schlicht falsch und gegenüber deren Akteuren respektlos. Der Erfurter Geschichtsverein hat sich des Themas mit zahlreichen Aktivitäten angenommen. 2009 hat er die Erfurter Synagogenabende gemeinsam mit der Kulturverwaltung aus der Taufe gehoben. Viele der Autoren zum jüdischen Erbe gehören dem Verein an, ihre Publikationen wurden dort vorgestellt und in der Vereinszeitschrift rezensiert. Schließlich möchte ich auch persönlich die Behauptung zurückweisen. In meiner Geschichte der Stadt Erfurt wird das jüdische Erbe ausführlich behandelt und ganz im Sinne des UNESCO-Antrags hervorgehoben. Die populärwissenschaftliche Kleine Geschichte der Stadt Erfurt hebt es sogar durch ein eigenes Kapitel hervor. Das Thema ist also in der lokalen Geschichtsschreibung durchaus präsent. Dank der vielen Publikationen führender Wissenschaftler, die von der Stadtgeschichtsforschung aufgenommen und popularisiert wurden, darf es sogar als eines der präsentesten gelten. Dies sollte im Sinne einer erfolgreichen Bewerbung von den verantwortlichen Kulturpolitikern so auch öffentlich kommuniziert werden.
Dr. Steffen Raßloff in Thüringer Allgemeine/Thüringische Landeszeitung vom 19.12.2020