Johann Christian Kittel
Johann Christian Kittel
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (07.09.2013)
Bachs letzter Schüler
DENKMALE IN ERFURT (114): Johann Christian Kittel wirkte als angesehener Organist und Musiklehrer über Jahrzehnte in Erfurt.
Die Orgel war sein Instrument, Johann Sebastian Bach sein großes Vorbild. Der in Erfurt geborene Organist und Komponist Johann Christian Kittel (1732-1809) gehörte zu den letzten bedeutenden Schülern des Leipziger Altmeisters und widmete seine Tätigkeit über Jahrzehnte seiner Heimatstadt Erfurt. In der Marktstraße 26 nahe dem Domplatz erinnert das Geburtshaus Kittels an den verdienstvollen Musiker. Den sanierten Fachwerkbau ziert eine der hellen Gedenktafeln. Kittel war Sohn des evangelischen Strumpffabrikanten Johann Salomon Kittel und erhielt eine gediegene Schulbildung. Er besuchte zunächst die Predigerschule, dann das Evangelische Ratsgymnasium. Seine erste musikalische Ausbildung könnte er von dem Erfurter Musiker Jakob Adlung bekommen haben. Dieser wirkte als Organist an der Predigerkirche sowie Lehrer am Ratsgymnasium und an der Universität.
Der entscheidende Schritt erfolgte 1748 mit der Aufnahme des 16-jährigen als Schüler bei Johann Sebastian Bach in Leipzig. Als gelehriger Eleve durfte er Bach mehrfach bei Aufführungen begleiten. Nach Bachs Tod 1750 zog Kittel als Lehrer und Organist nach Langensalza. 1756 kehrte er in seine Vaterstadt zurück. Zunächst an der Barfüßerkirche tätig, rückte Kittel bald zum „hochberühmten Organisten der Erfurter Rats- und Predigerkirche“ auf. Dort stand er in der Nachfolge solch renommierter Kollegen wie Johann Pachelbel, Johann Heinrich Buttstedt und seines mutmaßlichen Lehrers Adlung. Sein Ruf verbreitete sich jetzt weit über Erfurt hinaus. Kittels Konzerte wurden auch von Goethe, Herder und Wieland geschätzt. Schüler kamen aus ganz Deutschland zu „Bachs letztem Schüler“, der besonderen Wert auf das Orgelspiel und dessen Rolle im Gottesdienst legte. Anregungen holte sich Kittel auch bei seinen geschätzten Zeitgenossen Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart.
Der bedeutendste unter Kittels Schülern neben dessen Nachfolger an der Predigerkirche Michael Gotthard Fischer war wohl Johann Wilhelm Häßler. Der Neffe Kittels wirkte zunächst auch in Erfurt, startete dann aber eine internationale Karriere. Nach zahlreichen Konzertreisen durch Europa, bei denen er in London gemeinsam mit Joseph Haydn spielte, zog es Häßler nach Russland. Zarin Katharina die Große ernannte ihn 1793 sogar zum Hofkapellmeister, wie die jüngst verstorbene verdienstvolle Musikforscherin Helga Brück in ihrer Häßler-Biografie zu berichten weiß. Nach erfülltem Berufsleben starb Häßler 1822 in Moskau. Lehrer und Schüler sind im Übrigen heute wieder im Süden der Stadt vereint. Von der Melchendorfer Straße zweigen sowohl eine Häßlerstraße, als auch eine Christian-Kittel-Straße ab. Dies darf man als weitere Würdigung eines wichtigen Kapitels Erfurter Musikgeschichte einordnen. (Fotos: Alexander Raßloff)
Lesetipps:
Steffen Raßloff: Die Stadt der "Bache". Johann Sebastian Bach und Erfurt. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 58 f.
Helga Brück: Von der Apfelstädt und der Gera zum Missouri. 500 Jahre Thüringer Musikerfamilie Bach. Erfurt 2008.
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Bach und Erfurt, Johann Wilhelm Häßler