Ende der Preußenzeit 1945

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Ende der Preußenzeit 1945

Beitrag der TA-Serie 70 Jahre Kriegsende 1945 von Dr. Steffen Raßloff (28.02.2015)


Das Ende der Preußen-Zeit

70 Jahre Kriegsende (9): 130 Jahre nach dem Wiener Kongress endete 1945 auch die Zugehörigkeit Erfurts zu Preußen.


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Das Ende des Zweiten Weltkriegs brachte für Erfurt auch eine markante Zäsur in seiner staatlichen Zugehörigkeit. Seit 1802 bzw. endgültig seit dem Wiener Kongress 1815 hatte die Stadt zum Königreich Preußen gehört. Jener erste große europäische Friedenskongress, dessen Abschluss sich 2015 zum 200. Mal jährt, sah die Hohenzollern-Monarchie als Gewinner. Sie ersteckte sich jetzt als deutsche Hegemonialmacht vom Rheinland bis nach Ostpreußen. Viele Erfurter sahen sich hierbei nach anfänglicher Skepsis als Teil einer Erfolgsgeschichte, die sie ebenso wie die prosperierende Wirtschaftsentwicklung zu überzeugten Borussen werden ließ. Unter Otto von Bismarck gelang in drei „Reichseinigungskriegen“ die Gründung des Kaiserreiches von 1871 mit dem preußischen König als Kaiser. Der „Eiserne Kanzler“, dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr ebenfalls ansteht, stieg zur nationalen Symbolfigur auf. Ihm sind in Erfurt der Bismarckturm im Steiger und ein Denkmal am Haus Anger 33 gewidmet.

Die alte „Preußentreue“ der Erfurter hielt über den verlorenen Ersten Weltkrieg und das Ende der Monarchie 1918 hinaus. Sie verhinderte zusammen mit der ablehnenden Haltung der preußischen Regierung den Anschluss des Regierungsbezirkes Erfurt an den 1920 gegründeten Freistaat Thüringen mit der Hauptstadt Weimar. Dieser war aus den acht ehemaligen Kleinstaaten der Wettiner, Schwarzburger und Reußen hervorgegangen. Führende Köpfe des Erfurter Bürgertums, wie der Gymnasialdirektor und Vorsitzende des Geschichtsvereins Prof. Dr. Johannes Biereye, hatten sich nachdrücklich für den Verbleibt bei Preußen ausgesprochen. Hierbei spielte neben der historisch-ideellen Verbundenheit auch die schwierige Wirtschaftslage nach dem Krieg eine Rolle, die man am ehesten in einem großen und starken Preußen zu überwinden hoffte.

Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 strebte NSDAP-Gauleiter Fritz Sauckel in Weimar die Einigung Thüringens unter seiner Herrschaft an. Über viele Zwischenschritte schwang er sich durch einen Führererlass 1944 auch zum Oberpräsidenten von Erfurt auf. Aber zumindest verfassungsrechtlich blieb Erfurt bis zum Kriegsende eine preußische Stadt. Erst 1945 entstand unter Besatzungsherrschaft erstmals ein Land Thüringen in etwa der heutigen Ausdehnung, dessen Hauptstadtrolle Erfurt von Weimar übernahm. Die offizielle Auflösung Preußens durch Alliiertes Kontrollratsgesetz vom 25. Februar 1947 war nur noch eine Formsache. 1952 wurde das Land Thüringen in der DDR jedoch bereits wieder zugunsten der Bezirke Erfurt, Gera und Suhl aufgelöst. Vor 25 Jahren rückte Erfurt schließlich mit der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 zur Hauptstadt des Bundeslandes Thüringen auf, das sich seit Verabschiedung seiner Verfassung 1993 Freistaat nennt. (Foto: Landtags-Altbau, 1939-45 letzter Sitz der preußischen Regierungspräsidenten von Erfurt, Stadtarchiv Erfurt)


Lesetipps:

Steffen Raßloff: Unterm mächtigen Zollernhaus. Das preußische Erfurt. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 68 f.

Steffen Raßloff: Landesbewusstsein und Geschichtsbild im preußischen Thüringen. Das Erfurter Bürgertum 1871-1918. In: Mathias Werner (Hg.): Im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik. 150 Jahre Landesgeschichtsforschung in Thüringen. Köln/Weimar/Wien 2005. S. 45-64.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurt im Nationalsozialismus, Erfurt und Preußen