Bartholomäusturm Erfurt

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Bartholomäusturm

Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (09.02.2013)


Denkmal des Mittelalters

DENKMALE IN ERFURT (84): Der Bartholomäusturm gehört zu den letzten gotischen Baudenkmalen am Anger.


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Der Anger wird seit gut 100 Jahren von den reich geschmückten Wohn- und Geschäftshäusern der Gründerzeit geprägt. Durch den Historismus mit seinen zahlreichen Entlehnungen aus allen möglichen Architektur-Epochen hat die heutige Fußgängerzone nahezu völlig ihr einstiges mittelalterliches Gesicht verloren. Neben Ursulinenkloster und Kaufmannskirche am Ostende des Angers hebt sich nur noch ein gotisches Bauwerk aus dieser Umgebung heraus. Es ist der Bartholomäusturm, dem im Laufe der Zeit die Kirche abhanden gekommen ist. Die ehemalige Bartholomäuskirche geht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Mit der Reformation verlor sie ihre Gemeinde und musste wenig später wegen Baufälligkeit geschlossen werden. 1715 riss man die letzten Mauerreste ab, erhalten blieb nur der ab 1412 errichtete Turm. Beim Einmarsch der amerikanischen Truppen im April 1945 erhielt dieser einen Artillerietreffer.

Das sollte einige Monate später noch tragische Folgen haben. Im Dezember 1945 stürzte die beschädigte Turmhaube aus 35 Metern Höhe auf den Anger, wobei ein Passant ums Leben kam. Lange Zeit fristete das danach notdürftig gesicherte Bauwerk ein Schattendasein. Seit 1972 gab es dann Pläne, den zunehmend baufälligen Turm museal zu nutzen. 1977 beschloss der Rat der Stadt jedoch den Einbau eines Carillons, dessen Finanzierung das DDR-Kulturministerium übernahm. Der Einbau des Glockenspiels und die Übertragung an die städtischen Museen 1979 stellen die letzte Zäsur in der Geschichte des Turmes dar. Das größte Glockenspiel der DDR war eines der Prestigeobjekte der SED-Bezirksleitung und sollte den Anger aufwerten.

Nach der friedlichen Revolution 1989/90 kam der Turm als Außenobjekt zum Stadtmuseum Erfurt. 1992 erhielt er auch wieder einen hohen gotischen Helm. Im vergangenen Jahr hat das Stadtmuseum mit einer Festwoche und zahlreichen Konzerten an das 600. Jubiläum des Baubeginns erinnert. Zuvor konnten durch eine große Spendenaktion des Fördervereins Stadtmuseum Erfurt der 49 Meter hohe Turm und das Carillon saniert werden. Große Informationstafeln im Treppenaufgang erläutern seither die wechselvolle Geschichte von Kirche, Turm und Glockenspiel (Gestaltung: Albrecht von Kirchbach, Texte: Dr. Steffen Raßloff, Tim Erthel und Ulrich Seidel). Eine Informationstafel des Museums an der Außenfassade erläutert die Geschichte dieses letzten Baudenkmals aus dem Mittelalter am westlichen Anger. Sie ergänzt die für den heutigen Betrachter nur noch schwer zu entziffernde historische Inschrift über dem Erdgeschossfenster, die auf den Baubeginn 1412 hinweist. (Foto: Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Steffen Raßloff: 30 Jahre Carillon im Bartholomäusturm. Ein Kapitel Erfurter Kulturgeschichte. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 71 (2010). S. 149-162.

Steffen Raßloff (Hg.): Stadtmuseum "Haus zum Stockfisch". Stadt - Haus - Geschichte. Erfurt 2024.

Steffen Raßloff: Die Erfurter Museen. Kulturgeschichte im Spannungsfeld von Gesellschaft und Politik. In: Stadt und Geschichte 18 (2003). S. 24 f.


Siehe auch: Geschichte Bartholomäusturm, Carillon, Museen in Erfurt, Stadtmuseum Erfurt, Anger