Schwarzes Loch zwischen Kosmos und Universum?: Unterschied zwischen den Versionen

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Offener Brief an den Oberbürgermeister und die Erfurter Stadträte
'''Erfurts historisch-museale Erinnerungskultur verliert zwischen Weimar und Gotha immer mehr an Strahlkraft.'''




Schwarzes Loch zwischen Kosmos und Universum?
[[Datei:StockfischDenkmale3.jpg|300px|rechts]]Thüringen vermarktet sich gerne als „Land der Residenzen“. Fürstlicher Repräsentationsgeist bescherte dem heutigen Freistaat Schlösser, Parks, Museen, Bibliotheken und Theater in einmaliger Dichte, machte es zum Synonym des Landes der Dichter und Denker. Hiervon zeugt auch die jüngst eröffnete Landesausstellung „Die Ernestiner. Eine Dynastie prägt Europa“ in Weimar und Gotha.


Die Erfurter Museen drohen im Kulturland Thüringen in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.
Die opulente Schau untermauert noch einmal die Konzentration auf die Residenzgeschichte in Thüringen. Das zeigt sich gerade an den Landesausstellungen, mit denen sich der Freistaat am aufwändigsten präsentiert. Nur die erste Schau „Der junge Bach“ fand 2000 in Erfurt statt. Die fünf Ausstellungen seither widmeten sich den einstigen Herrschern und ihren kulturellen Leistungen: 2004 „Land der Residenzen“ (Sondershausen), 2007 „Elisabeth von Thüringen“ (Eisenach/Wartburg), 2011 „Franz Liszt“ (Weimar), 2015 „Cranach in Thüringen“ (mehrere Orte), 2016 „Die Ernestiner“ (Weimar und Gotha).
 
Was bedeutet das für die Landeshauptstadt? Diese Frage scheint auch mit Blick auf die gerade in Erfurt stattfindende Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes angebracht. Als Nichtresidenz fällt Erfurt durch das beherrschende Raster. Antwort hierauf kann es nur sein, das historische Profil des traditionellen Zentralortes, der Mittelaltermetropole und Universitätsstadt, der Blumenstadt und ersten modernen Großstadt des Landes immer wieder zu schärfen. Lange Zeit hat man dies etwa mit den kulturellen Jahresthemen sowie großen Sonderausstellungen im Stadtmuseum (Foto: Alexander Raßloff), Volkskundemuseum und Angermuseum mit Erfolg getan.  


Die Landeshauptstadt Thüringens ist eine Stadt voller Geschichte. Größtes historisches Pfund sind die Lutherstätten, die Erfurt sogar 2017 auf die UNESCO-Welterbeliste bringen können. Deshalb hatte man sich auch im Kulturkonzept von 2013 vorgenommen, das 500. Reformationsjubiläum zu nutzen, „um die Verbindung Martin Luthers mit der Stadt Erfurt national und international dauerhaft nachhaltig zu etablieren“. Das Jubiläumsprogramm fällt freilich weit hinter diesen Anspruch zurück. Nicht zuletzt auf nachhaltige Investitionen und anspruchsvolle Ausstellungen in den Museen wird ausdrücklich verzichtet.  
Seit einigen Jahren jedoch tritt die historische Erinnerungskultur – auch, aber keineswegs nur wegen der finanziellen Lage – zunehmend in den Hintergrund. Großes Potenzial und eine einzigartige Geschichtslandschaft treten damit in Kontrast zum immer bescheideneren Ausstellungs- und Veranstaltungsangebot. Heftig umstrittener Höhepunkt dieser Entwicklung ist die Vorbereitung auf das 500. Reformationsjubiläum 2017. Die bedeutendste Lutherstadt neben Wittenberg, die mit dem Augustinerkloster sogar auf die UNESCO-Welterbeliste gelangen könnte, wird deutlich hinter die „Konkurrenz“ zurückfallen.
Jene Entwicklung bleibt natürlich nicht ohne Folgen für die historisch-museale Ausstrahlung Erfurts. Mit Blick auf die aktuelle Landesausstellung scheint es buchstäblich im „schwarzen Loch“ zwischen klassischem „Kosmos Weimar“ und „Barockem Universum Gotha“ zu verschwinden. Dies droht zum Dauerzustand werden. Denn die beiden hellen Fixpunkte im „Land der Residenzen“ werden mit Millionenaufwand noch weiter an Strahlkraft gewinnen, während in Erfurt Vergleichbares nicht abzusehen ist.  


Darüber hinaus drohen die Erfurter Museen generell in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Sie werden im Kulturland Thüringen immer heller überstrahlt vom „Kosmos Weimar“ und „Barocken Universum Gotha“. Besonders deutlich dürfte dies schon in wenigen Wochen wieder mit der Landesausstellung zur glanzvollen Dynastie der Ernestiner werden. Sicher ist es schwer, sich gegen die Stiftungs-Museen der einstigen Residenzen zu behaupten, die in den kommenden Jahren mit Millionenaufwand an Strahlkraft noch gewinnen. Aber diese Lage wird zusätzlich verschärft, indem die Erfurter Museen längst keine spektakulären Ausstellungen mehr zeigen und kaum noch investieren können.    
'''''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''', Historiker und Vorsitzender des Fördervereins Stadtmuseum Erfurt (Thüringer Allgemeine/Thüringische Landeszeitung vom 11.05.2016)''


Der Notruf des Direktors der Erfurter Kunstmuseen, dass das gesamte Programm für 2016 gefährdet sei, hat eine weitere Zuspitzung ans Licht gebracht. Der Kulturausschuss des Stadtrates musste am 17. März 2016 frustriert zur Kenntnis nehmen, dass mangels regulären Haushalts keine „freiwilligen“ Kulturleistungen mehr verfügbar sind. Dieser Situation fallen auf nicht absehbare Zeit auch alle Sonderausstellungen zum Opfer. Sollte sich diese dramatische Abwärtsspirale fortsetzen, verschwinden die Erfurter Museen endgültig im schwarzen Loch zwischen Weimarer Kosmos und Gothaer Universum. Auch das widerspricht dem Kulturkonzept mit seiner Zielstellung, „Erfurt neben einer musealen Stadt auch zu einer umfassend akzeptierten Stadt lebendiger Museen“ werden zu lassen. 


Erfurt, den 20. März 2016    '''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]'''
'''>''' '''[[Thueringer_Kulturtuete|Kritik an Erfurter Kulturpolitik]]''', '''[[Museen in Erfurt]]''', '''[[Stadtmuseum Erfurt|Förderverein Stadtmuseum Erfurt]]''', '''[[500._Reformationsjubilaeum_Luther_2017|500. Reformationsjubiläum 2017]]'''
 
 
Reaktionen auf die Lage der Erfurter Museen
 
'''>''' '''[http://www.tlz.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Gesamtes-Ausstellungsprogramm-der-Erfurter-Kunstmuseen-gefaehrdet-1172110149 Gesamtes Ausstellungsprogramm der Erfurter Kunstmuseen gefährdet]''' (Thüringische Landeszeitung vom 03.03.2016)
 
'''>''' '''[http://miplotex.de/2016/03/erfurt-stadtrat-kultur-krise/ Diktat der Bürokratie über die Politik]''' (Miplotex, 18.03.2016)

Aktuelle Version vom 29. November 2018, 13:22 Uhr

Schwarzes Loch zwischen Kosmos und Universum?

Erfurts historisch-museale Erinnerungskultur verliert zwischen Weimar und Gotha immer mehr an Strahlkraft.


StockfischDenkmale3.jpg

Thüringen vermarktet sich gerne als „Land der Residenzen“. Fürstlicher Repräsentationsgeist bescherte dem heutigen Freistaat Schlösser, Parks, Museen, Bibliotheken und Theater in einmaliger Dichte, machte es zum Synonym des Landes der Dichter und Denker. Hiervon zeugt auch die jüngst eröffnete Landesausstellung „Die Ernestiner. Eine Dynastie prägt Europa“ in Weimar und Gotha.

Die opulente Schau untermauert noch einmal die Konzentration auf die Residenzgeschichte in Thüringen. Das zeigt sich gerade an den Landesausstellungen, mit denen sich der Freistaat am aufwändigsten präsentiert. Nur die erste Schau „Der junge Bach“ fand 2000 in Erfurt statt. Die fünf Ausstellungen seither widmeten sich den einstigen Herrschern und ihren kulturellen Leistungen: 2004 „Land der Residenzen“ (Sondershausen), 2007 „Elisabeth von Thüringen“ (Eisenach/Wartburg), 2011 „Franz Liszt“ (Weimar), 2015 „Cranach in Thüringen“ (mehrere Orte), 2016 „Die Ernestiner“ (Weimar und Gotha).

Was bedeutet das für die Landeshauptstadt? Diese Frage scheint auch mit Blick auf die gerade in Erfurt stattfindende Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes angebracht. Als Nichtresidenz fällt Erfurt durch das beherrschende Raster. Antwort hierauf kann es nur sein, das historische Profil des traditionellen Zentralortes, der Mittelaltermetropole und Universitätsstadt, der Blumenstadt und ersten modernen Großstadt des Landes immer wieder zu schärfen. Lange Zeit hat man dies etwa mit den kulturellen Jahresthemen sowie großen Sonderausstellungen im Stadtmuseum (Foto: Alexander Raßloff), Volkskundemuseum und Angermuseum mit Erfolg getan.

Seit einigen Jahren jedoch tritt die historische Erinnerungskultur – auch, aber keineswegs nur wegen der finanziellen Lage – zunehmend in den Hintergrund. Großes Potenzial und eine einzigartige Geschichtslandschaft treten damit in Kontrast zum immer bescheideneren Ausstellungs- und Veranstaltungsangebot. Heftig umstrittener Höhepunkt dieser Entwicklung ist die Vorbereitung auf das 500. Reformationsjubiläum 2017. Die bedeutendste Lutherstadt neben Wittenberg, die mit dem Augustinerkloster sogar auf die UNESCO-Welterbeliste gelangen könnte, wird deutlich hinter die „Konkurrenz“ zurückfallen.

Jene Entwicklung bleibt natürlich nicht ohne Folgen für die historisch-museale Ausstrahlung Erfurts. Mit Blick auf die aktuelle Landesausstellung scheint es buchstäblich im „schwarzen Loch“ zwischen klassischem „Kosmos Weimar“ und „Barockem Universum Gotha“ zu verschwinden. Dies droht zum Dauerzustand werden. Denn die beiden hellen Fixpunkte im „Land der Residenzen“ werden mit Millionenaufwand noch weiter an Strahlkraft gewinnen, während in Erfurt Vergleichbares nicht abzusehen ist.

Dr. Steffen Raßloff, Historiker und Vorsitzender des Fördervereins Stadtmuseum Erfurt (Thüringer Allgemeine/Thüringische Landeszeitung vom 11.05.2016)


> Kritik an Erfurter Kulturpolitik, Museen in Erfurt, Förderverein Stadtmuseum Erfurt, 500. Reformationsjubiläum 2017