Feldpostbriefe Erster Weltkrieg Gerhart Nauhaus: Unterschied zwischen den Versionen

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Am 12. Juni 1915 erhielt Frieda Nauhaus aus der Nordhäuser Straße die amtliche Nachricht vom Tode ihres Sohnes Gerhart Nauhaus. Auf der vorgedruckten Feldpostkarte der 3. Kompanie des Reserve-Infanterieregimentes 224 stand zu lesen: „Die Kompanie erfüllt hiermit die traurige Pflicht, Ihnen mitzuteilen, daß Ihr Sohn, der Unteroffizier Gerhardt Nauhaus, am 27. Mai 1915 beim Sturm auf Dolina/Galizien (in der heutigen Ukraine) gefallen ist. Er starb den Heldentod fürs Vaterland!“ Für die Mutter dürfte der letzte Satz trotz ihrer weiteren sechs Söhne und einer Tochter wenig tröstlich gewesen sein. Unzählige Angehörige – Eltern, Ehefrauen, Geschwister – traf während jener „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ das gleiche Schicksal. 17 Millionen gefallene Soldaten, darunter zwei Millionen Deutsche, standen am Ende des Ersten Weltkrieges 1914/18 zu Buche. Gerhart Nauhaus zählte zu den 3579 Erfurtern, die laut offizieller Statistik den „Heldentod“ fanden.  
[[Datei:Nauhaus.jpg|310px|right]]Am 12. Juni 1915 erhielt Frieda Nauhaus aus der Nordhäuser Straße die amtliche Nachricht vom Tode ihres Sohnes Gerhart Nauhaus. Auf der vorgedruckten Feldpostkarte der 3. Kompanie des Reserve-Infanterieregimentes 224 stand zu lesen: „Die Kompanie erfüllt hiermit die traurige Pflicht, Ihnen mitzuteilen, daß Ihr Sohn, der Unteroffizier Gerhardt Nauhaus, am 27. Mai 1915 beim Sturm auf Dolina/Galizien (in der heutigen Ukraine) gefallen ist. Er starb den Heldentod fürs Vaterland!“ Für die Mutter dürfte der letzte Satz trotz ihrer weiteren sechs Söhne und einer Tochter wenig tröstlich gewesen sein. Unzählige Angehörige – Eltern, Ehefrauen, Geschwister – traf während jener „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ das gleiche Schicksal. 17 Millionen gefallene Soldaten, darunter zwei Millionen Deutsche, standen am Ende des Ersten Weltkrieges 1914/18 zu Buche. Gerhart Nauhaus zählte zu den 3579 Erfurtern, die laut offizieller Statistik den „Heldentod“ fanden.  


Die Angehörigen fanden später heraus, dass sich hinter jener heroischen Umschreibung ein schreckliches Ende verbarg. Auf freiem Gelände in russisches Maschinengewehrfeuer geraten, konnte der durch Brust- und Bauchschüsse schwer verwundete 21-Jährige nicht durch Sanitäter geborgen werden. Möglicherweise quälte er sich noch über Tage hinweg bei Bewusstsein im „Niemandsland“ zwischen den Frontlinien. Erst am 4. Juni eroberten die Deutschen Dolina und konnten die Toten bergen. Mit dem tragischen Schicksal des jungen Erfurters und seinen Kriegserlebnissen beschäftigt sich neben zahlreichen weiteren Beiträgen der jüngst erschienene Band 76 der „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt“. Auf rund 90 Seiten entsteht durch die dort abgedruckten Briefe an seine Familie ein lebendiges Bild des am 23. Mai 1894 geborenen Erfurters. Zu Papier gebracht und kommentiert hat sie sein Neffe Gerd Nauhaus.   
Die Angehörigen fanden später heraus, dass sich hinter jener heroischen Umschreibung ein schreckliches Ende verbarg. Auf freiem Gelände in russisches Maschinengewehrfeuer geraten, konnte der durch Brust- und Bauchschüsse schwer verwundete 21-Jährige nicht durch Sanitäter geborgen werden. Möglicherweise quälte er sich noch über Tage hinweg bei Bewusstsein im „Niemandsland“ zwischen den Frontlinien. Erst am 4. Juni eroberten die Deutschen Dolina und konnten die Toten bergen. Mit dem tragischen Schicksal des jungen Erfurters und seinen Kriegserlebnissen beschäftigt sich neben zahlreichen weiteren Beiträgen der jüngst erschienene Band 76 der „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt“. Auf rund 90 Seiten entsteht durch die dort abgedruckten Briefe an seine Familie ein lebendiges Bild des am 23. Mai 1894 geborenen Erfurters. Zu Papier gebracht und kommentiert hat sie sein Neffe Gerd Nauhaus.   


Der angehende Pädagoge Gerhart Nauhaus hatte das Lehrseminar in der Regierungsstraße besucht, die heutige Evangelische Grundschule. Am 12. August 1914 meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst, am 21. September brachten ihn seine Angehörigen mit einer großen Menschenmenge von der Cyriaksburg zum Güterbahnhof. Hier wurden die Soldaten auf Eisenbahnwaggons verladen und fuhren Richtung Westen einem vermeintlich kurzen und siegreichen Feldzug entgegen. Nauhaus zog keineswegs euphorisch in jenen „Großen Krieg“ und reflektierte als gläubiger Christ immer wieder dessen schreckliche Seiten. Aber er sah auch wie viele seiner Zeitgenossen „das Vaterland in Gefahr“ und glaubte es verteidigen zu müssen. Anrührend ist die tiefe familiäre Verbundenheit, etwa die Freude über die vielen Briefe aus der Erfurter Heimat. Man erfährt zahlreiche Details über das Soldatenleben, dem sich der robuste naturverbundene junge Mann bis zuletzt gewachsen zeigte. An der West- und Ostfront im Einsatz, berichtet er über die teils unglaublichen Strapazen und Entbehrungen, aber auch über das kleine Glück von Ruhepausen, warmem Essen oder einer durchschlafenen Nacht.
Der angehende Pädagoge Gerhart Nauhaus hatte das Lehrseminar in der Regierungsstraße besucht, die heutige Evangelische Grundschule. Am 12. August 1914 meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst, am 21. September brachten ihn seine Angehörigen mit einer großen Menschenmenge von der Cyriaksburg zum Güterbahnhof. Hier wurden die Soldaten auf Eisenbahnwaggons verladen und fuhren Richtung Westen einem vermeintlich kurzen und siegreichen Feldzug entgegen. Nauhaus zog keineswegs euphorisch in jenen „Großen Krieg“ und reflektierte als gläubiger Christ immer wieder dessen schreckliche Seiten. Aber er sah auch wie viele seiner Zeitgenossen „das Vaterland in Gefahr“ und glaubte es verteidigen zu müssen. Anrührend ist die tiefe familiäre Verbundenheit, etwa die Freude über die vielen Briefe aus der Erfurter Heimat. Man erfährt zahlreiche Details über das Soldatenleben, dem sich der robuste naturverbundene junge Mann bis zuletzt gewachsen zeigte. An der West- und Ostfront im Einsatz, berichtet er über die teils unglaublichen Strapazen und Entbehrungen, aber auch über das kleine Glück von Ruhepausen, warmem Essen oder einer durchschlafenen Nacht. (Foto: Archiv Nauhaus)


('''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''' in Thüringer Allgemeine vom 27.05.2015)
''('''[[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]]''' in Thüringer Allgemeine vom 27.05.2015)''




Siehe auch: '''[[Erster Weltkrieg|Erfurt im Ersten Weltkrieg]]'''
'''Gerd Nauhaus (Hg.): "Unser Vaterland ist in Gefahr". Briefe aus dem Ersten Weltkrieg von Gerhart Nauhaus (1894–1915).''' In: '''[[Publikationen_des_Erfurter_Geschichtsvereins|Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt]]''' 76 (2015). S. 289-375.
 
 
Siehe auch: '''[[Erster Weltkrieg|Erfurt im Ersten Weltkrieg]]''', '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]'''

Aktuelle Version vom 2. Oktober 2022, 08:41 Uhr

Feldpostbriefe von Gerhart Nauhaus

„Er starb den Heldentod fürs Vaterland!“

Vor 100 Jahren fiel ein junger Erfurter Soldat im Ersten Weltkrieg, dessen Briefe aus dem Felde jetzt vom Geschichtsverein veröffentlicht wurden.


Nauhaus.jpg

Am 12. Juni 1915 erhielt Frieda Nauhaus aus der Nordhäuser Straße die amtliche Nachricht vom Tode ihres Sohnes Gerhart Nauhaus. Auf der vorgedruckten Feldpostkarte der 3. Kompanie des Reserve-Infanterieregimentes 224 stand zu lesen: „Die Kompanie erfüllt hiermit die traurige Pflicht, Ihnen mitzuteilen, daß Ihr Sohn, der Unteroffizier Gerhardt Nauhaus, am 27. Mai 1915 beim Sturm auf Dolina/Galizien (in der heutigen Ukraine) gefallen ist. Er starb den Heldentod fürs Vaterland!“ Für die Mutter dürfte der letzte Satz trotz ihrer weiteren sechs Söhne und einer Tochter wenig tröstlich gewesen sein. Unzählige Angehörige – Eltern, Ehefrauen, Geschwister – traf während jener „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ das gleiche Schicksal. 17 Millionen gefallene Soldaten, darunter zwei Millionen Deutsche, standen am Ende des Ersten Weltkrieges 1914/18 zu Buche. Gerhart Nauhaus zählte zu den 3579 Erfurtern, die laut offizieller Statistik den „Heldentod“ fanden.

Die Angehörigen fanden später heraus, dass sich hinter jener heroischen Umschreibung ein schreckliches Ende verbarg. Auf freiem Gelände in russisches Maschinengewehrfeuer geraten, konnte der durch Brust- und Bauchschüsse schwer verwundete 21-Jährige nicht durch Sanitäter geborgen werden. Möglicherweise quälte er sich noch über Tage hinweg bei Bewusstsein im „Niemandsland“ zwischen den Frontlinien. Erst am 4. Juni eroberten die Deutschen Dolina und konnten die Toten bergen. Mit dem tragischen Schicksal des jungen Erfurters und seinen Kriegserlebnissen beschäftigt sich neben zahlreichen weiteren Beiträgen der jüngst erschienene Band 76 der „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt“. Auf rund 90 Seiten entsteht durch die dort abgedruckten Briefe an seine Familie ein lebendiges Bild des am 23. Mai 1894 geborenen Erfurters. Zu Papier gebracht und kommentiert hat sie sein Neffe Gerd Nauhaus.

Der angehende Pädagoge Gerhart Nauhaus hatte das Lehrseminar in der Regierungsstraße besucht, die heutige Evangelische Grundschule. Am 12. August 1914 meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst, am 21. September brachten ihn seine Angehörigen mit einer großen Menschenmenge von der Cyriaksburg zum Güterbahnhof. Hier wurden die Soldaten auf Eisenbahnwaggons verladen und fuhren Richtung Westen einem vermeintlich kurzen und siegreichen Feldzug entgegen. Nauhaus zog keineswegs euphorisch in jenen „Großen Krieg“ und reflektierte als gläubiger Christ immer wieder dessen schreckliche Seiten. Aber er sah auch wie viele seiner Zeitgenossen „das Vaterland in Gefahr“ und glaubte es verteidigen zu müssen. Anrührend ist die tiefe familiäre Verbundenheit, etwa die Freude über die vielen Briefe aus der Erfurter Heimat. Man erfährt zahlreiche Details über das Soldatenleben, dem sich der robuste naturverbundene junge Mann bis zuletzt gewachsen zeigte. An der West- und Ostfront im Einsatz, berichtet er über die teils unglaublichen Strapazen und Entbehrungen, aber auch über das kleine Glück von Ruhepausen, warmem Essen oder einer durchschlafenen Nacht. (Foto: Archiv Nauhaus)

(Dr. Steffen Raßloff in Thüringer Allgemeine vom 27.05.2015)


Gerd Nauhaus (Hg.): "Unser Vaterland ist in Gefahr". Briefe aus dem Ersten Weltkrieg von Gerhart Nauhaus (1894–1915). In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 76 (2015). S. 289-375.


Siehe auch: Erfurt im Ersten Weltkrieg, Geschichte der Stadt Erfurt