Serie Denkmale in Erfurt
Denkmale in Erfurt
Ausgewählte Beiträge aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (2011/12)
Erfurter Denkmale
Erfurt besitzt eine vielgestaltige Denkmallandschaft. Vom Standbild à la Luther über diverse Denkmalbrunnen bis hin zum wuchtigen Bismarckturm reicht das Spektrum. Hinzu kommen moderne Installationen wie das Deserteurs-Denkmal sowie viele kleinere Büsten, Schrifttafeln und Gedenksteine.
Denkmale würdigen aber nicht nur historische Personen und Ereignisse. Sie spiegeln auch Selbstverständnis und Kunstgeschmack ihrer Entstehungszeit sowie deren Wandel. Der spätere Umgang mit ihnen verweist auf politische Umbruchprozesse.
Oft entzündeten sich um sie heftige Kontroversen, wie zuletzt um die Leuchtschrift auf dem Erfurter Hof. Unsere Denkmale sind damit Zeugen der Geschichte und Gegenwart. Sie zum sprechen zu bringen, hat sich die TA-Serie zum Ziel gesetzt.
Hier die Links zu den einzelnen Denkmalen:
Erthal Obelisk auf dem Domplatz
Willy Brandt Leuchtschrift auf dem Erfurter Hof
Deserteursdenkmal am Petersberg
Burenhaus in der Bahnhofstraße
Gedenktafel Schutzhaftlager in der Feldstraße
Meister Eckhart Denkmal Predigerkirche
Theo Neubauer Denkmal Universität
Johann Bartholomäus Trommsdorff Gedenktafel
Kriegerdenkmal am Hirschgarten
Gedenktafel Kriegsopfer Gispersleben
Buchenwaldblick auf dem egapark
Ernst Benary Denkmal
Römer auf dem Fischmarkt
Beitrag aus der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (2011)
An historischem Ort
DENKMALE IN ERFURT (24): Das Denkmal für Ernst Benary fand gut hundert Jahre nach der Stiftung der Grünanlage am Benaryplatz einen würdigen Rahmen.
Erfurt hat seine erfolgversprechende Bewerbung um die Bundesgartenschau 2021 nicht zuletzt dem Ruf als bedeutende Blumenstadt zu verdanken. Dessen Wurzeln liegen im 18. Jahrhundert und sind besonders mit dem Namen Christian Reichart verbunden. Den Höhepunkt als weltweites Zentrum des Gartenbaus erlangte die Stadt um 1900. Hierfür zeichneten die großen Unternehmen wie Haage, Schmidt, Chrestensen und Heinemann verantwortlich. Die Nummer 1 der Erfurter Gartenbauunternehmer in dieser Zeit aber war Ernst Benary.
Der am 10. November 1819 geborene Benary war Spross einer jüdischen Bankiersfamilie aus Kassel. Sein Vater Salomon hatte sich in Erfurt niedergelassen und 1824 trotz antisemitischer Vorbehalte das Bürgerrecht erkämpft. 1843 begründete Sohn Ernst Benary in Erfurt seine erste Kunst- und Handelsgärtnerei. 1847 ebenfalls mit dem Bürgerrecht versehen, spezialisierte er sich auf Anzucht und Verkauf von Blumen- sowie Gemüsesamen und entwickelte internationale Kontakte. Weltweit konnte die von ihm fast 50 Jahre geführte Firma den eigenen guten Ruf, aber auch Erfurts Anerkennung als maßgebende Lieferantin von Garten-Saatgut verbreiten. Ernst Benarys Söhne Friedrich und John sowie die Enkel vermochten das Unternehmen bis zur Enteignung 1952 erfolgreich fortzuführen. Jüngst hat Eberhard Czekalla die Firmengeschichte der Benarys im Buch „Blumenstadt Erfurt“ des Geschichtsvereins nachgezeichnet.
Ernst Benary hat selbst dazu beigetragen, dass sein Name bis heute im Stadtbild präsent ist. 1888 hatte der Firmengründer mehrere zwischen Bonifacius- und Friedensstraße liegende städtische Grundstücke gekauft. Die 5.700 m2 großen Flächen, eigentlich als lukratives Bauland vorgesehen, stiftete Benary testamentarisch der Stadt unter der Bedingung, sie für immer als öffentliche Erholungsstätte zu nutzen. Nach seinem Tode 1893 ließ die Stadt einen kleinen Gedenkstein errichten und den Platz 1896 nach Benary benennen. Nach mehreren Wechseln, 1936: Herbert Norkus, 1945: wieder Benary und 1953: Philipp Müller, sorgte die Stadtverwaltung 1991 dafür, den ursprünglichen Namen erneut einzusetzen. Das Garten- und Friedhofsamt ergänzte den um 1895 angelegten Bestand an Bäumen, Sträuchern und Stauden durch neue Kulturen. Am 26. Juni 2000 kam es schließlich zur feierlichen Einweihung eines Denkmals für den Kunstgärtner Ernst Benary. Rudolf Benary, der Urenkel des Geehrten, hielt die Einweihungsrede. Die beiden Steinstelen, gestaltet von dem Erfurter Bildhauer Lutz Hellmuth, symbolisieren den Gartenbau und würdigen den großen Unternehmer und gemeinnützigen Bürger Ernst Benary.
Denkmal städtischer Freiheit
DENKMALE IN ERFURT (26): Der Römer auf dem Fischmarkt symbolisierte einst die Autonomie Erfurts von seinem Mainzer Landesherrn.
Die Bürgerschaft der Stadt Erfurt hatte sich in der Mitte des 13. Jahrhunderts weitgehende Autonomie von ihrem Landesherrn erworben, dem Mainzer Erzbischof und Kurfürsten. Mit Blick auf die mittelalterliche Metropole mit eigenem Landgebiet sprach man sogar vom „Land Erfurt“. Ende des 15. Jahrhunderts geriet der Status einer „Quasi-Reichsstadt“ zwar erstmals ins Wanken, konnte aber über die Reformationszeit hinaus verteidigt werden. Es folgte sogar eine Spätblüte nicht zuletzt dank des wichtigen Waidhandels. Bis heute lässt diese sich an den prächtigen Bürgerhäusern am Fischmarkt ablesen.
In dieser Zeit entschloss sich der Erfurter Stadtrat, seine Macht noch einmal mit einem Ausrufezeichen im öffentlichen Raum zu versehen. Natürlich kam dafür nur der Fischmarkt in Frage, wo seit dem 13. Jahrhundert im Rathaus alle Machtfäden zusammen liefen. Am 6. November 1591 errichtete man einen römischen Krieger vor dem wenige Jahre zuvor vollendeten Haus „Zum breiten Herd“. Auf dessen Dach findet sich übrigens ein kleiner Gefährte des „Römers“, der allerdings eher wie ein Soldat des späten 16. Jahrhunderts aussieht. Erst 1886 rückte das Denkmal an seine heutige Stelle in der Platzmitte, da es den zunehmenden Verkehrsströmen samt Straßenbahn im Wege stand. Der Stadtrat hatte 1591 den renommierten Niederländer Israel von der Milla mit dem Auftrag bedacht. Die Figur war in Stein gehauen, farbig gefasst, vergoldet und auf eine Pyramide gesetzt. Im 18. Jahrhundert wurde letztere durch den hohen Pfeiler ersetzt.
Einst nannte man die Figur meist Römer, seit dem 18. Jahrhundert aber auch Roland oder Martin. Zwar stand hier früher neben einer ihm geweihten Kapelle eine Figur des heiligen Martin von Tours, der als Patron über das Mainzer Erzbistum wachte. Während des Bauernkrieges 1525 war dieses Mainzer Symbol aber auf Geheiß des Rates vom Sockel gestürzt worden. Der wenige Jahrzehnte später aufgestellte Römer diente dagegen ausdrücklich „zum Beweißtum ihrer Freyheit, so die Stadt von alten Zeiten her gehabt“. Er diente also als Zeichen der Unabhängigkeit von der Mainzer Herrschaft. Gerne hätte so mancher Mainzer den Römer nach der Unterwerfung der Stadt 1664 wieder umgerissen. Er blieb uns jedoch erfreulicher Weise erhalten und erinnert vor dem neuen Rathaus an die große Blütezeit des „Landes Erfurt“.