Wasserburg Kapellendorf
Wasserburg Kapellendorf
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (07.12.2013)
Denkmal einer großen Zeit
DENKMALE IN ERFURT (127): Die Wasserburg Kapellendorf steht für die mittelalterliche Blütezeit der Stadt Erfurt.
Wieso ist eine 40 Kilometer entfernte Wasserburg ein Denkmal Erfurter Stadtgeschichte? Die stolzen Mauern dieses einstigen Reichslehens beherbergen ein Burgmuseum, in dem hierüber Auskunft gegeben wird. Die Mittelaltermetropole Erfurt hatte mit Stotternheim 1269 beginnend ein großes Landgebiet aufgebaut. Dessen Rückgrat waren Burgen, die man meist von Adelsgeschlechtern erwarb. Und die wichtigste von allen war die Wasserburg Kapellendorf. Die 1348 von dem Grafen von Kirchberg erworbene Anlage besaß als östlicher Außenposten nahe der Straße zwischen Weimar und Jena große strategische Bedeutung. Sie galt aber auch deshalb als „Perle“ des Landgebietes, weil sie als Lehen des Kaisers Erfurts Quasi-Reichsstadtstatus festigte. So wurde der Stadtrat dank jener Burg etwa zu Reichstagen eingeladen, obwohl man die Herrschaft des Mainzer Erzbischofs nie offiziell abstreifte.
Freilich steht Kapellendorf auch für den Niedergang der mittelalterlichen Blütezeit. 1508 musste die Burg aus Finanznot an die Wettiner verpfändet werden und konnte bis zum Verlust der Autonomie an Mainz 1664 nicht wieder zurück erworben werden. Nach wechselvoller Geschichte war die Anlage in den 1920er Jahren sogar fast zur Ruine geworden. Das rief geschichtsbewusste Erfurter Bürger auf den Plan. 1930 gründete der Geschichtsverein die Burggemeinde Kapellendorf und konnte die Stadt Erfurt 1933 zum Ankauf der Burg bewegen. Diese erlebte samt ihrer Außenanlagen in den wenigen Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg 1939 eine wahre Renaissance. Aus dem verwahrlosten Anwesen wurde binnen kurzer Zeit ein beliebtes Ausflugsziel mit Museum und Gaststätte. Der Geschichtsverein mit Johannes Biereye an der Spitze hatte hierfür neben Sponsorengeldern und Fördermitteln durch eine „Kapellendorf-Lotterie“ und Postkartenverkauf mehr als 800.000 Mark für die Sanierung aufgebracht.
Auch wenn die Burggemeinde 1945 erlosch und die Burg heute zur Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten gehört, blieben die Beziehungen nach Erfurt bestehen. Das deutlich aufgewertete Burgmuseum gehört zu den Erfurter Geschichtsmuseen, für die Kuratorin Marie Petermann als Burgherrin vor Ort aktiv ist. In der 2011 eingeweihten Ausstellung „Belagerungen und Rückzugsgefechte - Erfurt und seine Burg“ wird die enge historische Verflechtung anschaulich dargestellt. Sie kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass das große Wappen der Stadt Erfurt im Mittelalter auch das Wappen von Kapellendorf als eine der vier wichtigsten Besitzungen des Landgebietes zeigte. (Fotos: Steffen Raßloff, unten: Exkursion des Fördervereins Stadtmuseum Erfurt am 25. Juni 2011 mit Besuch der neuen Dauerausstellung in der Kemenate)
(2024 hat die Stadt Erfurt die Betreibung des Burgmuseums mit der Schlösserstiftung beendet.)
Lesetipps:
Marie Petermann und Gudrun Noll: Wasserburg Kapellendorf. Von den Anfängen bis 1806. Erfurt 2011.
Steffen Raßloff: Die "Erfurter Burg" kehrt zurück. Kapellendorf im 20. Jahrhundert. In: Stadt und Geschichte 49 (2011). S. 12 f.
Steffen Raßloff (Hg.): Stadtmuseum "Haus zum Stockfisch". Stadt - Haus - Geschichte. Erfurt 2024.
Steffen Raßloff: Die Erfurter Museen. Kulturgeschichte im Spannungsfeld von Gesellschaft und Politik. In: Stadt und Geschichte 18 (2003). S. 24 f.
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Museen in Erfurt, Stadtmuseum Erfurt, Geschichtsverein, Johannes Biereye, Thüringer Schlösserstiftung