Ressource Schauspielhaus Erfurt

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Ressource / Schauspielhaus

Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (27.07.2013)


Trauriges Denkmal

DENKMALE IN ERFURT (108): Das Schauspielhaus ist als einstige Stätte von Geselligkeit und Kultur dem Verfall preisgegeben.


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Einst befand sich am Klostergang ein Zentrum großbürgerlicher Geselligkeit, später ein Tempel der Musen. Heute regieren hier Tristes und Verfall. Seit zehn Jahren steht das frühere Vereinshaus der Gesellschaft Ressource und Schauspielhaus leer. Für viele Erfurter ist es ein trauriges Denkmal der kulturpolitischen Entwicklung nach 1989. Die Landeshauptstadt Thüringens hat sich zwar ein modernes Opernhaus im Brühl gegönnt, dafür aber ihre Schauspielsparte abgewickelt. Zugleich kam das Ende für jene traditionsreiche Heimstätte der Kultur, die 1898 als privates Vereinshaus errichtet worden war. Die Entwürfe für den neobarocken Bau stammen von Architekt Georg Weidenbach.

Über dem Eingang in der Lilienstraße 14 kann man noch den verwitterten Namenszug Ressource erkennen. Jener Gesellschaft kam eine herausragende Stellung unter den gutbürgerlichen Geselligkeitsvereinen zu. 1780 gegründet, wurde sie durch den Beitritt „von Militär und Zivilbeamten, angesehenen Kaufleuten und gebildeten Bürgern Erfurts“ im Kaiserreich zum maßgebenden Herrenclub der Stadt. Ziel war die „Erholung nach den ernsten Berufsgeschäften des Tages“. Kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert errichtete man jenes großzügige Gebäude, das einen angemessenen Rahmen für die Fest- und Freizeitvergnügungen wie „Bälle, Soupers, Abendunterhaltungen, Sommervergnügungen“ bot. Die Zusammensetzung aus führenden Fabrikanten, Bankiers, Gartenbauunternehmern, Direktoren, Professoren, Ärzten, Rechtsanwälten, hohen Beamten und Offizieren machte die Ressource zur wichtigsten informellen Interessenbörse der Stadt. Hier wurde so manche Entscheidung angebahnt, die dann im Rathaus oder in Vorstandsetagen nur noch beschlossen werden musste.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war für einen bürgerlichen Herrenklub kein Platz mehr. Im Jahre der Gründung der DDR 1949 eröffnete der von Architekt Walther Beck umgebaute Gebäudekomplex als Schauspielhaus erneut seine Pforten. Neben so mancher Sternstunde des Theaters, beginnend mit Goethes Iphigenie auf Tauris am 29. August 1949, dem 200. Geburtstag des Dichterfürsten, wurde es auch zur Bühne wichtiger politischer Ereignisse. So unterzeichnete man 1988 hier den Partnerschaftsvertrag mit der Stadt Mainz. 1989 schlossen sich Schauspieler des Ensembles den Forderungen nach Veränderung in der DDR an und taten dies mutig während der Aufführungen kund. Niemand dürfte in der Aufbruchsphase der beginnenden friedlichen Revolution geahnt haben, dass dies einer der letzten Höhepunkte in der Geschichte des Hauses gewesen sein sollte. Mit der Einweihung der Neuen Oper 2003 wurde das Schauspielhaus geschlossen. Seither ist die städtische Immobilie dem Verfall preisgegeben. (Foto: Alexander Raßloff)

> Die Genossenschaft KulturQuartier Schauspielhaus erfüllt den Komplex seit 2017 wieder mit Leben.


Lesetipp:

Steffen Raßloff: Flucht in die nationale Volksgemeinschaft. Das Erfurter Bürgertum zwischen Kaiserreich und NS-Diktatur. Köln/Weimar/Wien 2003.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurter Bürgertum