Kaiser Wilhelm Denkmal Erfurt
Kaiser Wilhelm Denkmal
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (24.12.2011)
Reichsgründer zu Pferde
DENKMALE IN ERFURT (25): In August 1900 wurde in Anwesenheit Kaiser Wilhelms II. das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am heutigen Karl-Marx-Platz enthüllt.
Er wollte Deutschland „herrlichen Zeiten“ entgegenführen und sah dessen Zukunft „auf dem Wasser“. Einer seiner Kanzler verlangte für das Reich einen „Platz an der Sonne“. Viele Zeitgenossen teilten diese nationale Hochstimmung mit Flottenbau und Kolonien. Dennoch gibt es kaum ein Denkmal für Kaiser Wilhelm II. (1888-1918), da seine Abdankung 1918 zugleich das Ende der Monarchie brachte. Seinem Großvater Wilhelm I. (1871-1888) verhalf er allerdings zuvor zu zahlreichen Monumenten. Im „Wilhelminischen Zeitalter“ gehörte es zum guten Ton, dass eine Stadt neben Kriegerdenkmalen und Bismarckturm auch dem zweiten „Reichsgründer“ neben dessen „Eisernen Kanzler“ huldigte.
Die Enthüllung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals am 25. August 1900 gehört denn so auch in Erfurt zu den Höhepunkten nationaler Festkultur. Bei prächtigem „Kaiserwetter“ konnte „die neue Zierde der Stadt“, so Oberbürgermeister Hermann Schmidt, in Anwesenheit Wilhelms II. mit viel Pomp übergeben werden. Das Denkmal von Prof. Ludwig Brunow zeigte Wilhelm I. hoch zu Pferde. Kunsthistoriker wie Prof. Ruth Menzel schätzen den künstlerischen Wert des Reiterstandbildes nicht sehr hoch ein.
Die Zeitgenossen aber scheinen überwiegend begeistert gewesen zu sein. Zumal das Bürgertum der Stadt sah sich als treuen Untertan der Hohenzollern. Seit 1802 hatte man einen preußischen Patriotismus entwickelt. Nach der Reichsgründung 1871 verband er sich mit dem selbstbewussten Nationalismus des Kaiserreiches. Wilhelm I. spielte dabei als beliebter greiser Monarch eine zentrale Rolle. Zugleich verkörperte die Militärmonarchie ein Bollwerk gegen die Arbeiterbewegung, die in Form der „Umsturzpartei“ SPD gerade in Erfurt immer mehr Zulauf erhielt.
Die Initiative ging so wie bei den meisten der einst ca. 300 Kaiserdenkmale auf ein von städtischen und staatlichen Behörden unterstütztes Bürgerkomitee zurück. Ein von der Stadt 1888 bewilligter Fond von 20.000 Mark wurde durch Spenden aufgestockt. Dennoch sollte es über zwölf Jahre dauern, ehe das Denkmal nach schwieriger Standortwahl auf dem neuen Kaiserplatz zum Stehen kam. Zuvor hatte das Denkmal für Christian Reichart weichen müssen, auf den der Platz erst 1867 umgetauft worden war. Der Bürger und Begründer des modernen Gartenbaus musste dem Kaiser Platz machen. Das bronzene Reiterstandbild wurde 1944 für Kriegszwecke eingeschmolzen. Seit 1945 ist der einst dem Hohenzollern-Fürsten gewidmete Platz nach dem Begründer des Marxismus benannt. An der Stelle des Denkmals findet sich heute auf dem Karl-Marx-Platz eine kleine Grünanlage. (Foto: Stadtarchiv Erfurt)
Lesetipps:
Steffen Raßloff: Unterm mächtigen Zollernhaus. Das preußische Erfurt. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 68 f.
Steffen Raßloff: Landesbewusstsein und Geschichtsbild im preußischen Thüringen. Das Erfurter Bürgertum 1871-1918. In: Mathias Werner (Hg.): Im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik. 150 Jahre Landesgeschichtsforschung in Thüringen. Köln/Weimar/Wien 2005. S. 45-64.
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurt und Preußen, Erfurter Bürgertum, Kaiserstatuen Rathaus, Reichartdenkmal