Wilhelm Knappe

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Wilhelm Knappe

Konsul, Kolonialbeamter, Völkerkundler und Schöpfer der Erfurter Südseesammlung

geb. 20.10.1855 Erfurt, gest. 05.02.1910 Berlin

1883 Auswärtiges Amt, 1886/1887 erster Kaiserlicher Kommissar der Marshall-Inseln

1888/89 Konsul auf Samoa, Auslöser des "Samoa-Krieges"

1891-1894 Direktor der Nationalbank von Südafrika (Transvaal)

1894-1897 Konsul in Kanton, 1898-1905 Generalkonsul in Shanghai

Biographie

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Die Biographie des einst sehr populären Erfurter Konsuls, der durch den "Samoa-Krieg" 1889 Weltbekanntheit erlangte, schildert die teils spektakulären Lebensstationen fern der Heimat, aber auch Kindheit und Jugend in Erfurt sowie das Schicksal der Erfurter Südsee-Sammlung. Ein Anhang lässt Knappe selbst ausführlich zu Wort kommen; von ihm aufgenommene Photographien dienen zur Illustration. Schlaglichtartig werden dabei Kapitel deutscher Weltpolitik und des Imperialismus angesprochen: von der Kolonialkonkurrenz in der Südsee über den Burenkrieg bis hin zum Boxeraufstand in China. Diese Ereignisse spiegeln sich auch in Zeitzeugnissen aus Erfurt wider.

Das kulturelle Jahresthema der Stadt Erfurt lautete 2005 "Sehnsucht nach dem Paradies". Eine Ausstellung in der Kunsthalle am Fischmarkt präsentierte zahlreiche exotische Gebrauchs- und Kultgegenstände, Schmuck, Waffen, Modelle von Schiffen und Häusern, Tierpräparate u.ä. Als beeindruckendstes Exponat zog ein sechs Meter langes Auslegersegelboot mit Bastsegel die Besucher in seinen Bann. Knappe hatte 1889 jene Sammlung von ethnologischen Gegenständen an das Erfurter Städtische Museum verkauft. Seit 1890 bis in die DDR-Zeit hinein war sie im Großen Hospital, dem heutigen Volkskundemuseum, zu sehen. Heute ist die Südsee-Sammlung im Schaudepot Benaryspeicher zugänglich.


Steffen Raßloff: Wilhelm Knappe (1855-1910). Staatsmann und Völkerkundler im Blickpunkt deutscher Weltpolitik. Glaux Verlag Jena 2005.

Erfurts Südseekonsul zum 100. Todestag

Vor 100 Jahren verstarb der Erfurter Diplomat und Völkerkundler Wilhelm Knappe

Die Stadt Erfurt verdankt ihm ihre wertvolle Südseesammlung. Einst war Konsul Knappe nicht nur deshalb eine populäre Persönlichkeit in seiner Vaterstadt. Er brachte die weite Welt an die Gera, ohne zu den Verfechtern eines aggressiven Kolonialismus zu gehören. Dennoch verwehrte ihm der Kulturausschuss des Stadtrates die Würdigung durch einen Straßennamen.

Von Dr. Steffen Raßloff

Die Erfurter Südseesammlung im Schaudepot Benaryspeicher gilt in Kennerkreisen als Geheimtipp. Sie umfasst zahlreiche exotische Gegenstände, Schmuck, Waffen, Modelle und Tierpräparate. Jene wertvolle Sammlung geht auf den Erfurter Wilhelm Knappe (1855-1910) zurück, der als Konsul, Kolonialbeamter und Bankdirektor in der Südsee, in Afrika und Asien wirkte. An Knappes 100. Todesjahr werden der Geschichtsverein und das Volkskundemuseum, welches die Sammlung betreut, erinnern.

Knappe hatte sich den Ruf eines auf Ausgleich bedachten Akteurs im Zeitalter des Imperialismus erworben. Als erster Kaiserlicher Kommissar auf den Marschallinseln 1886 schützte er die Einwohner vor den Kokos-Handelsgesellschaften. Als Generalkonsul in Shanghai vertrat er nicht nur deutsche Interessen erfolgreich. Die englische Zeitung “Shanghai Mercury” bescheinigte Knappe 1905 unter Diplomaten außergewöhnliche Popularität. Darüber hinaus zollten ihm die Chinesen für seinen offenen Umgang Respekt. Noch heute ist er in Shanghai als Mitinitator der Tongji-Universität bekannter als in Erfurt. Bundespräsident Horst Köhler bezeichnete Knappe bei seiner Festansprache zum 100. Jubiläum der Elitehochschule 2007 als Gründerpersönlichkeit, die die Chinesen als Partner achtete.

Das große Interesse für Kulturen und Sprachen stellt ebenfalls keine Selbstverständlichkeit dar. Auf Expeditionen in Papua-Neuguinea etwa sicherte Knappe kulturelle Befunde, die oft nur wenige Jahre später verloren waren. Ethnologen schätzen den Amateur-Völkerkundler, der als einer der ersten die Einheimischen “vorurteilsfrei und genau studierte”, so Südseeexperte Prof. Hermann Joseph Hiery. Im Rahmen des Erfurter Kulturjahres 2005 “Sehnsucht nach dem Paradies” wurde deshalb die Biographie Knappes dem Vergessen entrissen, dem sie in der DDR-Zeit anheim gefallen war.

Um so mehr zeigten sich Geschichtsverein und Universität erstaunt, als der Kulturausschuss des Stadtrates Ende 2009 ihren Antrag auf einen Straßennamen ablehnte. Knappes Verdienste seien nicht ausreichend und der Vertreter des deutschen Kolonialismus dieser Ehrung nicht würdig. Sicher hat der Kolonialbeamte auch an der Unterdrückung überseeischer Völker mitgewirkt, geriet durch den Samoa-Konflikt 1889 sogar einmal in die Schlagzeilen. Aber er gehörte gerade nicht zu den imperialistischen Säbelrasslern und Rassisten. Nach Ansicht von Zeitgenossen und heutigen Wissenschaftlern hat er sich durchaus bleibende Verdienste erworben. Sollte in seiner Vaterstadt wirklich kein Platz für ein Gedenken an den Erfurter Südseekonsul sein, der am 5. Februar 1910 in Berlin verstarb?

(Thüringer Allgemeine vom 05.02.2010)