NS-Architektur in Erfurt

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NS-Architektur in Erfurt

Beitrag der TA-Serie 70 Jahre Kriegsende 1945 von Dr. Steffen Raßloff (14.02.2014)


Erfurt blieb NS-Gigantismus erspart

70 Jahre Kriegsende (7): Weimar und Erfurt konkurrierten auch städtebaulich um die Stellung als thüringische NS-Metropole


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Die Rivalität der Städte Erfurt und Weimar hat Tradition. Sie erstreckt sich auf viele Bereiche, in denen sich mal die eine, mal die andere Kommune im Vorteil sieht. Während Weimar in Sachen Kultur dank Klassik und Bauhaus mehr punkten kann, besitzt Erfurt traditionell die Stellung als größte Stadt, als Wirtschafts- und Verkehrszentrum. Die entscheidende Frage aber war über lange Zeit, wer die Hauptstadt Thüringens sein solle. Fast über das ganze 20. Jahrhundert zog sich der schrittweise Prozess der Bildung eines Landes Thüringen hin. 1920 entstand der Freistaat Thüringen aus den ehemaligen Kleinstaaten mit der Hauptstadt Weimar, dem der preußische Regierungsbezirk Erfurt noch nicht angehörte. Vor 70 Jahren folgte mit dem Kriegsende 1945 erstmals ein Thüringen in etwa dem heutigen Umfang, dessen Hauptstadtrolle Erfurt übernahm. Schon 1952 in der DDR zugunsten kleinerer Bezirke wieder aufgelöst, wurde Erfurt endgültig 1990 Hauptstadt des Bundeslandes Thüringen.

Das Dritte Reich von 1933 bis 1945 stellt gewissermaßen eine Übergangsphase hin zu einem einheitlichen Land dar. Dies drückt sich auch im städtebaulichen Konkurrieren der beiden Verwaltungszentren aus. Der NSDAP-Gauleiter und Reichsstatthalter Fritz Sauckel versuchte dabei seinen Amtssitz Weimar zu einem repräsentativen Machtzentrum auszubauen. Von hier aus wollte er Thüringen zu einem einheitlichen „Reichsgau“ einschließlich der preußischen Gebiete mit Erfurt vereinigen. Ehrgeiziges Hauptprojekt war das Gauforum nördlich der Altstadt, der heutige Weimarplatz mit dem „Weimar-Atrium“. Für dessen martialische Verwaltungsbauten und die geplante „Halle der Volksgemeinschaft“ mussten eine Parkanlage und Teile der Altstadt abgerissen werden. Das Weimarer Gauforum bildet als Prestigeobjekt von Sauckels „Mustergau“ das einzige weitgehend fertiggestellte regionale NS-Machtzentrum des Dritten Reiches.

In Erfurt versuchten ehrgeizige NS-Funktionäre wie Oberbürgermeister Walter Kießling und Regierungspräsident Otto Weber mit dem Weimarer Gigantismus Schritt zu halten. Das ambitionierteste Projekt war der neue Sitz der preußischen Bezirksregierung. Sie zog 1939 von der heutigen Staatskanzlei am Hirschgarten in den heutigen Landtags-Altbau in der Arnstädter Straße. Darüber hinaus sollte der Beethovenplatz zwischen heutigem Landtag, Landwirtschaftsministerium und Stadion als repräsentatives Forum mit weiteren wuchtigen Gebäuden ausgebaut werden (Abb. 1). Hiervon ausgehend hatte man laut Architekturhistoriker Mark Escherich die Arnstädter Straße (damals Hindenburgstraße) als Aufmarschmeile Richtung Domplatz im Blick. Zugleich begrüßte der Oberbürgermeister Entwürfe für einen ausgedehnten Gebäudekomplex auf dem Petersberg unter Einbeziehung der Peterskirche als NS-„Ehrenhalle“ (Abb. 2). Diese hatte Architekt Theo Kellner 1942 vorgelegt. All das kam freilich während des Krieges nicht mehr zur Ausführung, so dass Erfurt ähnlich massive Eingriffe in seine Stadtstruktur wie in Weimar erspart geblieben sind. (Fotos: Stadtarchiv Erfurt)


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurt im Nationalsozialismus