Stadtmauern Erfurt
Stadtbefestigungen in Erfurt
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (02.06.2012)
Wehrhafte Mauern
DENKMALE IN ERFURT (48): Vom Mittelalter bis zur Reichsgründung 1871 war Erfurt von gewaltigen Mauerringen umgeben. Heute erinnern nur noch wenige Stücke an die einstigen Stadtbefestigungen.
Martin Luther meinte, Erfurt sei so gut befestigt, dass es nicht eingenommen werden könne, es sei denn, der Türke belagere die Stadt. Hierzu kam es freilich nicht und so blieb Erfurt tatsächlich die Eroberung im Kampf erspart. Der mittelalterlichen autonomen Quasi-Reichstadt dienten die zwei Mauerringe mit ihren vielen Toren und Türmen ebenso zum Schutz, wie später unter der Herrschaft des Mainzer Erzbischofs und des preußischen Königs. Erst die Reichseinigung von 1871 beendete dieses Kapitel Stadtgeschichte. Nunmehr mitten im neuen Deutschen Kaiserreich gelegen, war Erfurt für Preußen als Festung nicht mehr von Bedeutung. 1873 wurde der Festungsstatus offiziell aufgehoben. Außer den Zitadellen Petersberg und Cyriaksburg verschwanden die Befestigungsanlagen. Der äußere Wallgraben wurde für den neuen Flutgraben ausgebaut, auf dem inneren legte man eine breite Ringstraße an, den heutigen Juri-Gagarin-Ring.
Die Erfurter wurden so stark vom Fortschrittsglauben der Zeit erfasst, dass sie den historischen Mauern, Wällen und Toren radikal zu Leibe rückten. Innerhalb von nur drei Jahrzehnten waren sie nahezu komplett vom Erdboden verschwunden. Zum Glück war zumindest das Zeitalter der Photographie angebrochen und gab es künstlerisch begabte Zeitgenossen, die die Stadtbefestigungen für die Nachwelt im Bild festhielten. Dass dies keineswegs zwangsläufig so kommen musste, zeigt das Beispiel anderer Städte. In Thüringen verfügt etwa Mühlhausen noch über einen nahezu geschlossen erhaltenen Stadtmauerring. Aber auch pulsierende Großstädte wie Nürnberg haben ganz bewusst große Teile der imposanten Befestigungen erhalten.
Während die inneren Stadttore überwiegend schon im 19. Jahrhundert abgerissen worden waren und die Entfestigung ab 1873 auch alle äußeren Tore beseitigte, sind zumindest einige Bruchstücke der Mauern erhalten geblieben. An der Einmündung des Juri-Gagarin-Rings in die Johannesstraße wird die mittelalterliche Wehrhaftigkeit noch am ehesten erlebbar. Hier hat man ein Stück der inneren Mauer stehen lassen, das heute gewissermaßen als Denkmal an die rund acht Jahrhunderte Befestigungsgeschichte erinnert. An der Johannesstraße schloss sich an das Mauerstück das innere Johannestor an, eines der ältesten Erfurter Stadttore. Sein Turm wurde seit 1444 von einem 2 Meter hohen Relief mit Johannes dem Täufer verziert, den die Wappen der Besitzungen des Erfurter Landgebietes umgaben. Jenes Relief hat man nach dem Abbruch des Tores in die Mauer eingelassen, wo es heute noch als eines der wenigen Relikte der Stadttore bewundert werden kann (siehe Abb.).
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Stadtbefestigung, Stadtmodell von 1873