Waid
Waid
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (31.03.2012)
Blaues Gold
DENKMALE IN ERFURT (39): Dem Blaufärbemittel Waid verdankte die Mittelaltermetropole Erfurt Reichtum und Macht. Hieran erinnert das Waidmühlrad vor dem Gartenbaumuseum.
Bei Denkmalen kommen einem wohl in erster Linie Standbilder, Gedenksteine oder Tafeln in den Sinn, die ganz bewusst an große Persönlichkeiten oder Ereignisse erinnern sollen. Es gibt aber auch Denkmale, die erst im Laufe der Zeit diesen Charakter angenommen haben und ursprünglich einem ganz praktischen Zweck dienten. Hierzu zählen etwa die wenigen erhaltenen Waidmühlräder im Raum Erfurt, allen voran das Exemplar vor dem Deutschen Gartenbaumuseum auf dem egapark. Es erinnert daran, dass sich über Jahrhunderte ein großer Teil von Erfurts Reichtum und Macht dem „blauen Gold“ jener Färberpflanze verdankte.
Der Färberwaid (Isatis tinctoria L.) ist eine zweijährige Pflanze aus der Familie der Kreuzblütengewächse. Er wurde im Mittelalter besonders im mittelthüringischen Raum angebaut. Seine Blätter konnten mehrmals im Jahr geerntet werden. Man breitete sie anschließend zum Anwelken auf Wiesen aus und zerquetschte sie unter dem Rad einer Waidmühle zu Waidmus. Die getrockneten Waidballen fuhren die Bauern schließlich nach Erfurt, wo der eigentliche Veredelungsprozess zum Blaufärbemittel durchgeführt wurde. Dies geschah u.a. durch Gärung mittels Urin auf den großen Dachböden der Waidjunkerhäuser. Ein solches typisches Waidjunkerhaus ist das Stadtmuseum „Haus zum Stockfisch“ in der Johannesstraße. Die Erfurter Fernhändler unterhielten ein äußerst einträgliches Verbindungsnetz in ganz Europa. Im letzten Jahr hat der Hamburger Historiker Stephan Selzer in der Publikation des Geschichtsvereins „Blumenstadt Erfurt“ erstmals detailliert die herausgehobene Stellung Erfurts neben der westeuropäischen Waidmetropole Toulouse beschrieben. Einschließlich einer Spätblüte bis zum Dreißigjährigen Krieg sorgte der Waidhandel auch für volle Stadtkassen und ermöglichte so die reichsstadtähnliche Autonomie vom Landesherrn, dem Mainzer Erzbischof, ganz wesentlich mit.
Als 1961 die erste Internationale Gartenbauausstellung der sozialistischen Länder, die „iga ´61“, eröffnet wurde, hatte man nicht nur die große neuzeitliche Gartenbautradition der Blumenstadt Erfurt im Blick. Vor dem ebenfalls mit der iga eingeweihten Gartenbaumuseum in der Cyriaksburg kam eines der traditionellen Waidmühlräder zum Stehen. Es sollte darauf verweisen, wie wichtig das „blaue Gold“ einst war. Diese Form der Traditionspflege hat nichts an Bedeutung verloren und wird bis heute vom egapark und dem Deutschen Gartenbaumuseum ernst genommen. Mit Blick in die Zukunft sollte sich auch das Konzept der Bundesgartenschau 2021 von diesem Denkmal inspirieren lassen.
Literaturtipp:
Martin Baumann / Steffen Raßloff (Hg.): Blumenstadt Erfurt. Waid - Gartenbau - iga/egapark (Schriften des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt. Bd. 8). Erfurt 2011.
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Blumenstadt Erfurt