Wappen Kaiserzeit Hauptpost Erfurt

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Wappen an der Hauptpost

Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (16.03.2013)


Erinnerung an Kaisers Zeiten

DENKMALE IN ERFURT (89): Die Wappen mit dem Reichsadler an der Hauptpost erinnern an einen prägenden Abschnitt der Stadtgeschichte.


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Vor gut 100 Jahren herrschte in Erfurt in weiten Teilen der Bürgerschaft eine, wie man damals gerne sagte, gut vaterländische Stimmung. Man pflegte ein starkes deutsches Nationalgefühl, das mit dem Bekenntnis zum Königreich Preußen Hand in Hand ging. Dem Hohenzollern-Staat, dem man seit 1802/15 angehörte, glaubten viele Erfurter den Aufstieg zur modernen Industriegroßstadt zu verdanken. Der Sieg Preußens im „Reichseinigungskrieg“ über Frankreich 1871 hatte diesem große Popularität verschafft. Jenes preußisch-deutsche Nationalgefühlt fand im Staatswappen des Kaiserreiches seinen Ausdruck. Es zeigt einen Reichsadler mit dem preußischen Adler auf der Brust.

Ein weiterer Ausdruck des Nationalstolzes waren neben Denkmalen wie dem Bismarckturm oder Kaiser-Wilhelm-Denkmal repräsentative öffentliche Gebäude. Die Kaiserliche Post am Anger wurde als wahrer Palast unter dem preußischen Generalpostmeister und Staatssekretär des Reichspostamtes Heinrich Stephan von 1882 bis 1885 errichtet. Selbstverständlich prangten an diesem Gebäude auch zwei große Wappen mit dem Reichsadler. Sie befanden sich in Medaillons im Dachbereich auf der Anger- und Schlösserstraßenseite. 1920 verschwanden die Wappen jedoch als monarchische Hoheitszeichen auf Weisung der Regierung der Weimarer Republik. Dies betraf auch die preußischen Adler, die an verschiedenen öffentlichen Gebäuden angebracht waren. Weder im Dritten Reich noch gar in der DDR-Zeit war an eine Rückkehr der Wappen zu denken.

Erst 2007 erfolgte die Anbringung nach historischen Vorgaben gestalteter neuer Adlerwappen aus Sandstein. Die Idee hierzu stammte vom ehrenamtlichen Denkmalpfleger Karsten Grobe, während der neue Eigentümer des Postkomplexes für die Finanzierung sorgte. Die Wappen bedeuten freilich keine Rückkehr zum bisweilen überschäumenden Nationalgefühl des Wilhelminischen Kaiserreiches. Vielmehr ging es um eine denkmalpflegerische Maßnahme, die die prachtvolle Fassade wieder in authentischer Form komplettiert. Der Reichsadler steht ebenso wie das mittelalterliche Erfurter Wappen oder das kurmainzische Wappen als Denkmal für einen Abschnitt unserer Geschichte. Im Kaiserreich von 1871 bis 1918 veränderte nicht nur der Anger sein Aussehen grundlegend, sondern entwickelte sich Erfurt zur modernen Industriegroßstadt. Bei aller berechtigten Kritik am preußisch-deutschen Nationalstaat hat die Geschichtswissenschaft auch viele positive Aspekte herausarbeiten können. Hierzu gehört die sprichwörtlich perfekte Organisation des Staates, nicht zuletzt des Post- und Fernmeldewesens. (Fotos: Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Steffen Raßloff: Unterm mächtigen Zollernhaus. Das preußische Erfurt. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 68 f.

Steffen Raßloff: Landesbewusstsein und Geschichtsbild im preußischen Thüringen. Das Erfurter Bürgertum 1871-1918. In: Mathias Werner (Hg.): Im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik. 150 Jahre Landesgeschichtsforschung in Thüringen. Köln/Weimar/Wien 2005. S. 45-64.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Anger