Alte Universität Erfurt Rathausfestsaal
Alte Universität Erfurt
Beitrag der Serie Wandbilder im Rathausfestsaal von Dr. Steffen Raßloff (2007)
Alma mater Erfordiensis
Die Wandbilder im Rathausfestsaal (6): Alte Universität Erfurt
In einem Bilderzyklus zur Stadtgeschichte, wie er seit 1882 den Rathausfestsaal ziert, darf die traditionsreiche Universität Erfurt nicht fehlen. Sie ist mit ihrer Privilegierung im Jahre 1379 die älteste im heutigen Deutschland.
Die von der Erfurter Bürgerschaft ins Leben gerufene Hierana, die Universität an der Gera, entwickelte sich rasch zu einem geistigen Zentrum Mitteleuropas. Neben ihr nahmen sich andere Universitäten wie „kleine (ABC-)Schützenschulen“ aus, so der Erfurter Student und Magister Martin Luther. Von Beginn an lehrte man an allen vier mittelalterlichen Fakultäten: Philosophie, Medizin, Recht und Theologie. Maler Prof. Janssen hat dies sinnfällig zum Ausdruck gebracht. Überragt von der Klugheit in Frauengestalt stehen vier große Gelehrte für ihren jeweiligen Fachbereich.
Die Philosophie, eine Art Grundstudium für die drei “höheren Fakultäten”, wird repräsentiert vom Humanisten Eobanus Hessus, auf der linken Bildseite rechts neben Luther stehend. Hessus gehörte zum namhaften Erfurter Humanistenkreis, dem auch Teile der “Dunkelmännerbriefe” zugeschrieben werden. Jene satirische Streitschrift gegen die mittelalterliche Scholastik ist in Form der von zwei Engeln gehaltenen Schriftzüge “Epistolae obscurorum virorum” präsent.
Der Staatsrechtler Henning Göde rechts im Bild mit Buch gehörte zu den renommiertesten Vertretern der Juristischen Fakultät. Medizinprofessor Amplonius Rating de Berka ist als Rektor, Kolleggründer und Schöpfer der Handschriftensammlungen “Amploniana” eine der herausragenden Gestalten der Erfurter Universität. Für die Theologie schließlich steht Luther. Das ist angesichts des berühmtesten Universitätsangehörigen sicher verständlich. Zur Zeit des Studenten und Magister Luther 1501 bis 1505 war die Fakultät freilich noch katholisch und sollte es auch nach der Reformation mit kurzen Unterbrechungen bzw. ergänzt durch einzelne evangelische Lehrstühle bleiben.
Als Prof. Janssen den Festsaal mit seinen Bildern schmückte, gehörte die Universität schon seit Jahrzehnten der Geschichte an. Das Andenken an die 1816 von Preußen geschlossene Hohe Schule war aber nie erloschen. Bürger und Institutionen wie die Akademie gemeinnütziger Wissenschaften (1754) und der Geschichtsverein (1863) pflegten deren Erbe. Die Gründung der Pädagogischen Hochschule (1953) sowie der Medizinischen Akademie (1954) machten Erfurt später wieder zum Hochschulstandort, der sich seiner Wurzeln bewusst war.
Mit der “Wende” rückte sogar die seit 1987 von der heutigen Universitätsgesellschaft angestrebte Neubelebung der Universität in realistische Nähe. Wieder war es die Bürgerschaft, die die entscheidenden Impulse gab. 1994 konnte die Wiedergründung feierlich begangen werden. Auf dem Campus an der Nordhäuser Straße studieren mittlerweile 6000 Studenten an wiederum vier Fakultäten: Philosophische, Staatswissenschaftliche, Erziehungswissenschaftliche und Katholisch-Theologische Fakultät. (Foto: Alexander Raßloff)
Lesetipp:
Steffen Raßloff: Älteste und jüngste Universität. Die Alma Mater Erfordensis. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 36 f.
Siehe: Rathaus, Geschichte der Stadt Erfurt, Universität, Dunkelmännerbriefe, Luther, Amplonius