350 Jahre "Mainzer Reduktion" 1664
350 Jahre "Mainzer Reduktion" 1664
Von der Unterwerfung zur Partnerschaft
Vor 350 Jahren musste sich die autonome Stadt Erfurt dem Mainzer Erzbischof beugen, woran die gemeinsame Fachtagung von Erfurter und Mainzer Geschichtsverein am 5. April 2013 erinnert.
Ein Wandbild im Rathausfestsaal zeigt einen der großen Triumphe des Kurfürstentums Mainz. Erzbischof und Kurfürst Johann Philipp von Schönborn, hoch zu Ross und mit den Attributen seiner Herrschaft ausgestattet, bildet den Mittelpunkt. Ihm zur Seite sitzt General Franz de Pradel, Befehlshaber der französischen Truppen, mit deren Hilfe Schönborn die Erfurter Bürgerschaft in die Knie zwingen konnte. Abgebildet ist jener einschneidende Moment am 12. Oktober 1664, als sich die Erfurter nach langer Belagerung vor den Toren der Stadt ihrem Landesherrn bedingungslos ergeben mussten. Schönborn hatte damit die größte und neben Mainz wichtigste Stadt seines Kurfürstentums nach jahrhundertelanger Autonomie wieder seiner Herrschaft unterworfen. Die stolzen Stadträte der einstigen Mittelaltermetropole knien gesenkten Hauptes in ihren Purpurmänteln vor dem Fürsten im Staub und übergeben ihm die Schlüssel der Stadt.
Auch 350 Jahre danach fällt es nicht ganz leicht, dieses Ereignis als historisches Jubiläum vorbehaltlos zu begehen. Die Mainzer „Reduktion“ („Rückführung“), wie man den gewaltsamen Vorgang damals euphemistisch bezeichnete, machte die „treue Tochter des Mainzer Stuhls“ wieder gefügig. Die kurmainzische Zeit von 1664 bis zum Übergang an Preußen 1802 galt den Erfurtern lange als Phase des politischen und wirtschaftlichen Niedergangs. In der von einem Statthalter regierten Provinzstadt lebten um 1800 ganze 16.000 Einwohner, in der Mittelaltermetropole waren es bis zu 20.000. So scheint es letztlich konsequent, wenn die Stadtväter für ihren 1882 eingeweihten Rathausfestsaal eben jenen schmachvollen Moment zur Erinnerung ausgewählt haben. Dabei hätte die Mainzer Epoche durchaus auch Erfreulicheres geboten, etwa die Zeit des Statthalters Karl Theodor von Dalberg mit ihrer kulturellen Blüte in Nachbarschaft zum Weimar Goethes.
Heute sehen Erfurter und Mainzer das Ereignis sehr viel entspannter. Seit 1988 verbindet beide Städte eine Partnerschaft, die auch Kontakte zwischen den Geschichtsvereinen beinhaltet. Um diese weiter zu vertiefen, werden der Verein für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt und der Mainzer Altertumsverein am 5. April im Rathausfestsaal eine gemeinsame öffentliche Fachtagung „350 Jahre ‚Mainzer Reduktion‘ 1664“ veranstalten. Ganz paritätisch halten Bettina Braun von der Mainzer Gutenberg-Universität und Ulman Weiß von der Universität Erfurt gewissermaßen unter den Augen von Erzbischof Schönborn die Vorträge. Hiermit soll auch der Blick auf die historischen Ereignisse geweitet und in einen größeren Rahmen eingeordnet werden. Während guter Besuch seitens der Erfurter für die jährliche Fachtagung des Geschichtsvereins garantiert ist, wird auch der Mainzer Verein mit einer großen Delegation vertreten sein.
(Dr. Steffen Raßloff in der Thüringer Allgemeine vom 07.01.2014)
Lesetipp:
Steffen Raßloff: Barockes Erbe. Die kurmainzische Provinzstadt. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 54 f.
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurter Geschichtsverein, Städtepartnerschaft Erfurt-Mainz, Mainzer Altertumsverein