Flucht in die nationale Volksgemeinschaft
Bürgertum zwischen Kaiserreich und NS-Diktatur
Das Buch des Historikers Dr. Steffen Raßloff schildert den Weg des Erfurter Bürgertums mit seinen traditionellen Werthaltungen, seinen Vereinen, Parteien und Honoratioren vom "bürgerlichen 19. Jahrhundert" bis hin zur Diktatur des Nationalsozialismus. Es arbeitet die tiefe Spaltung der modernen Industriegroßstadt, zu der sich Erfurt im letzten Drittel des 19. Jahrhundert entwickelt hatte, in zwei ideologisch und kulturell-lebensweltlich fest verankerte Milieus heraus.
Diese Feindschaft von Bürgertum und Arbeiterschaft eskalierte nach dem Erstem Weltkrieg in der Weimarer Republik 1918-1933 bis hin zu Bürgerkrieg. Hierin sieht der Autor einen wesentlichen Grund für die schrittweise Hinwendung und schließliche "Flucht" großer Teile des politisch entwurzelten Bürgertums, insbesondere des Mittelstandes, zur NSDAP. In der extremen Krisensituation 1929/33 glaubte man in der Hitlerschen Utopie einer "nationalen Volksgemeinschaft" den letzten Ausweg zu sehen. Dies wird unter anderem durch detaillierte Wahlanalysen empirisch belegt.
Darüber hinaus bietet das Buch aber auch eine Fülle an Informationen zur allgemeinen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Geschichte der Stadt.
Steffen Raßloff: Flucht in die nationale Volksgemeinschaft. Das Erfurter Bürgertum zwischen Kaiserreich und NS-Diktatur (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen. Kleine Reihe, Band 7). Köln/Weimar/Wien 2003. (Böhlau Verlag)
"Eine beeindruckende und wertvolle Untersuchung zur politischen Orientierung bürgerlicher Schichten im Erfurt der Weimarer Republik, deren Bedeutung über das sorgfältige Nachzeichnen lokaler Besonderheiten weit hinausreicht." (Historische Zeitschrift 279/2004)
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurt in der Weimarer Republik, Erfurt im Nationalsozialismus