Flutgraben
Flutgraben
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (01.03.2014)
Das Ende der Hochwassergefahr
DENKMALE IN ERFURT (139): Der 1898 fertig gestellte Flutgraben schützt die Erfurter Innenstadt zuverlässig vor Hochwasser.
In den letzten Jahren haben immer wieder Flutkatastrophen auch in Deutschland und Thüringen großen Schaden angerichtet. Die Innenstadt von Erfurt stand dabei glücklicherweise kaum im Fokus der Medien. Zu verdanken ist dies einem echten Jahrhundertbauwerk, dem Erfurter Flutgraben. Er stoppte Ende des 19. Jahrhunderts die regelmäßigen Überschwemmungen. Seit Menschengedenken hatte die Gera mit ihren vielen Flussarmen im Altstadtbereich durch das aus dem Thüringer Wald kommende Schmelzwasser sowie sommerliche Gewitter und Starkregen teils verheerende Hochwasserkatastrophen angerichtet. Der Gedenkstein für die Katastrophe von 1374 am Brühler Garten erinnert beispielhaft hieran.
Der 5,4 Kilometer lange Flutgraben setzte dem nun ein Ende. Wesentlicher Initiator war der damalige Oberbürgermeister Richard Breslau, dem man zu Recht auch als „Vater des modernen Erfurt“ bezeichnet hat. Das Denkmal für diesen verdienstvollen OB hat denn auch später einen Platz direkt am Flutgraben in der Löberstraße gefunden. Am 14. Oktober 1898 wurde das Wasserbauwerk nach achtjähriger Bauzeit seiner Bestimmung übergeben. Anschließend schüttete man den inneren Festungsgraben zu und legte eine Ringstraße, den heutigen Juri-Gagarin-Ring, darauf an. Die Baukosten betrugen seinerzeit stolze 1,7 Millionen Mark, die von der Stadt Erfurt aufgebracht wurden. Während der Bauarbeiten bewegte man 560.000 Kubikmeter Erdreich. Hinzu kamen zahlreiche Brücken, wie die Pförtchenbrücke, die Hohenzollernbrücke, die Krämpfertorbrücke, der Wilhelmssteg und die Schmidtstedter Brücke.
Das Doppelprojekt von Flutgraben und Ring stellt eines der wichtigsten städtebaulichen Projekte der Erfurter Stadtgeschichte dar. Es wurde möglich durch die Entfestigung der Stadt nach 1873 in Folge der Reichsgründung von 1871. Innerhalb von nur drei Jahrzehnten verschwanden die gewaltigen Befestigungen, an die nur noch wenige Reste wie an der Kreuzung von Johannesstraße und Juri-Gagarin-Ring erinnern. Über weite Strecken folgt der Verlauf des Flutgrabens dem ehemaligen äußeren Wassergraben der Stadtmauern. Gut nachvollziehen kann man dies am großen Stadtmodell von Robert Huth im Stadtmuseum in der Johannesstraße, das Erfurt unmittelbar vor der Entfestigung zeigt (siehe Abb.). Seit seiner Fertigstellung schützt der Flutgraben vom Papierwehr am Dreienbrunnenbad im Süden bis zum erneuten Zusammenfluss mit der Gera am Nettelbeckufer im Norden die Stadt Erfurt zuverlässig vor Hochwasser. (Fotos: Michael Sander; Stadtmuseum Erfurt, Dirk Urban)
Literturtipp:
Steffen Raßloff: 100 Denkmale in Erfurt. Geschichte und Geschichten. Mit Fotografien von Sascha Fromm (Thüringen Bibliothek. Bd. 11). Essen 2013.
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Hochwasser 1374, Stadtbefestigungen, Richard Breslau, Stadtmuseum Erfurt